t-online - Nachrichten für Deutschland
Such IconE-Mail IconMenü Icon

Menü Icont-online - Nachrichten für Deutschland
Such Icon
HomePolitikTagesanbruch

Tagesanbruch: Shell-Jugendstudie – was läuft in der jungen Generation eigentlich falsch?


Was läuft hier eigentlich falsch?

Von Florian Wichert

Aktualisiert am 16.10.2019Lesedauer: 7 Min.
Meinung
Was ist eine Meinung?

Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.

Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.
Ein Schüler im Klassenraum. (Symbolfoto)Vergrößern des Bildes
Ein Schüler im Klassenraum. (Symbolfoto) (Quelle: imago-images-bilder)

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

hier ist der kommentierte Überblick über die Themen des Tages:

WAS WAR?

Wie ticken Jugendliche?

Diese Frage stand im Fokus der Shell-Jugendstudie, deren Ergebnisse gestern in Berlin präsentiert wurden – und die es durchaus in sich hatten. Eine repräsentativ zusammengesetzte Stichprobe von 2.572 Jugendlichen im Alter von 12 bis 25 Jahren ergab unter anderem:

  • 24 Prozent der Jugendlichen neigen zu Populismus und weitere 9 Prozent sind als Nationalpopulisten zu bezeichnen.
  • Mehr als die Hälfte der jungen Menschen glaubt, dass die Regierung der Bevölkerung die Wahrheit verschweigt, und dass der Staat sich mehr um Flüchtlinge als um hilfsbedürftige Deutsche kümmere.
  • Weniger als die Hälfte der Befragten bezeichnet sich als politisch interessiert oder stark interessiert.

Auch eine Politisierung der Jugend durch "Fridays for Future" habe nicht wirklich stattgefunden oder bedeute vielmehr, dass sich nicht mehr Jugendliche für Politik interessieren, sondern dass diejenigen, die bereits bisher politisch interessiert waren, sich noch intensiver mit Politik auseinandersetzen und engagieren.

Loading...
Symbolbild für eingebettete Inhalte

Embed

Nicht alle Erkenntnisse sind negativ. Auch das Fazit der Studie lautet: "Jugendliche melden sich vermehrt zu Wort und artikulieren ihre Interessen und Ansprüche nicht nur untereinander, sondern zunehmend auch gegenüber Politik, Gesellschaft und Arbeitgebern. Dabei blickt die Mehrheit der Jugendlichen eher positiv in die Zukunft. Ihre Zufriedenheit mit der Demokratie nimmt zu. Die EU wird überwiegend positiv wahrgenommen. Jugendliche sind mehrheitlich tolerant und gesellschaftlich liberal. Am meisten Angst macht Jugendlichen die Umweltzerstörung." Falls Sie sich fragen, was die Studie mit dem Mineralölkonzern Shell zu tun hat: Der gibt sie alle drei bis fünf Jahre in Auftrag, um "gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen".

Doch aufgrund der oben genannten Punkte kam Jugendministerin Franziska Giffey zu dem Urteil: "Wir brauchen mehr politische Bildung in den Schulen."

Ein Fragezeichen hinter politischer, gesellschaftlicher und geschichtlicher Bildung?

Es ist keine Woche her, dass die in einem ganz anderen Zusammenhang Thema war. Nach dem Attentat von Halle sagte der Vizepräsident des Zentralrats der Juden, Abraham Lehrer, dem "Kölner Stadt-Anzeiger": "Alle Bildungskonzepte, die wir seit 1945 entwickelt und praktiziert haben, müssen auf den Prüfstand: War das richtig? Warum hat es nicht zum gewünschten Erfolg geführt? Was müssen wir ändern?" Der Grund für die drastischen Worte war die schlimme Tat von Stephan B., der mit rechtsextremistischem und antisemitischem Motiv ein Massaker in einer Synagoge geplant und letztlich zwei Zivilisten getötet hat.

Das erschütternde Attentat eines Rechtsextremisten und eine Studie zu Populismus-Neigungen sind zwei vollkommen verschiedene paar Schuhe. Und doch bleibt die Frage: Läuft bei der Bildung etwas falsch – und wenn ja, was?

Erst im Juni war eine Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung zum Ergebnis gekommen, dass beispielsweise Politik-Unterricht "etwas Elitäres" sei. Nur 55 Prozent der Gymnasiasten in den Klassen 9 und 10 gaben an, Politik in einem eigenständigen Fach zu lernen, an übrigen allgemeinbildenden Schulformen waren es nur 44 Prozent. Hinzu kommt, dass Politikunterricht oft von fachfremden Lehrern gelehrt wird – und zudem kaum aktuelle Themen umfasst. Politik, Gesellschaft, Geschichte: Diese Fächer genießen nicht die Priorität, die sie haben müssen. Wenn es dafür noch einen Beweis gebraucht hat, hat ihn die Shell-Studie geliefert.


WAS STEHT AN?

In Nordsyrien stehen sich die türkische Armee und Assad-Truppen gegenüber. Dazwischen patrouillieren Medienberichten zufolge russische Soldaten. Die USA forderten den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan zum Waffenstillstand auf, doch der konterte laut "Hürriyet" mit einer Absage: "Wir können niemals eine Waffenruhe ausrufen." US-Sanktionen würden ihm keine Sorgen bereiten.

Wie geht es weiter?

Heute befasst sich der Bundestag mit der Militäroffensive. Alle Fraktionen sind sich einig, dass der Einsatz gegen die kurdische YPG-Miliz so schnell wie möglich beendet werden muss. Nur wie? Das müssen sie klären.

Droht die nächste Stufe der militärischen Eskalation unter Beteiligung der Nato? Könnte die Türkei die Nato-Partner mit in den Konflikt ziehen? Oder: Müsste Deutschland in einem Bündnisfall Soldaten entsenden? Mein Kollege Patrick Diekmann hat hier die wichtigsten Fragen beantwortet.


Der Krieg in Syrien hat neben der Politik längst auch andere Felder erreicht – zum Beispiel den Sport. Die türkische Nationalmannschaft zeigte am Montag erneut einen Militärgruß an die türkischen Truppen, obwohl die Uefa-Regularien das verbieten und der Verband bereits eine Untersuchung angekündigt hatte. Die deutschen Nationalspieler Ilkay Gündogan und Emre Can waren heftig kritisiert worden, nachdem sie einen Post des türkischen Nationalspielers Cenk Tosun zunächst geliked hatten. Der FC St. Pauli feuerte seinen Spieler Cenk Sahin nach einem Bekenntnis zur türkischen Militäroffensive.

Der Militärjubel war nicht der einzige Eklat in der EM-Qualifikation. In Sofia beim 0:6 der bulgarischen Nationalmannschaft am Montag gegen England musste das Spiel zweimal unterbrochen werden. Bulgarische Zuschauer zeigten den Hitler-Gruß, machten Affenlaute und diskreditierten insbesondere die Engländer Raheem Sterling und Tyrone Mings.

Eine schlimme Woche für den Fußball. Verbunden mit der Frage, welche Strafen die Türkei und Bulgarien zu erwarten haben.

Zum Militärgruß der Türkei tagt die zuständige Kontroll-, Ethik- und Disziplinarkammer am Donnerstag. Ob dann schon Sanktionen verhängt werden, ist fraglich. Möglich sind Geldstrafen, Platzsperren oder sogar Punktabzüge. Ähnliche Strafen sind auch für Bulgarien möglich. Die Uefa eröffnet dafür ein Disziplinarverfahren.

Nachdem Fifa und Uefa die Vorfälle zu Recht heftig kritisiert haben, sind diese Strafen allerdings fast zu mild. Punktabzüge sind das Mindeste, was die Verbände verdient haben. Die Uefa sollte tatsächlich über Vorschläge wie den von Italiens Sportminister Vincenzo Spadafora nachdenken und der Türkei womöglich das Champions-League-Finale 2020 in Istanbul entziehen. Und Bulgarien von der EM-Qualifikation ausschließen? Sie muss auf jeden Fall hart durchgreifen.


Bundeskanzlerin Angela Merkel, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Minister beider Länder treffen sich heute ab 16.30 Uhr zu Beratungen in Toulouse. Beim Deutsch-Französischen Ministerrat sollen die gemeinsame Klima- und Industriepolitik sowie wichtige Verteidigungsprojekte besprochen werden. Vorher wollen Merkel und Macron den europäischen Luftfahrt- und Rüstungskonzern Airbus in der südwestfranzösischen Stadt besuchen.


Loading...
Loading...
Loading...
Täglich mehr wissen

Abonnieren Sie kostenlos den kommentierten Überblick über die Themen, die Deutschland bewegen. Datenschutzhinweis

Schwer auszuklammern beim Treffen von Merkel und Macron sind der Brexit und der dafür alles entscheidende EU-Gipfel am Donnerstag. Schafft der britische Premierminister Boris Johnson noch einen Deal beim EU-Gipfel, um den Brexit wie geplant am 31. Oktober zu vollziehen? Oder muss er am Samstag eine Fristverlängerung bei der EU beantragen? Nachdem monatelang nichts voran ging, braucht es innerhalb von Stunden einen Vertragsentwurf. Ausgang weiterhin offen.


Höhere Steuern auf Flugtickets, mehr Pendlerpauschale, günstigere Bahntickets – das Kabinett will heute Maßnahmen aus dem Klimapaket auf den Weg bringen. Gesammelt sind sie in einem Gesetzentwurf des Finanzministeriums zum Steuerrecht. Darin geht es auch um die Förderung für energetische Gebäudesanierung und Eckpunkte zu einem Preis für den Ausstoß von CO2 beim Verkehr und Heizen. Straffes Programm.


In Frankfurt am Main beginnt um 9 Uhr der erste Fachbesuchertag der Buchmesse. Rund 7.450 Aussteller aus mehr als 100 Ländern werden bis Sonntag erwartet. Neu: Ein eigener Bereich für Hörbücher und Podcasts.


DIE GUTE NACHRICHT

"Wir lassen Notre-Dame nicht im Stich" – das hat Kulturminister Franck Riester am Dienstag in Paris angekündigt und damit versprochen, dass der Staat notfalls die restlichen Kosten für den Wiederaufbau übernimmt. Die Frage ist, ob das überhaupt notwendig sein wird. Sechs Monate nach dem Großbrand belaufen sich die Spenden und Spendenzusagen auf 922 Millionen Euro. 104 Mio. Euro seien bereits eingetroffen, 350.000 Spender beteiligt.


WAS LESEN ODER ANHÖREN?

Ganz genau weiß man es noch nicht. Doch offensichtlich will die Bundesregierung auch den chinesischen Netzausrüster Huawei für den Ausbau des deutschen 5-G-Mobilfunkmarktes zulassen. Ist das sträflicher Leichtsinn, wie der SPD-Außenpolitiker Nils Schmid dem "Handelsblatt" sagte? Ist es naiv, wie man in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion grummelt? Nicht unbedingt, schreibt unsere Kolumnistin Ursula Weidenfeld.


Die große Frage am Tag des Anschlags von Halle: War der Rechtsterrorist Stephan B. ein Einzeltäter? Aus rechtsextremen Organisationen war er den Sicherheitsbehörden nicht bekannt. Allein war er aber trotzdem nicht, sagt Extremismusforscherin Julia Ebner im Interview mit meinen Kollegen Jonas Schaible und Johannes Bebermeier. Denn er bewegte sich in rechtsextremen Imageboards, Foren abseits der großen Plattformen wie Facebook. Ebner erklärt, wie die Radikalisierung dort funktioniert. Die Forscherin hatte sich zuletzt selbst undercover unter die Mitglieder dieser Foren gemischt.


Mindestens genauso spannend wie spektakuläre Spielerwechsel im Fußball sind die Transfers, die am Ende knapp scheitern. Der brasilianische Staat verhinderte einst, dass ein gewisser Pelé ins Ausland und zu Hannover 96 wechselt. Das Talent des FC Santos blieb in der Heimat und wurde zum vielleicht besten Fußballer aller Zeiten. 1976 war ein gewisser Michel Platini im Probetraining beim 1. FC Saarbrücken. Er fiel durch, galt als zu schmächtig – und startete eine Weltkarriere bei Juventus Turin. Der französische Weltmeister von 2018, Kylian Mbappé, wäre 2015 um ein Haar beim heutigen Bundesligisten RB Leipzig gelandet. Der Wechsel scheiterte, weil die Trainerfrage bei RB noch nicht geklärt war.

Oder nehmen wir den Hamburger SV, der sich 2008 aufgrund des äußeren Erscheinungsbildes mit zerrissener Jeans und Bart gegen Jürgen Klopp als Trainer entschied. Heute spielt der HSV in der zweiten Liga, Klopp ist Welttrainer und Champions-League-Sieger. Viele Fast-Wechsel sind auch gar nicht bekannt, weil nie jemand darüber gesprochen hat. Die Torhüter-Legende Edwin van der Sar hat meinem Kollegen Noah Platschko nun verraten, dass sie auch fast in der Bundesliga gelandet wäre.


WAS AMÜSIERT MICH?

Zurück zur Shell-Jugendstudie und der Frage: Neigen Jugendliche wirklich zu Populismus?

Ich wünsche Ihnen einen wunderbaren Tag und freue mich auf Daniel Fersch, der morgen an dieser Stelle sein Tagesanbruch-Debüt feiert.

Ihr

Florian Wichert
Stellvertretender Chefredakteur t-online.de
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

Den täglichen Newsletter von Florian Harms hier abonnieren.

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...

ShoppingAnzeigen

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...

t-online - Nachrichten für Deutschland


TelekomCo2 Neutrale Website