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CDU-Machtkampf in der Coronavirus-Krise: Hat Merz jetzt gute Chancen?


CDU-Machtkampf in der Corona-Krise
Kanzler Friedrich Merz?


Aktualisiert am 26.04.2020Lesedauer: 9 Min.
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Duisburg: Friedrich Merz im März bei einer Ausstellung von Erwin Bechtold im Museum Küppersmühle.Vergrößern des Bildes
Duisburg: Friedrich Merz im März bei einer Ausstellung von Erwin Bechtold im Museum Küppersmühle. (Quelle: imago-images-bilder)

NRW-Ministerpräsident Armin Laschet hatte gute Chancen, Nachfolger von Angela Merkel zu werden. Doch die Corona-Krise verändert das Machtgefüge in der CDU grundlegend. Jetzt ist alles möglich.

Wenn der Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch über seine Kollegen in der Union spricht, klingt er im Moment wie ein Familientherapeut: "Herr Söder und Herr Laschet sind ein Stück weit verhaltensauffällig", diagnostizierte Bartsch bei einer Rede am Donnerstag im Bundestag. Er machte eine kurze Pause, erwartete das Gelächter aus seiner Fraktion. Das folgte prompt, und sogar Angela Merkel schaute kurz von ihrem Handy auf und lachte.

Die Kanzlerin kann auch deshalb locker mit der Linkspartei über die "Verhaltensauffälligkeiten" von Armin Laschet und Markus Söder witzeln, weil sie unangefochten ist in dieser Krise: Mit nüchterner Politik lotst sie das Land durch die Corona-Pandemie, die Zustimmungswerte für sie sind hoch. Doch bei der Frage, wer ihr als Kanzler nachfolgen soll, ist in der Union nun alles denkbar.

Laschet als einziger mit Amtsbonus

Eigentlich sollte am Samstag ein neuer CDU-Parteivorsitzender gewählt werden, wegen der Corona-Pandemie ist die Wahl nun in den Dezember verschoben. Die noch-amtierende Parteivorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer wirkt dabei eher moderierend. Drei Kandidaten hatten ihre Bewerbungen abgegeben: Norbert Röttgen, Friedrich Merz sowie das Tandem Armin Laschet und Jens Spahn. Laschet galt zunächst als Favorit, Röttgen eher als Außenseiter.

In der Corona-Pandemie wollen sich die Kandidaten als gute Krisenmanager zeigen. Armin Laschet hat als Ministerpräsident des größten Bundeslandes einen Amtsbonus. Als einziger der Kandidaten für den CDU-Vorsitz kann er seine Fähigkeiten als Ministerpräsident, der die Pandemie jeden Tag stärker eindämmen muss, unter Beweis stellen. Doch ausgerechnet Markus Söder, der gar nicht am Rennen um den CDU-Parteivorsitz beteiligt ist, droht ihm dabei in die Quere zu kommen.

Es ist ein sonniger Tag in Bayern, als am 20. März der Vorsprung von Laschet beim Rennen um den Parteivorsitz zu schmelzen beginnt: Markus Söder verkündet an diesem Freitag einen scharfen Lockdown für den Freistaat. Kurz zuvor hatte die Kanzlerin mit den Ministerpräsidenten eigentlich vereinbart, dass es keine Alleingänge beim Herunterfahren des Landes geben soll.

Laschet muss sich gegen das Bild vom Abgehängten wehren

Markus Söder war das egal, er vermittelte nun den Eindruck eines starken Landesvaters, der frühzeitig entschlossen handelt. Das schwächte Laschet: Er hatte noch am selben Tag in einem Interview erklärt, dass ein völliger Lockdown wohl das „allerletzte“ Mittel sein könne. Der Chef des größten Landesverbands der CDU stand plötzlich als Zauderer da.

In der Düsseldorfer Staatskanzlei sind Laschets Mitarbeiter bis heute fassungslos darüber, wie Söder so vorpreschen konnte. Seitdem muss sich ihr Chef gegen das Bild vom Abgehängten wehren.

Laschet hat deshalb einen neuen Plan: Söder überholte ihn zwar bei der Einführung des Lockdowns, nun will Laschet wiederum Söder bei den Lockerungen überholen. So pochte er beispielsweise in der Ministerpräsidentenkonferenz vehement auf schnelle Lockerungen und ein Ende des Lockdowns. In Nordrhein-Westfalen lässt er Möbelhäuser öffnen und will Spielplätze wieder zugänglich machen.

Doch Laschets Flucht nach vorn macht ihn auch zum Getriebenen. "Der Armin verzockt sich manchmal und er ist nicht der größte Charismatiker. Aber nun steht er wegen Söder unter großem Druck", sagt einer seiner Weggefährten aus Nordrhein-Westfalen. In seinem Bundesland gewinnt Laschet jedoch bereits an Zustimmung, dort geht seine Strategie auf. Er erzielte in einer Umfrage kürzlich 40 Prozent für die CDU, ein historisch hoher Wert.

Laschets Plan, sich als Vorreiter der Lockerungen zu positionieren, ist riskant: Wenn es keine erneute exponentielle Ausbreitung des Virus gibt, dann ist er derjenige, der als Erstes die Rückkehr zur Normalität eingeleitet hat. Doch sollte es eine zweite Infektionswelle geben und die Krankenhäuser überlastet werden, könnte die Kritik an ihm vernichtend sein.

Zeitgleich bringt die Corona-Krise einen ins Rampenlicht, der sich bereits in die zweite Reihe hinter Laschet bei der Kandidatur um den Vorsitz verabschiedet hatte: Jens Spahn, der Bundesgesundheitsminister, freut sich über seine neue Popularität in der CDU. Viele in der Partei finden, dass er seinen Job ordentlich macht. Und eine solche Bühne, wie sie aktuell die Corona-Krise bereitet, ist für einen Gesundheitsminister einmalig.

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"Nicht in Auseinandersetzungen verzetteln"

Während die Zustimmung für Spahn sich mit jeder Woche in neue Höhen schraubt und Armin Laschet an seinem Kurs feilt, um sich von Söder abzusetzen, gibt es bereits eine neue Idee in der CDU: Spahn und Laschet sollten die Plätze tauschen. Dann wäre Spahn plötzlich der Kandidat und Laschet sein möglicher Stellvertreter für den Parteivorsitz. Aktuell ist das noch ausgeschlossen.

Doch sollte Laschet in der Krise unter Druck geraten, beispielsweise bei einer zweiten Welle der Pandemie, könnte Spahns Chance kommen. Der CDU-Innenpolitiker Marc Henrichmann sagt zu t-online.de: "Diese Zeit ist eine Bewährungsprobe für die Kandidaten um den Parteivorsitz." Aktuell hätten Laschet und Spahn noch einen gewissen Vorsprung. Doch Henrichmann warnt, Laschet dürfe sich "nicht in Auseinandersetzungen mit anderen Ministerpräsidenten oder der Bundesregierung verzetteln."

Politische Gewissheiten gibt es kaum mehr in der Pandemie

Armin Laschet hat immerhin mit Markus Söder einen politischen Konkurrenten, mit dem er sich im Corona-Krisenmanagement messen lassen kann und sich im Zweifel von ihm abgrenzt. Solch ein Konkurrent fehlt Friedrich Merz. Noch vor einem halben Jahr war er im Attacken-Modus: Fast wöchentlich feuerte der 64-Jährige wie mit einer Schrotflinte seine Kritik an Ministern und generell an der CDU in die Medien. Den Gipfel erreichte das in einem Interview für das ZDF, als er das Erscheinungsbild der Bundesregierung als "grottenschlecht" verurteilte. Das Ziel seiner Attacken war eindeutig.

Jedoch gibt es politische Gewissheiten in der Corona-Pandemie kaum mehr. Zu wenig ist das Virus erforscht, zu uneinig sind sich die führenden Virologen und Berater, das ist ein Problem für Friedrich Merz. Er kann sich kaum hinstellen und erklären, wie er das alles besser machen würde.

Annegret Kramp-Karrenbauer hatte ihm zwar Anfang des Jahres angeboten, ins Kabinett zu wechseln, doch Merz wollte nicht. Parteivorsitzender werden oder ganz draußen bleiben, das war seine Haltung. Nun, da der Parteitag verschoben ist, ist er zunächst weiterhin ganz draußen.

"Würde auch noch die Füße stillhalten"

Zudem erkrankte Merz auch selbst an Corona, er musste sich über Tage zu Hause mit seiner Frau im Sauerland zurückziehen. Erst seit kurzem gibt er wieder Interviews. Es sind kleine Ballons, die er aufsteigen lässt, um nicht in Vergessenheit zu geraten.

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Merz redet in diesen Interviews gern über die Eurozone oder einen neuen Generationenvertrag. Über seine Kandidatur spricht er nicht. Denn er weiß: Wenn er die Regierung zu sehr lobt, wirkt das anbiedernd. Kritisiert er sie zu scharf, klingt er wie ein meckernder Oberlehrer von der Seitenlinie. Also schweigt er. In der Union trifft er mit seinem ruhigen Kurs auf Verständnis, einer seiner ranghohen Unterstützer sagt: "Wäre ich an seiner Stelle, würde ich auch noch die Füße stillhalten."

Ähnlich geht es Norbert Röttgen, dem Außenseiter im Rennen um den CDU-Vorsitz: Röttgen sitzt zwar im Gegensatz zu Merz im Bundestag, doch ist er ein Außenpolitiker. Seine Möglichkeiten, als innenpolitischer Krisenmanager in der Pandemie zu punkten, sind eher gering, auch deshalb zieht er sich aktuell zurück.

Sein Rivale Friedrich Merz braucht aber vor allem, wie im November letzten Jahres, inhaltliche Angriffspunkte, die es im akuten Ausnahmezustand kaum gibt. Deshalb ist jede inhaltliche Debatte, die in den nächsten Monaten in der CDU geführt wird, gut für Merz: Der ehemalige Fraktionschef der Partei kann das in Ruhe verfolgen — bei jeder Kritik an der Regierung wirkt Merz als Alternative.

Für Merz ist die Verschiebung des Parteitags von April auf Dezember ein großes Glück: Seine Kandidatur bei einem Parteitag im April wäre kaum erfolgreich gewesen. Zu klar war der Vorteil von Armin Laschet, flankiert von Jens Spahn. Doch jetzt spielt die Zeit für Merz.

Solch frenetischer Jubel zuletzt bei "KaaTee"

Und Merz' größtes Pfund sind seine Unterstützer: Er hat die vielleicht treueste Anhängerschaft in der CDU, vor allem im Süden Deutschlands, auf sie kann er sich trotz seines Rückzugs in der Corona-Krise verlassen. Dass ein Spitzenpolitiker solch frenetischen Jubel bei Unions-Parteiveranstaltungen auslöste, wie das bei Merz im Februar und März der Fall war, das gab es in Deutschland das letzte Mal vor zehn Jahren bei „KaaTee", wie er in der CSU genannt wird: Karl-Theodor zu Guttenberg.

Im internen CDU-Wettstreit heißt das Duell: Laschet gegen Merz. Jemand aus der Unionsfraktion formuliert es als Perspektive so: "Wenn im Dezember das Virus unter Kontrolle ist und wir primär den wirtschaftlichen Schaden aufarbeiten, dann ist Merz der Favorit, weil er jahrelang in der freien Wirtschaft gearbeitet hat. Kommt aber die zweite Welle und wir schlittern in eine Krise des Gesundheitssystems, schlägt erneut die Stunde der Exekutive – und damit auch die von Armin Laschet." Dies gelte jedoch nur für den Fall, dass es Nordrhein-Westfalen nicht schlimmer trifft als andere Bundesländer bei einer zweiten Welle. Doch sollte der Plan der Kanzlerin aufgehen und ein erneuter starker Ausbruch der Pandemie vermieden werden, könnte der Kanzler im Jahr 2021 tatsächlich Friedrich Merz heißen.

"Der kühle Hedgefonds-Manager gegen die junge, soziale Frau"

Die anderen Parteien sind verschiedener Ansicht, wen sie sich als Lieblingsgegner in der Union erhoffen. Bei der FDP wird Armin Laschet neuerdings gelobt. "Noch vor wenigen Wochen habe ich mir Friedrich Merz als CDU-Chef gewünscht. Das ist jetzt anders: Wir brauchen jemanden, der sich für eine Achtung und Wahrung unserer Grundrechte stark macht. Und da sehe ich im unionsinternen Rennen derzeit Armin Laschet vorne", sagte der stellvertretende FDP-Vorsitzende Wolfgang Kubicki im Gespräch mit t-online.de.

Bei den Grünen und der SPD heißt der Wunschkandidat für den CDU-Vorsitz dagegen Friedrich Merz. In der SPD träumt mancher von einem besonderen Zukunftsszenario: "Das Beste, was uns passieren kann, wäre ein Kanzlerkandidat Merz für die Union. Dann stellen wir vielleicht Manuela Schwesig dagegen auf. Der kühle, alte Hedgefonds-Manager gegen die junge, soziale Frau – das wird der Bundestagswahlkampf des Jahrhunderts", sagt einer der führenden Sozialdemokraten in Süddeutschland.

Doch die Frage, ob der im Dezember neu gewählte Parteichef auch Kanzlerkandidat der Union wird, ist noch offen. In der CDU wissen viele, dass es zu einem Duell des nächsten Parteivorsitzenden mit Markus Söder kommen könnte. Laschet sagt über Söder, er sei ein „netter Kollege“. Der wiederum betonte immer wieder, sein Platz sei in Bayern.

Nur ein Szenario, das Söder als Kanzlerkandidaten vorsieht

Aber: Markus Söder will deutscher Kanzler werden, das sagen alle, die ihn näher kennen. Doch es könnte sein, dass der Franke auf die Situation wartet, dass er von der Schwesterpartei gebeten wird, anzutreten. Einen Machtkampf gegen Laschet oder Merz könnte er kaum gewinnen und den will er sich auch nicht antun. "Am liebsten würde Söder wie der Häuptling von Asterix und Obelix aufs Schild gehoben werden", frotzeln einige in der CDU-Fraktion.

Es gibt nur ein realistisches Szenario, das einen Kanzlerkandidaten Söder für den September 2021 vorsieht: Wenn Laschet oder Merz im Dezember gewinnen sollten, aber Anfang nächsten Jahres die Partei in den Umfragen absackt, dann könnte Söder tatsächlich gerufen und aufs Schild gehoben werden. Droht der CDU kein massiver Einbruch in den Umfragen, hat Söder kaum eine Chance.

In der CSU trommeln sie schon mal für ihren Vorsitzenden. Der ehemalige Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich sagte zu t-online.de: "Es gehört beides dazu: Bierzelte begeistern und verantwortungsvoll entscheiden und handeln. Franz Josef Strauß, Edmund Stoiber und jetzt auch Markus Söder zeigen, dass man so erfolgreich Politik macht."

Politisches Erbe der Kanzlerin steht auf dem Spiel

Doch Söder ist einer der klügsten Machtpolitiker der Union. Mit einer Kanzlerkandidatur würde er seine politische Karriere riskieren, gegenwärtig kann er auch von München aus bestens die Politik der großen Koalition mitbestimmen. Möglich ist auch, dass er erst zur Bundestagswahl 2025 Kanzlerkandidat werden möchte, und zuvor seinen Rückhalt in der Union weiter ausbaut.

Die Bundeskanzlerin und ehemalige CDU-Vorsitzende Angela Merkel kann den Wettstreit um die Parteispitze und ihre Nachfolge derzeit beruhigt verfolgen, ihre Aufmerksamkeit gilt ohnehin der Bewältigung der Corona-Krise. Sie weiß, dass ihr politisches Erbe jetzt auf dem Spiel steht. Zum dritten Mal nach der Finanz- und der Flüchtlingskrise. Zwar spekulierte die "Bild"-Zeitung kürzlich über eine fünfte Amtszeit, doch das lehnt Merkel ab.

Debatte um die Zukunft der CDU verschärft sich

Und die Krise birgt auch eine Chance für sie: Es ist Merkels Möglichkeit, das Bild von sich in der Geschichte so zu gestalten, wo sie es gern haben möchte. Merkel ist in Krisenzeiten besonders beliebt. Die Politik der ruhigen Hand ist nun gefragt, und Merkel könnte Ende des Jahres beim Parteitag für sich beanspruchen, die Union wieder zu alten Umfragewerten zurückgeführt zu haben.

Wie sehr sich mittlerweile die Debatte um die Zukunft der CDU verschärft hat, zeigte sich am Samstag. Die noch-amtierende Parteichefin Kramp-Karrenbauer wurde vom SWR auf ihre Nachfolge beim Parteivorsitz angesprochen, sie antwortete: "Wir sehen zuerst einmal, dass das im Moment eine Frage ist, die, glaube ich, in der Bundesrepublik Deutschland, aber auch in unserer eigenen Partei im Moment niemanden ernsthaft interessiert.“

Doch sogar der Außenseiter im Rennen um den Parteivorsitz widersprach ihr prompt. Norbert Röttgen sagte in einem Zeitungsinterview dem “Redaktionsnetzwerk Deutschland“: Die Frage, wie die CDU künftig aussehen müsse, werde „bald wieder auftauchen – in veränderter, zugespitzter Form."

Verwendete Quellen
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