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Tagesanbruch: Übertreibt es CSU-Chef Markus Söder allmählich?


Was heute wichtig ist
Übertreibt es Söder allmählich?

MeinungVon Florian Wichert

Aktualisiert am 28.09.2020Lesedauer: 9 Min.
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Markus Söder, CSU-Parteivorsitzender und Ministerpräsident von Bayern, beim virtuellen Parteitag.Vergrößern des Bildes
Markus Söder, CSU-Parteivorsitzender und Ministerpräsident von Bayern, beim virtuellen Parteitag. (Quelle: Sven Hoppe/dpa-bilder)

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

hier ist der kommentierte Überblick über die Themen des Tages – heute von mir als Stellvertreter von Florian Harms:

WAS WAR?

In einer kleinen Rolle muss man ein großer Künstler sein, um gesehen zu werden – wie folgende Geschichte beweist.

Der Parteichef und bayerische Ministerpräsident Markus Söder hat beim Online-Parteitag der CSU am Wochenende im Zuge einer Grundsatzrede schockierende Zuschriften an ihn vorgelesen. "Sie werden den morgigen Tag nicht erleben. Ich werde Sie erschießen, in Scheibchen schneiden und Tigern zum Fraß vorwerfen", "Du widerlicher Merkel-Stiefellecker" oder "Dein Leben ist verwirkt".

Soweit, so schlimm.

Söder setzt seine Lesebrille ab. "Ziemlich krass, oder? Das ist kein Spaß. Ich finde, da muss man schon durchschnaufen."

Recht hat er – und doch konterkariert er selbst die Wirkung dieser üblen Worte.

Söder schenkt sich heißen Tee ein. Vor ihm eine Tasse mit der Aufschrift "Winter is coming" – ein Spruch aus der US-Erfolgsserie "Game of Thrones". Söder ist Fan der Serie. Der Spruch kommt in mehreren Staffeln immer wieder vor und steht für eine tödliche Bedrohung von Untoten.

Durch das heiße Wasser verfärbt sich Söders Thermotasse weiß, plötzlich steht "Winter is here" darauf.

Die entscheidende Szene: Söder sagt den Satz "Es wird ein schwieriger Winter für uns. Ein schwieriger Winter, weil wir nicht wissen, wie die Infektionszahlen sind. Es ist Herbst und der Winter kommt". Er nimmt dabei die Tasse mit dem Spruch in die Hand, um sie – wohlgemerkt ohne zu trinken – an einer anderen Stelle wieder abzustellen (hier sehen Sie die Szene). Mit ihr untermalt er seine Worte.

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Natürlich geht es bei Söder um Corona. Er sagt auch: "Corona ist mit voller Wucht, aller Macht wieder da, in ganz Europa." Man müsse sich gemeinsam dieser "Naturkatastrophe" (O-Ton-Söder) stellen. Es brauche "eine Koalition der Freiwilligen, eine Koalition der Vernünftigen, ein Bündnis der Umsichtigen". Es klingt wie bei "Game of Thrones".

Die Botschaft: Wir müssen ihnen entgegentreten und die Stirn bieten, diesen Untoten … ähhh … den Verschwörungstheoretikern, Demokratiefeinden und besonders Neonazis natürlich.

Es ist eine Szene zwischen Slapstick und Überinszenierung. Die die Frage aufwirft: Ist Söder einfach cleverer als andere, denen er regelmäßig die Show stiehlt? Zum Beispiel den Kandidaten um den Parteivorsitz der CDU, Friedrich Merz, Armin Laschet und Norbert Röttgen, die damit auch die Kanzlerkandidatur anstreben? Wirkt er damit einfach sympathisch, weil er alle "Game of Thrones"-Fans auf seine Seite zieht? Oder übertreibt es Söder allmählich mit der Inszenierung, die ihm durchaus auch schon Kritik eingebracht hat und in Zeiten von hohen Corona-Infektionszahlen in Bayern um die Ohren zu fliegen droht?

Söder beteuert, nichts vom Thermoeffekt der Tasse gewusst zu haben. Die Inszenierung? Zufall. Die Tasse? Ein Geschenk. Das fällt schwer zu glauben. Söder ist bekannt dafür, nichts dem Zufall zu überlassen. Erst recht keine Inszenierung von Terminen. Man erinnert sich an die Bilder, die er in den vergangenen Jahren erzeugt hat. Politiker leben auch von der Inszenierung, aber kaum jemand ist sich so sehr der Wirkung der Bilder bewusst wie Söder.

Zuletzt sendete er beim Parteitag im Mai mit – ja genau – einer Star-Trek-Tasse die Botschaft aus: Ich bin ein Mensch wie jeder andere – mit einer Vorliebe für Science Fiction. Dazu wurde ihm angedichtet, möglicherweise nach den Sternen zu greifen, also nach einer möglichen Kanzlerkandidatur der Union.

Söder wurde einst belächelt, heute liegt er in Umfragen nach dem besten Kanzlerkandidaten der Union vorn. Auf dem Weg entpuppte er sich als Meister der Inszenierung. Er umarmte einen Baum im Münchner Hofgarten, um seine Klimastrategie zu untermalen. Er twitterte ein Bild mit dem kleinen Hundewelpen Idefix aus dem Tierheim Nürnberg, um im Wahlkampf zu punkten und die Herzen zu erweichen. Er empfing Kanzlerin Angela Merkel im Spiegelsaal des Schlosses Herrenchiemsee, um sich als Staatsmann zu inszenieren. Er ließ sich fotografieren, als er am Flughafen München auf dem Rollfeld acht Millionen Schutzmasken aus Schanghai in Empfang nahm. Söder, der Krisenmanager. Zum Karneval kam Söder mal als Prinzregent Luitpold von Bayern oder Edmund Stoiber. Söder beim Schwimmen, Söder beim Tennis, Söder mit verschiedenen Tassen, Söder mit einem Schaf auf dem Arm, um seine Unterstützung für Schäfer zu illustrieren.

Hier nur eine kleine Auswahl von Bildern:

Söders Inszenierungen haben in der Regel eines gemein: Sie beinhalten eine Botschaft. Dass Söder nichts von der Thermotasse wusste? Unwahrscheinlich bis ausgeschlossen.

Aber wohin führt Söder die Gabe zur Inszenierung?

Den nordrhein-westfälischen Innenminister Herbert Reul hat Söder damit längst auf die Palme gebracht. "Heiße Luft und eine Politik, die auf Inszenierungen setzt, bringen die CDU nicht weiter", grantelte der gegenüber dem "Kölner Stadt-Anzeiger" im Juli. Es sei "unerklärlich", wie Leute Söder für einen geeigneten Kanzlerkandidaten halten könnten.

Und auch die Coronalage in Bayern ist heikel und könnte im Herbst und Winter noch einige Fallstricke für Söder offenbaren. Allein durch die Testpanne geriet Söder gehörig ins Wanken.

Auf der anderen Seite ist er weiterhin aussichtsreicher Anwärter auf eine Kanzlerkandidatur. Während Merz mit Homophobie-Vorwürfen, Röttgen mit Bedeutungslosigkeit und Laschet mit Corona-Hotspots kämpft, stiehlt Söder von der kleinen Schwesterpartei auch weiterhin immer mal wieder die Show. Beim Parteitag betonte er zur Sicherheit erneut, dass sein Platz in Bayern sei, schickte aber eine Ansage an die CDU. Die habe das Vorschlagsrecht – aber die CSU sei nicht nur da, um das dann abzunicken.

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"Keiner kann ohne die Stimmen aus Bayern und ohne die Unterstützung der CSU gewinnen", stellte Söder klar.

Frei nach dem berühmten schwedischen Schriftsteller und Künstler August Strindberg: "In einer kleinen Rolle muss man ein großer Künstler sein, um gesehen zu werden." Söder wurde gesehen beim Parteitag. Die "Game of Thrones"-Thermotasse aus Keramik für 14,99 Euro ist seitdem bei Amazon vergriffen...


Er war der "Superminister" im Kabinett von Gerhard Schröder. 2002 inthronisierte ihn der damalige Bundeskanzler im zusammengelegten Wirtschafts- und Arbeitsministerium, um die Arbeitsmarktreformen Hartz I bis IV umzusetzen. Der Höhepunkt der Karriere von Wolfgang Clement. Zeitweise wurde der frühere Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen sogar als Nachfolger Schröders gehandelt – bevor er den Rückhalt seiner Partei verlor, sich entfremdete und schließlich 2008 austrat.

Am gestrigen Sonntag ist Clement im Alter von 80 Jahren gestorben.

Von Kanzlerin Merkel bis Bundespräsident Steinmeier: Wegbegleiter und Konkurrenten würdigten sein Lebenswerk. Patrick Diekmann hat die Reaktionen und Würdigungen hier zusammengetragen.


Die Lage in der Unruheregion Berg-Karabach im Südkaukasus ist nach heftigen Kämpfen zwischen den verfeindeten Nachbarn Armenien und Aserbaidschan eskaliert. Die streiten seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion über die Zugehörigkeit der Region.

Nun warf Armenien Aserbaidschan am gestrigen Sonntag vor, Berg-Karabach aus der Luft und mit Artillerie beschossen zu haben. Die eigenen Truppen hätten daraufhin drei Panzer der gegnerischen Seite zerstört sowie zwei Hubschrauber und drei Drohnen abgeschossen. Aserbaidschan widersprach dem und erklärte, es habe auf einen armenischen Angriff reagiert. Es gab Tote und Verletzte. (Mehr Informationen finden Sie hier)

Für die meisten von uns ist das eine weitere schlimme Auslandsmeldung über einen Konflikt. Für meine Kollegin Anna Aridzanjan dagegen sind es Stunden voller Angst, in denen sie versucht, ihre Familie in Armenien zu erreichen, wie sie bei Twitter schreibt.


WAS STEHT AN?

Deutschland und der Corona-Herbst: Die einen zittern vor den bereits ansteigenden Infektionszahlen, die anderen feiern gedankenlos in Clubs, Parks oder auf der Reeperbahn und scheinen die Pandemie vergessen zu haben. RKI-Chef Lothar Wieler sieht derzeit "alles unter Kontrolle", Kommunen dagegen fordern neue bundesweite Beschränkungen im öffentlichen Leben. Der Landkreistag setzte sich am Wochenende für eine einheitliche Obergrenze von 50 Menschen bei Privatfeiern ein. Und der Städte- und Gemeindebund verlangt bei hohen Infektionszahlen eine Ausweitung der Maskenpflicht auf belebten Plätzen und Weihnachtsmärkten.

Wie wollen Bund und Länder in den Herbst und Winter gehen? Darum geht es beim morgigen Gipfel der Ministerpräsidenten mit Bundeskanzlerin Merkel.


Erst tagt das CDU-Präsidium, dann trifft CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer im Konrad-Adenauer-Haus ihre drei potenziellen Nachfolger. Mit den Bewerbern auf den CDU-Vorsitz, Armin Laschet, Friedrich Merz und Norbert Röttgen, will sie den Fahrplan bis zum geplanten Wahlparteitag Anfang Dezember abstimmen. Ein mögliches Thema: der Vorstoß des hessischen Ministerpräsidenten und stellvertretenden CDU-Bundesvorsitzenden Volker Bouffier, der eine Entscheidung über die Kanzlerkandidatur der Union noch vor dem CDU-Parteitag gefordert hatte.

Dass der Vorschlag umgesetzt wird, darf bezweifelt werden – dafür steht schon ein Termin fest: Am 17. Oktober treffen die drei Bewerber erstmals zu einer Debatte bei der Online-Veranstaltung "Pitch" der Jungen Union (JU) aufeinander. Das hat ein JU-Sprecher am Wochenende angekündigt.


Mehrere hundert Seiten lang ist der Bericht, der mit Spannung erwartet wird. Heute wird die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) einen Zwischenbericht zu möglichen Gebieten für ein deutsches Atommüllendlager vorlegen. 27.000 Kubikmeter hoch radioaktive Abfälle müssen dort nach Angaben des Bundesamtes für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung aufbewahrt werden, die nach dem Abschalten des letzten Atomkraftwerks 2022 übrig sind. Bis 2031 soll über den Standort entschieden sein, ab 2050 soll eingelagert werden. Bis dahin befinden sich die Abfälle in Zwischenlagern, etwa in Gorleben, Ahaus und Lubmin sowie bei einigen Kernkraftwerken.


Nach den US Open ist vor den Australian Open – eigentlich. Denn in diesem Jahr haben sich die French Open dazwischen gemogelt. Das Turnier in Paris wurde aufgrund der Corona-Pandemie vom Mai in den September verlegt. Seit Sonntag kämpfen die Spielerinnen und Spieler um Top-Favorit Rafael Nadal unter besonderen herbstlichen Bedingungen um den Grand-Slam-Titel. Während US-Open-Finalist Alexander Zverev seine Auftakthürde meisterte (alles zu den French Open finden Sie hier im Newsblog), startet Angelique Kerber am heutigen Montag ins Turnier. Das Event in Paris ist das einzige Großturnier, das Deutschlands beste Spielerin bislang noch nicht gewinnen konnte. Barbara Schett, ehemalige Nummer sieben der Welt, glaubt nicht, dass sich daran etwas ändern wird. Warum? Das hat sie meinem Kollegen Noah Platschko erklärt.


WAS LESEN ODER ANSCHAUEN?

Er nennt Corona einen Betrug. Ihm gehe es um "die Wahrheit", und er sei "Corona-Kritiker in Gottes Auftrag, weil ich glaube, dass man als Christ gegen die Lüge aufstehen muss". Klingt wirr, aber er meint es ernst.

Es geht um Samuel Eckert. Ein Mann, dem viele Anhänger der "Querdenken"-Bewegung mehr trauen als den Medien, Polizeisprechern und den Drostens dieser Welt. Ein Coronaleugner. Und der "Posterboy der Bewegung", wie Lars Wienand ihn nennt. Mein Kollege hat viel Zeit investiert, stundenlang "Querdenken"-Videos geschaut, tagelang recherchiert und sich genau mit Eckert beschäftigt. Er beschreibt, wie dieser mit Hetze Geld macht und selbst vor Minderjährigen nicht zurückschreckt. Eckert sehe sich als eine Art Martin Luther, der für die Wahrheit sein Leben aufs Spiel setzt. Ab heute geht Coronaleugner Eckert auch noch auf Deutschlandtour, um seine verheerenden Botschaften unters Volk zu bringen. Hier finden Sie den ganzen Report mit haarsträubenden Details.


Mein Kollege Manfred Schäfer ist regelmäßig in Italien. Er schätzt Italiener auch für ihre Lebensfreude und hat sie nicht gerade als Hüter von Regeln, Vorschriften und Disziplin kennengelernt. Die Corona-Krise hat allerdings einiges verändert. So diszipliniert wie heute waren die Italiener noch nie. Nach zwei Wochen am Gardasee wünscht er sich, mancher deutsche Corona-Regel-Verweigerer hätte genauso viel Respekt vor dem Virus wie die Italiener, die von der Pandemie besonders schlimm getroffen wurden. Hier finden Sie seine Eindrücke.


Nach Mitgliedern ist es der zweitgrößte deutsche Fußballverein nach dem FC Bayern. Er hatte große Zeiten, war siebenmal Deutscher Meister, fünfmal Pokalsieger, holte 1997 den Uefa-Cup – und feierte auch später noch Erfolge in spektakulären Europapokal-Spielen. Noch vor zehn Jahren spielten Stars wie der Spanier Raúl, der Niederländer Klaas-Jan Huntelaar oder der heute beste Torwart der Welt für den FC Schalke 04, Manuel Neuer.

Was wir dagegen heute erleben, ist der Niedergang dieses einst großen Klubs. Seit saisonübergreifend 18 Spielen hat er nicht mehr gewonnen. In dieser Spielzeit ist er mit null Punkten und 1:11 Toren gestartet – so einen miesen Saisonbeginn gab es in der ganzen Bundesliga-Historie noch nicht. Gestern feuerte Schalke mit David Wagner mal wieder seinen Trainer. Kein Geld, keine Stars, kein Trainer und keine Ideen – deshalb diskutieren unser Sportchef Robert Hiersemann und ich im "Zweikampf der Woche", ob Schalke überhaupt noch zu retten ist.


Er trug stets einen flotten Schnurrbart und knallige Jacketts. Fast zehn Jahre lang moderierte Jörg Draeger die Rateshow "Geh aufs Ganze". Am heutigen Montag wird er 75 Jahre alt. Im Interview mit meiner Kollegin Janna Halbroth hat Draeger unumwunden zugegeben: "Altern ist ohne Frage scheiße!" Die Sendung mit dem roten Zonk ist immer noch sein Lieblingsformat, über das aktuelle Fernsehen fällt er jedoch ein vernichtendes Urteil.


WAS AMÜSIERT MICH?

Merke: "Fridays for Future" sind auch am Montag nicht vorbei.

Ich wünsche Ihnen einen guten Start in die neue Woche. Morgen schreibt wie gewohnt Florian Harms an dieser Stelle für Sie.

Ihr

Florian Wichert
Stellvertretender Chefredakteur t-online
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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