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Rente in Deutschland: Experten warnen vor Kollaps des Systems


Einzelmaßnahmen reichen nicht
Experten warnen vor Kollaps des Rentensystems

Von t-online, llb

Aktualisiert am 01.08.2025 - 15:08 UhrLesedauer: 3 Min.
Martin Werding: Der Wirtschaftsweise hat berechnet, was das feste Rentenniveau kostet – und wer die größte Last trägt.Vergrößern des Bildes
Martin Werding: Der Wirtschaftsweise gehört zu jenen Experten, die Alarm schlagen und eine umfassende Rentenreform fordern. (Quelle: IPON/imago-images-bilder)
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Das deutsche Rentensystem steht unter Druck wie nie zuvor. Reformideen gibt es viele, aber der große Wurf fehlt.

Deutschland steht vor einer tiefgreifenden demografischen Umwälzung. In den kommenden 15 Jahren erreicht die Alterung der Gesellschaft ihren Höhepunkt – mit gravierenden Folgen für das Rentensystem. Die politische Debatte nimmt zwar Fahrt auf, doch statt einer klaren Linie dominiert ein Stimmengewirr aus Einzelvorschlägen.

Viele dieser Ideen greifen isolierte Probleme auf, lösen aber nicht die strukturellen Schwächen des Systems. Was fehlt, ist ein konsistentes Gesamtkonzept. Es braucht eine Jahrhundertreform, die sowohl die gesetzliche Rente als auch die private Altersvorsorge neu aufstellt und für kommende Generationen tragfähig macht.

Alarm der Ökonomen: Rentensystem vor dem Kollaps

In einem Gutachten im Auftrag der Friedrich-Naumann-Stiftung warnen nun Marcel Thum, Direktor des Ifo-Instituts Dresden, und der Wirtschaftsweise Martin Werding vor einer "dramatischen demografischen Herausforderung". Die Politik habe zu lange gezögert und notwendige Entscheidungen immer wieder vertagt. Dadurch habe sich die Lage weiter verschärft, so das Fazit der Autoren.

Konkret fordern die Forscher ein umfassendes Maßnahmenpaket. Sie sprechen sich für die Abschaffung der Rente mit 63 aus, plädieren für eine Koppelung des Renteneintrittsalters an die steigende Lebenserwartung und empfehlen, den sogenannten Nachhaltigkeitsfaktor in der Rentenformel zu stärken. Zusätzlich soll eine inflationsorientierte Anpassung der Bestandsrenten erfolgen. Nur mit dieser Kombination lasse sich das Ausgabenwachstum der Rentenversicherung eindämmen.

Die Prognosen der Ökonomen sind eindeutig: Bleibe es beim Status quo, drohe der Beitragssatz zur gesetzlichen Rentenversicherung bis 2050 von derzeit 18,6 Prozent auf 22 Prozent zu steigen, sagte Studienautor Thum der "Rheinischen Post"

Das hätte spürbare Folgen für Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Gelänge jedoch eine wirksame Reform, könnten die Ausgaben bis zur Mitte des Jahrhunderts bei rund zehn Prozent des Sozialprodukts stabilisiert werden – ein Wert, der als finanzierbar gilt.

Viele Impulse, kein Gesamtkonzept

Doch die Zeit drängt: Anstelle eines umfassenden Reformkonzepts prägen bisher Einzelmaßnahmen und kurzfristige Vorschläge die politische Debatte.

Ein Beispiel ist die Einführung der sogenannten Aktivrente. Sie soll es älteren Menschen ermöglichen, nach Renteneintritt bis zu 2.000 Euro monatlich steuerfrei hinzuzuverdienen – ein Anreiz für alle, die freiwillig im Ruhestand weiterarbeiten wollen. Die Maßnahme setzt auf individuelle Motivation, leistet aber keinen strukturellen Beitrag zur langfristigen Stabilisierung des Rentensystems.

Gleichzeitig rückt die CDU-geführte Bundesregierung die Lebensarbeitszeit ins Zentrum der Diskussion. Bundeskanzler Friedrich Merz und Wirtschaftsministerin Katherina Reiche fordern, die Menschen müssten "mehr und länger arbeiten", um den Wohlstand zu sichern. Reiche verweist auf die geringere durchschnittliche Jahresarbeitszeit in Deutschland im internationalen Vergleich und kritisiert die Frühverrentung als falschen Anreiz.

Doch diese Forderungen stoßen auf Widerstand – selbst innerhalb der Union. Der CDU-Sozialflügel wirft Reiche vor, am Koalitionsvertrag vorbeizuregieren. Sozialverbände warnen vor einem schleichenden Anstieg des Rentenalters und fordern stattdessen eine breitere Finanzierung. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) verlangt, dass gesamtgesellschaftliche Leistungen aus Steuermitteln bezahlt werden und nicht aus der Rentenkasse.

Auch die Idee, den Versichertenkreis auszuweiten, bleibt umstritten. Die Einbeziehung von Beamten und Selbstständigen in die gesetzliche Rentenversicherung könnte kurzfristig zu Mehreinnahmen führen. Langfristig aber drohen neue Belastungen, da Beamte oft besonders lange Rente beziehen. Diskutiert werden Modelle wie eine getrennte Beitragskasse oder eine Altersvorsorgepflicht für Selbstständige. Eine konkrete Umsetzung steht bislang aus.

Umfassende Rentenreform nötig

Ob Aktivrente, längeres Arbeiten oder breiterer Versichertenkreis: Keiner der bisher diskutierten Vorschläge reicht aus, um die Rentenversicherung dauerhaft zu stabilisieren. Darauf weist auch der Sachverständige Martin Werding hin. Einzelmaßnahmen könnten kurzfristig entlasten, so Werding, doch nur ein Bündel koordinierter Reformen könne die Finanzierung langfristig sichern und zugleich soziale Härten vermeiden.

Verwendete Quellen

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