Branche in Aufruhr Diese Heizungsregel könnte bald verschwinden

Der Klimaschutzbericht der Bundesregierung weicht von einer ersten Version ab. Das deutet auf eine Änderung beim Heizungsgesetz hin.
Einmal im Jahr muss die Bundesregierung sich im Detail zum Klimaschutz äußern. In einem speziellen Bericht muss sie Auskunft über die Entwicklung bei Treibhausgasemissionen geben und erläutern, was getan wird, um diese weiter zu senken. Dabei stützt sie sich auf Daten des Expertenrats für Klimafragen und des Umweltbundesamtes.
Das diesjährige Papier wurde am Mittwoch vom Kabinett verabschiedet. Doch was eigentlich nichts weiter als ein unaufgeregter bürokratischer Prozess ist, erregt diesmal Aufsehen.
Kabinett streicht zentralen Baustein des Heizungsgesetzes
Denn wie der "Tagesspiegel Background" am Donnerstag berichtete, wurde der Bericht kurz vor Beschluss im Kabinett offenbar noch einmal geändert: Die 65-Prozent-Regel, Kernstück des Teils des Gebäudeenergiegesetzes (GEG), das später oft als "Heizungsgesetz" bezeichnet wurde, soll aus dem finalen Bericht gestrichen worden sein. Der vom Kabinett beschlossene Bericht liegt auch t-online vor. Auf Anfrage wollte das Umweltministerium die vorherige Version nicht kommentieren.
Die 65-Prozent-Regel
besagt, dass neu eingebaute Heizungen zu mindestens 65 Prozent mit erneuerbaren Energien oder unvermeidbarer Abwärme betrieben werden müssen. Seit 2024 gilt diese Regel im Neubaugebiet für alle Heizungen. Im Altbau greift die Regel erst, wenn die jeweilige Stadt oder Kommune ihren Wärmeplan für Klimaneutralität aufgestellt hat. Das muss bis spätestens 2028 passiert sein.
Während in der vorigen Version des Berichts wohl explizit von der Bedeutung der 65-Prozent-Regel die Rede war – und die Regierung damit auch dem Bericht des Expertenrats für Klimafragen folgte –, heißt es im nun gebilligten Bericht lediglich noch: "Ein wesentliches Instrument für die Wärmewende ist das Gebäudeenergiegesetz (GEG). Bezahlbarkeit, Technologieoffenheit, Versorgungssicherheit und Klimaschutz sind Ziele für die Modernisierung der Wärmeversorgung."
Die Merz-Regierung geht damit gegen den Expertenrat und gibt einen Hinweis darauf, dass genau diese Regel bald aus dem Gesetz gestrichen werden könnte. Das unabhängige Gremium, das die Bundesregierung berät, betonte in seinem Bericht im Mai: "Das GEG inklusive der 65-%-Regel trägt [...] bis zum Jahr 2030 den größten Anteil zur Emissionsminderungswirkung im Gebäudesektor bei. Es ist daher in seiner aktuellen Form ein besonders wirkmächtiges Instrument."
Alternativen zur 65-Prozent-Regel unklar
Die 65-Prozent-Regel wurde seinerzeit von der Ampelregierung eingeführt und bildet das Herz der Novelle des GEG. Genau deshalb ist es eines der umstrittensten Elemente. Union und SPD haben im Koalitionsvertrag vereinbart, das Heizungsgesetz "abzuschaffen". Es ist aber nach wie vor unklar, was genau damit gemeint ist.
Im Wahlkampf hatte die Union dafür geworben, statt der 65-Prozent-Quote für die Erneuerbaren eine CO2-Minderungsquote einzusetzen. Das könnte man sich in etwa so vorstellen: Jeder Hausbesitzer wäre dafür verantwortlich, den eigenen CO2-Ausstoß um eine bestimmte Quote zu senken. Das ginge zum Beispiel, indem man die Heizung austauscht, aber auch, indem man sein Haus dämmt oder eine Solaranlage installiert. Doch der Wahlkampf-Forderung folgte kein weiterer Vorstoß.
Heizungsbranche fordert klare Ansagen
Die Heizungsbranche möchte um jeden Preis eine neue Debatte um das GEG vermeiden – darüber ist man sich einig. Ob die 65-Prozent-Quote bleiben soll, darüber gibt es allerdings geteilte Meinungen. So ist es ein zentrales Anliegen des Heizungsindustrieverbands, dass das GEG einfacher und weniger bürokratisch wird – unabhängig vom Bestand der 65-Prozent-Regel.
Auf Anfrage von t-online sagt Hauptgeschäftsführer Markus Staudt, diese Zahl sei nicht entscheidend. "Viel wichtiger ist es, einen positiven Anreiz zu setzen, der die Menschen in die Lage versetzt, in effiziente Heizsysteme auf Basis von erneuerbaren und klimaneutralen Energien zu investieren. Hier kommt der Förderung und deren Verlässlichkeit eine besondere Bedeutung zu", sagt Staudt.
Wichtig sei es aber auch, die Betriebskosten des Heizens – vor allem die Strompreise – zu senken und eine klare Ansage zur weiteren Entwicklung beim CO2-Preis zu machen. Das GEG sei nur ein Bestandteil eines Instrumentenkastens: Wenn die Regierung die bestehende Regelung ändert, müsse sie auf andere Weise dafür sorgen, dass die Menschen weiterhin auf klimafreundliche Lösungen setzen.
Wärmepumpen-Chef: "Warnen ausdrücklich"
Martin Sabel, Geschäftsführer des Bundesverbands Wärmepumpe (BWP), hält es jedoch für "fatal für den Klimaschutz" und "irreführend für den Verbraucher", wenn die Vorgaben zur Nutzung von erneuerbaren Energien und zum Heizungstausch abgeschwächt würden. Deutschland hinke ohnehin hinter den Klimazielen her. Werden die Ziele nicht erreicht, drohen Millionenstrafen an die EU.
Wie Staudt betont auch Sabel die Bedeutung von sinkenden Strompreisen und Förderung und fordert ebenso verlässliche Rahmenbedingungen. "Wir warnen ausdrücklich vor verunsichernden Eingriffen der Politik", so Sabel. Eine Streichung der 65-Prozent-Quote könne bei Eigentümern den Eindruck erwecken, der Einbau einer fossilen Heizung sei wieder in Ordnung. Zudem würde es Hauseigentümer in eine Kostenfalle locken, sobald die CO2-Bepreisung durch den Markt geregelt werde.
In der Tat ist es in Privathaushalten die Heizung, die die meisten Emissionen verursacht. Nach Angaben des Umweltbundesamtes ist die Wärmeversorgung für 72 Prozent des CO2-Ausstoßes im Wohngebäude verantwortlich, gefolgt von der Warmwasseraufbereitung, die "nur" 12 Prozent ausmacht. Im Klimabericht der Bundesregierung geblieben ist das Ziel, Öl- und Gasheizungen mittel- bis langfristig durch klimafreundliche Heizungslösungen zu ersetzen. Am Ende muss das dann auch in der Bevölkerung ankommen.
- Eigene Recherche
- Deutscher Bundestag: "Prüfbericht zur Berechnung der deutschen Treibhausgasemissionen für das Jahr 2024 und zu den Projektionsdaten 2025"
- Umweltbundesamt: "Kohlendioxid-Emissionen im Bedarfsfeld Wohnen" (Deutsch)
- Tagesspiegel Background: "65-Prozent-Vorgabe beim Heizen fliegt aus Klimaschutzbericht" (Deutsch)