Billiges Heizöl löst Kaufrausch bei Verbrauchern aus
Hamburg (dpa) - Der drastische PreisrĂŒckgang bei Rohöl und Produkten wie Benzin und Heizöl entlastet die Verbraucher in Deutschland. Wie alle Wirtschaftsbereiche ist auch der Ălmarkt von den Folgen der Coronavirus-Epidemie betroffen, doch die erklĂ€rt nur einen Teil der heftigen Preisbewegungen. Denn auf dem Weltmarkt fĂŒr Rohöl ist eine Rabattschlacht ausgebrochen.
Russland und das Ălförderkartell Opec ziehen nicht mehr an einem Strang, sondern haben sich verzankt. Nun hat Saudi-Arabien als wichtigstes Opec-Land seine Produktion hochgefahren und drĂŒckt groĂe Mengen Rohöl in den Markt. Das wirkt preissenkend. Russland hĂ€lt mit, es kommt zu einem Ăberangebot.
Nachfrage bricht ein
Auf der Nachfrageseite gab es schon zu Beginn des Jahres Sorgen um die Konjunktur - und dann kam das Coronavirus. China drosselte seine Industrieproduktion, viele andere LĂ€nder fuhren ihre Wirtschaftsleistung herunter. Autos blieben in der Garage, Flugzeuge am Boden. "Wegen der Coronavirus-Krise findet aktuell die stĂ€rkste Nachfragezerstörung seit der groĂen Finanz- und Wirtschaftskrise statt", kommentieren Experten der Commerzbank.
Viel Angebot und wenig Nachfrage haben einen beispiellosen Preisrutsch ausgelöst. Der Weltmarktpreis fĂŒr Rohöl ĂŒber alle Sorten hinweg reduzierte sich von knapp 69 Dollar pro Fass (159 Liter) Anfang Januar auf gerade noch 26 Dollar am Freitag, also um ungefĂ€hr zwei Drittel. FĂŒr die Nordsee-Sorte Brent, die auf dem europĂ€ischen Markt eine wichtige Rolle spielt, sieht es Ă€hnlich aus: von 70 auf 27,40 Dollar. Das ist ein weit stĂ€rkerer RĂŒckgang als bei anderen Rohstoffen oder am Aktienmarkt. Man muss sehr weit zurĂŒckblicken, um Ă€hnliche Preise zu finden, ungefĂ€hr 17 Jahre.
Sinkende Preise bei Heizöl
Folglich sind auch alle Produkte fĂŒr die Verbraucher gĂŒnstiger geworden, die aus Rohöl gemacht sind. Der Preis fĂŒr Heizöl reduzierte sich den Daten des MessgerĂ€te-Herstellers Tecson zufolge von seinem Jahreshoch von 71,20 Euro in der ersten Januarwoche auf nunmehr 57,20 Euro im bundesweiten Durchschnitt (fĂŒr 100 Liter beim Kauf von 3000 Litern, inkl. MwSt). Dabei ist der Preis zuletzt wieder angestiegen, zwischenzeitlich lag er noch um einige Euro niedriger. Auch sind groĂe regionale Unterschiede von bis zu zehn Euro zu beobachten, vor allem zwischen Nord- und SĂŒddeutschland.
Hintergrund ist die groĂe Nachfrage nach Heizöl, die von den tiefen Preisen ausgelöst wurde, und vielleicht auch von der Coronavirus-Angst. "Der gesamte Handel bedauert es sehr, derzeit keine besseren Preise anbieten zu können", sagt der Heizöl-Makler Josef Weichslberger. "Das verhindern vor allem die weiterhin extrem hohe Nachfrage und die dadurch völlig ausgeschöpften Lager- und LieferkapazitĂ€ten. Die Lieferzeiten liegen vielerorts bei zehn bis zwölf Wochen." Das hĂ€lt die Preise hoch. TatsĂ€chlich kostet Heizöl ungefĂ€hr so viel wie auch schon bei einem Rohöl-Preis von 55 Dollar je Barrel. Da ist noch Luft nach unten.
Benzin wird billiger
FĂŒr Autofahrer wird es in Deutschland dagegen deutlich billiger. "Im Zuge des Ălpreisverfalls sind auch die Kraftstoffpreise stark gesunken" berichtet Alexander von Gersdorff, Sprecher des Mineralölwirtschaftsverbandes (MWV) in Berlin. Benzin (Super E5) kostet je Liter 18 Cent weniger und lag zuletzt im Bundesdurchschnitt bei rund 1,27 Euro. Diesel verbilligte sich durchschnittlich um 20 Cent auf 1,12 Euro je Liter. Dass die Preise nicht noch stĂ€rker zurĂŒckgegangen sind, liegt wesentlich am hohen Steueranteil von rund zwei Dritteln. Damit liegen die Benzinpreise ungefĂ€hr dort, wo sie angesichts des Rohölpreises auch hingehören.
Benzin zu hamstern ist laut ADAC ĂŒbrigens ĂŒberflĂŒssig, weil die Versorgung gesichert ist. Und es sei auch verboten und gefĂ€hrlich. Niemand darf mehr als 200 Liter Diesel oder 20 Liter Benzin in seiner Garage lagern.
Strompreise bleiben stabil
Auch die GroĂhandelspreise fĂŒr Strom seien bereits deutlich gefallen, teilte der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BdEW) mit. An der Strombörse seien die Preise fĂŒr Lieferungen im April innerhalb einer Woche um fast 30 Prozent gesunken.
Der meiste in Deutschland verbrauchte Strom wird allerdings ĂŒber lĂ€ngerfristige VertrĂ€ge und damit zu festgeschriebenen Preisen verkauft. "Der Preisverfall am Spotmarkt hat zunĂ€chst keinen groĂen Einfluss auf den Strompreis fĂŒr den Endverbraucher", sagte ein Sprecher des Strompreis-Vergleichsportals Verivox. "Im Gegenteil: Die Strompreise haben in Deutschland im MĂ€rz mit 30,14 Cent pro Kilowattstunde ein neues Rekordhoch erreicht."
Es gebe allerdings gĂŒnstige Anbieter, deren Tarife seit Anfang des Jahres um durchschnittlich drei Prozent gesunken seien. "Je kurzfristiger Versorger einkaufen, desto eher können sie das gesunkene Preisniveau auch an Verbraucher weitergeben", sagte der Verivox-Sprecher. Sie hĂ€tten jetzt wieder mehr Spielraum, "die sinkenden Preise im GroĂhandel weiterzugeben".