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Anlagenberatung: Letzte Chance für Schadensansprüche


Steuern
Letzte Chance für Schadensansprüche

spiegel-online, Spiegel-Online

Aktualisiert am 28.12.2011Lesedauer: 5 Min.
Wer seinen Finanzberater verklagen will, sollte schnell handelnVergrößern des BildesWer seinen Finanzberater verklagen will, sollte schnell handeln (Quelle: Thinkstock by Getty-Images-bilder)
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Wer Opfer eines windigen Finanzberaters geworden ist, muss sich beeilen. Nach Silvester verjähren sämtliche Ansprüche auf Schadenersatz bei Geldanlagen, die vor 2002 gezeichnet wurden. Insgesamt könnten Betroffene somit Ansprüche von bis zu 150 Milliarden Euro verlieren.

"Das Schlimmste erwarten, das Beste hoffen"

Oasen der Moral wollen die Volks- und Raiffeisenbanken und ihr Zentralinstitut, die DZ-Bank, sein. In Werbespots preist sie Partnerschaftlichkeit, Solidarität und Respekt. Agnes Behounek, 75, fällt ein anderes Motto ein, wenn es um ihre Geldanlage bei der Volksbank geht: "Das Schlimmste erwarten, das Beste hoffen."

30.000 Euro steckte die Seniorin in einen geschlossenen Immobilienfonds, in der Hoffnung, das sei eine gute Altersvorsorge. Der Berater der Volksbank sagte, da sei der "DG Fonds Nr. 30" genau das richtige. Also floss Behouneks Geld in Gebäude in Berlin und Ostdeutschland. Eine schlechte Wahl, wie sich später herausstellte. Zusammen mit vielen DG-Fonds entwickelte sich Behouneks Anlage zum Alptraum. Ausschüttungen blieben aus. Ob die Rentnerin von ihrem Geld je etwas wiedersieht, ist fraglich.

Jetzt hat die alte Dame einen Juristen eingeschaltet. Es war höchste Zeit. Denn Ende des Jahres verfallen sämtliche Ansprüche auf Schadenersatz bei Geldanlagen, die vor 2002 gezeichnet wurden. Wer sich bis dahin nicht wehrt, hat keine Chance mehr, sich gegen Anlageberater zu behaupten, denen er womöglich aufgesessen ist.

Flut von Last-Minute-Schreiben erwartet

Agnes Behounek ist nur eine von vielen Kleinanlegern, die derzeit den Kampf aufnehmen. Insgesamt geht es um gigantische Summen. Der Hamburger Rechtsanwalt Peter Hahn geht von Ansprüchen in Höhe von 150 Milliarden Euro aus, die am Neujahr 2012 nicht mehr eingeklagt werden können.

Bei Schlichtungsstellen wie der Öffentlichen Rechtsauskunft (Öra) hat man sich auf eine Flut von Last-Minute-Schreiben zwischen Weihnachten und Silvester vorbereitet. Über einen Güteantrag bei solchen Einrichtungen kann die Verjährungsfrist noch ein letztes Mal hinausgezögert werden. Das Verfahren ist auf der Öra-Website Schritt für Schritt erklärt; dort findet sich auch ein Musterschreiben für einen Güteantrag.

Anleger, die sich absichern wollen, sollten rasch handeln. Denn es gibt keine Hoffnung, dass die Frist für die Ansprüche noch einmal verlängert wird. Juristen wie der früherer Zivilrichter Wolfgang Mertins und der Kapitalmarktexperte Timo Gansel versuchten bis zuletzt, die kürzeren Verjährungsfristen noch einmal auf die politische Agenda setzen zu lassen. Ein Jahrzehnt für Geldanlagen, die oft auf 25 oder 30 Jahre ausgelegt sind - das halten sie für viel zu kurz. Der Staat habe in diesem Bereich eine besondere Verantwortung, schrieben Mertins und Gansel kürzlich in der "Zeitschrift für Rechtspolitik".

Viele Gesellschaften lassen Gläubiger im Dunkeln

Die beiden Experten wandten sich auch an das Bundesjustizministerium. Dessen Antwort war eindeutig: Die neuen Verjährungsfristen dienten der "Herstellung von Rechtsfrieden und -sicherheit". Eine 30-jährige Verfallsfrist setze zudem "Anlageberater kaum zu kontrollierenden Risiken mit der Gefahr entsprechender Kosten" aus.

Leidtragende sind nun die Kleinanleger: Denn für sie ist oft über lange Zeit unklar, wie gut es der Fondsgesellschaft, der sie ihr Vermögen anvertraut haben, wirklich geht. Viele Fondsgesellschaften simulieren jahrelang ein gutes Geschäft, obwohl es hinter den Kulissen kriselt. Sie zahlen regelmäßig Ausschüttungen, auch wenn kein Gewinn anfällt, sie zehren in diesem Fall von den eigenen Reserven. Manche Fonds legen für solche Zwecke auch gleich zu Anfang unauffällig ein paar Millionen zurück.

Der Anleger bekommt davon oft gar nichts mit. Und schlimmer noch: Wenn er Pech hat, muss er das bereits erhaltene Geld später wieder zurückzahlen. "Im schlimmsten Fall kann später der Insolvenzverwalter dieses Geld wieder von den Anlegern zurückverlangen", sagt der Münchner Jurist Ralph Veil.

Kunden schlecht geschützt

Auch sonst sind Kunden, die ihr Geld vor 2002 angelegt haben, oft schlecht geschützt. Vor allem in den neunziger Jahren und um die Jahrtausendwende herum hatten Bank-, Sparkassen- und Finanzberater leichtes Spiel. Die Kunden ließen sich von der Euphorie des Aufbau Osts oder dem Boom an den Aktienmärkten bereitwillig mitreißen - und die Beratungsvorschriften waren lax.

Nun stehen etliche Kleinanleger mit geschlossenen Fonds oder abenteuerlich konstruierten Lebensversicherungen da, die ihre Ersparnisse auffressen anstatt sie zu vermehren. Die Frage, ob nicht ausreichend über Risiken und auch Provisionen aufgeklärt wurde, beschäftigt Gerichte oft jahrelang.

Vor allem AWD im Fokus

Vor allem der berüchtigte Finanzdienstleister AWD und sein Gründer, Carsten Maschmeyer, sehen sich immer wieder Vorwürfen ausgesetzt, seinen Kunden Provisionen verschwiegen und Hochrisikoprodukte als sichere Altersvorsorge aufgeschwatzt zu haben. Etliche Anleger ließen sich von der blumigen Werbung für Medienfonds hinreißen, die in die Produktion von Spielfilmen investierten. Oder sie versenkten ihr Erspartes auf Anraten von AWD-Beratern in einer Ferienanlage in Mecklenburg-Vorpommern und in sogenannte Dreiländerfonds, die in Immobilien und Wertpapiere in der Schweiz, den USA und Deutschland investierten.

Maschmeyer will sich zur Frage, ob da nicht massenweise falsch beraten wurde, nicht äußern. Er verweist auf AWD, wo er mittlerweile komplett ausgestiegen ist. AWD weist den Vorwurf der Falschberatung zurück. Die Produkte seien damals "transparent" dargestellt worden, erklärt das Unternehmen. "Gesprächsnotizen" könnten eine "entsprechende Risikoaufklärung der Kunden" belegen. Sollte "in Einzelfällen" tatsächlich nicht ausreichend aufgeklärt worden sein, "wird AWD bestrebt sein, eine Einigung mit dem Kunden zu erzielen".

Ein Nachweis ist oft schwer zu bringen

Doch das ist äußerst mühsam. Beratern Fehler nachzuweisen, ist oft schwer. Oft trauen sich Kunden aus Angst vor Prozesskosten nicht vor Gericht. Nach Silvester ist es dann zu spät. Dann können Berater von AWD und anderen Firmen nicht mehr belangt werden. In manchen Firmen dürften dann "die Champagnerkosten knallen", sagt Rechtsanwalt Gansel.

"Viele Anbieter und etliche Vertriebe versuchen jetzt nur noch, sich über Neujahr zu retten", sagt auch Rechtsanwalt Hahn. Er wirft zum Beispiel der DZ-Bank vor, durch Tricks und die Aussetzung von Tilgungsraten bei Krediten die Insolvenz einiger Fonds hinauszuzögern - bis die Gefahr von Klagen ein für allemal gebannt ist. Was danach mit den Fonds passiert, ist ungewiss.

Gutachter untersuchen Fonds

Die DZ-Bank selbst erklärt: "Im Interesse und zum Vorteil der Anleger" sei durch Sanierungsmaßnahmen bis heute sichergestellt, dass keiner der Fonds insolvent wurde. Die wirtschaftliche Entwicklung der Produkte habe man stets kommuniziert. "Insofern wurde keine Verjährungsfrist abgewartet."

Hahn dagegen ist überzeugt, dass DG-Fonds-Anleger massenhaft getäuscht wurden. Er hat einen Gutachter beauftragt, der neun der Fonds untersucht hat. Dessen Ergebnis: "Die Gebäude, die gekauft wurden, haben teilweise 70 Prozent oder mehr an Wert verloren." Rund 25 Prozent der Anlegergelder seien obendrein für Gebühren, Marketing und Vertrieb draufgegangen.

Langer Prozess

Das sei nicht ausreichend transparent gemacht worden, sagt Hahn. Die DZ-Bank weist das zurück: Man habe Kunden stets informiert.

Die Frage, wer Recht hat, wird Gerichte noch lange beschäftigen. Wer auch nach Silvester 2011 noch eine Chance auf Schadensersatz haben will, sollte schleunigst handeln.

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