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Konjunktur 2020: Deutschland sollte sich auf die Schuldenbremse konzentrieren


Konjunktur 2020
Deutschland sollte sich auf die Schuldenbremse konzentrieren


Aktualisiert am 01.01.2020Lesedauer: 4 Min.
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Großbaustelle: Das mäßige Wachstum der Steuereinnahmen hält in Deutschland mit den rasant wachsenden Ausgaben nicht mehr Schritt.Vergrößern des Bildes
Großbaustelle: Das mäßige Wachstum der Steuereinnahmen hält in Deutschland mit den rasant wachsenden Ausgaben nicht mehr Schritt. (Quelle: Jochen Tack/imago-images-bilder)

Im kommenden Jahr wird es nichts mehr mit der schwarzen Null im Bundeshaushalt. Gerade deshalb wird noch einmal so erbittert über sie gestritten.

Manchmal geht das Leben ja ausnahmsweise einmal gnädig mit einem um. So mag sich Finanzminister Olaf Scholz (SPD) gefreut haben, als in der Weihnachtswoche die neueste Konjunkturumfrage des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) aus Köln veröffentlicht wurde. Danach gibt es leichte Erholungszeichen für die deutsche Wirtschaft, die Rezession ist vorerst vertagt.

Doch helfen werden diese erfreulichen Perspektiven dem Finanzminister am Ende doch nicht. Denn trotz der wirtschaftlichen Stabilisierung wird der Bundeshaushalt zum Ende des Jahres in die roten Zahlen rutschen. Den Kampf um die schwarze Null hat der Finanzminister schon mit dem ersten Tag des neuen Jahres verloren. Das mäßige Wachstum der Steuereinnahmen hält mit den rasant wachsenden Ausgaben nicht mehr Schritt. Jetzt kommt es darauf an, dass Scholz wenigstens die Schuldenbremse verteidigt, die der Aufnahme neuer Kredite enge Grenzen setzt.

Streit über die schwarze Null

Seit Monaten tobt in der Bundesregierung der Streit über die sogenannte schwarze Null. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Finanzminister Scholz verteidigen die Haltung, dass der Staat nicht mehr Geld ausgeben soll, als er an Steuern und Abgaben einnimmt. Die neuen Parteivorsitzenden der Sozialdemokraten, die Grünen und die Linkspartei sehen das grundsätzlich anders. Sie finden, dass sich der Staat stärker verschulden sollte – vor allem, weil die Gläubiger bereit sind, für Anleihen der Bundesrepublik Deutschland Negativzinsen in Kauf zu nehmen.

Dabei geht es ihnen überhaupt nicht um die engen Verschuldungsgrenzen, die grundgesetzlich erlaubt sind, wenn die Konjunktur schlappmacht. So gilt ein Bundeshaushalt nach den Bedingungen der Schuldenbremse auch dann noch als ausgeglichen, wenn der Finanzminister in einer wirtschaftlich schwierigen Lage bis zu 0,3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes an neuen Schulden aufnimmt.

Teure Vorhaben bereits in Planung

Etwa 12,5 Milliarden Euro könnte Olaf Scholz im kommenden Jahr an neuen Schulden machen, wenn etwa die Arbeitslosenversicherung auf einmal Geld brauchen würde. Fatal ist: Diesen Spielraum wird der Finanzminister auch ohne enorme Steigerung der Arbeitslosenzahlen brauchen.

Denn die Bundesregierung hat sich bereits auf einige teure Vorhaben eingelassen, die bisher nur durch die Erwartung finanziert sind, dass Geld in anderen Haushaltstiteln nicht gebraucht wird. Die Mehrwertsteuerentlastung der Bahn gehört dazu, das Klimaprogramm für E-Autos, die neuen Hilfen zur Gebäudedämmung. Nur wenn diese Förderprogramme gar nicht funktionieren, kann der Haushalt ausgeglichen werden.

Zeit für die Schuldenbremse?

Deshalb wäre Scholz gut beraten, sich nicht mehr auf die schwarze Null, sondern auf die Schuldenbremse zu konzentrieren. Hier lauern die wirklichen Gefahren für die solide Haushaltsführung. Denn die Neben- und Schattenhaushalte, die seine Parteifreunde, die Linkspartei, die Grünen und mächtige Lobbygruppen verlangen, bergen viel mehr Sprengstoff für die Zukunft der Staatsfinanzen.

Da ist einmal der Klimafonds von 450 Milliarden Euro, den die Arbeitnehmerseite der SPD, die Gewerkschaften und die Industrieunternehmen gerne sehen würden. Sie stellen sich vor, dass Deutschland die Nullzinsphase nutzt, um diese gigantische Summe an Krediten aufzunehmen und in einem Fonds parkt, der neben dem Bundeshaushalt steht. Von diesem Geld könnten dann klimabedingte Investitionen in Unternehmen getätigt und der Umbau der Industrie auf CO2-neutrale Produktion gefördert werden.

Zum Beispiel könnte der Autoindustrie geholfen werden, die schon im kommenden Jahr 2020 vor der gewaltigsten Herausforderung ihrer Geschichte steht: Sie muss die neuen Abgasrichtlinien der Europäischen Union einhalten und gleichzeitig auf Elektromobilität umrüsten. Das erfordert Milliardeninvestitionen beim klassischen Verbrennungsmotor – und beim Umbau auf die neue Antriebstechnik.

Überall wird Geld benötigt

Anders wollen jedoch Wirtschaftswissenschaftler wie Marcel Fratzscher vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) einen solchen Fonds verwendet sehen: Sie verweisen auf marode Brücken, Schlaglöcher in den Straßen, baufällige Schulgebäude, fehlendes Highspeed-Datennetz auf dem Land. Eine so einmalige Chance, in der Vergangenheit Versäumtes aufzuholen, dürfe man nicht verstreichen lassen.

Ebenso ambitioniert sind die Vorstellungen einiger Rentenpolitiker. Sie würden gern einen Zusatztopf füttern, der in etwa 20 Jahren helfen soll, die Renten aufzustocken. Denn spätestens dann wird die gesetzliche Rentenversicherung nicht mehr in der Lage sein, die fälligen Rentenzahlungen aus den laufenden Einnahmen und den heute schon nötigen Zuschüssen aus dem Bundeshaushalt zu decken.

Für all diese Vorschläge lassen sich viele gute Argumente finden. Warum sich der Finanzminister dennoch mit Händen und Füßen dagegen wehren sollte, ist ebenfalls klar: Würde sich Deutschland für alle drei Bereiche in Schulden stürzen, wäre nicht nur die Schuldenbremse ausgehebelt. Auch der Maastricht-Vertrag, der für Länder der Eurozone eine Obergrenze von 3 Prozent Neuverschuldung erlaubt, müsste zu den Akten gelegt werden.

Schon warnt der CSU-Europa-Politiker Manfred Weber, dass andere Euroländer nur darauf warten würden, dass Deutschland die schwarze Null und die Schuldenbremse ad acta legt – damit sie selbst ebenfalls die Haushaltsdisziplin vergessen dürfen.

Gegenwartswünsche wichtiger als Verpflichtungen für die Zukunft

Dazu kommt: Schon heute bleibt das Geld für Investitionen in den öffentlichen Haushalten liegen. Dagegen wachsen die Konsumwünsche immer weiter – von Rentenaufstockungen über Grundrente, bis zu üppigeren Kinder- und Familienleistungen. Wäre es vorstellbar, dass Geld in einem Fonds liegen bleibt, während sich die Parteien (spätestens ab dem Ende des kommenden Jahres, wenn es auf die Bundestagswahlen des Jahres 2021 zugeht) in Klagen überbieten, wo noch überall Geld fehlt? Vorräte anzulegen funktioniert in einem politischen System meistens nicht, weil die Gegenwartswünsche immer wichtiger sind als die Verpflichtungen für die Zukunft.

Manchmal kann das Leben gnädig sein? Olaf Scholz muss sich warm anziehen, wenn er wenigstens die Schuldenbremse über das Jahr 2020 retten will. Denn verlassen sollte er sich darauf nicht.

Ursula Weidenfeld ist Wirtschaftsjournalistin in Berlin. Gemeinsam mit t-online.de und der Leibniz-Gemeinschaft produziert sie den Podcast "Tonspur Wissen".

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