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Corona-Krise: Staatlicher Eingriff in Wirtschaft ist Gift für die Marktwirtschaft


Ein Unternehmer-Staat ist Gift für die Marktwirtschaft

Eine Kolumne von Ursula Weidenfeld

Aktualisiert am 07.07.2020Lesedauer: 3 Min.
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Bundesfinanzminister Olaf Scholz und Lufthansa-Chef Carsten Spohr: Der Bund hat für die Airline neun Milliarden Euro locker gemacht.Vergrößern des Bildes
Bundesfinanzminister Olaf Scholz und Lufthansa-Chef Carsten Spohr: Der Bund hat für die Airline neun Milliarden Euro locker gemacht. (Quelle: imago-images-bilder)

In der Corona-Krise verschiebt sich die Macht zwischen Staat und Unternehmen. Das kann nur unter einer Bedingung gut gehen: dass es bald einen Impfstoff gibt.

300 Millionen Euro Eigenkapital für einen kleinen Impfstoff-Entwickler. Neun Milliarden Euro für die Lufthansa. Zehn Milliarden Euro für die Bahn. In Zeiten wie diesen ist es kein Problem zu begründen, dass der Staat sich bei Unternehmen engagieren soll.

Die Bundesregierung beteiligt sich an Firmen, reicht Kreditlinien und Zuschüsse aus, als gäbe es kein Morgen. Doch es gibt ein Morgen. Und genau das ist das Problem.

Denn wenn es nicht bald einen Impfstoff gegen das Corona-Virus gibt, wird sich die grundsätzliche Frage nach dem Sinn direkter staatlicher Eingriffe in die Wirtschaft vehement stellen: Mit welchem Recht hat der Staat einigen Firmen unter die Arme gegriffen, anderen aber nicht? Wie konnte er sich zum Herren über Bestehen oder Vergehen einzelner Branchen machen? Ist der Staat der tatsächlich bessere, oder bleibt er – wie in der Vergangenheit – ein schlechter Chef?

Die Politik rechnet fest mit einem Impfstoff im nächsten Jahr

Unter Politikern ist die Hoffnung sehr groß, sich nicht in dieser Weise rechtfertigen zu müssen. Sie rechnen fest mit dem Impfstoff im kommenden Jahr. Laut sagen sie, dass es ja nur eine Nothilfe sei, und dass man so schnell wie möglich zur Marktwirtschaft zurückkehren wird.

Heimlich aber halten sie sich längst für weise genug, die Gewichte dauerhaft zu verschieben, auch wenn die Virologen nicht so schnell liefern wie erwartet: weg von den anfälligen und wankelhaften Firmen, hin zum vermeintlich verlässlichen und vernünftigen Staat. Nicht nur die Industriestrategie der Bundesregierung atmet dieses Selbstbewusstsein. Auch die staatlichen Interventionen der vergangenen Wochen tun es.

Zweifel an dauerhafter Immunisierung

Epidemiologen sind zurückhaltend. Irgendetwas – einen Impfstoff – wird es im kommenden Jahr wohl geben. Ob dieses "Irgendetwas" jedoch so wirksam sein wird, um Milliarden von Menschen dauerhaft zu immunisieren, ist zweifelhaft. Es ist nicht einmal sicher, ob "Irgendetwas" groß genug wird, die Weltwirtschaft bald wieder auf Kurs zu bringen.

Es ist jedoch nur dann sinnvoll, einem in Not geratenen Unternehmen eine Brücke zu bauen, wenn am Ende der Passage sicherer Grund in Aussicht steht. Solange die Krise nur ein paar Monate dauert, ist es vernünftig, Firmen und ihren Arbeitnehmern unter die Arme zu greifen.

Was passiert, wenn die Krise länger dauert?

Dafür hat die Bundesregierung in den vergangenen Wochen viel Zustimmung erfahren. Zu Recht.

Was aber, wenn es länger dauert? Was unterscheidet die Lufthansa-Beschäftigten dann vom Air-Berlin-Personal, das vor drei Jahren kollektiv auf Jobsuche geschickt wurde? Wem nutzt eine Tui, wenn die Menschen auch die kommenden Sommerferien nicht in der Türkei oder in Marokko verbringen können?

Warum lässt der Staat den im vergangenen Jahr noch als systemrelevant gefeierten E-Mobilitäts-Anbieter Eon in Aachen koppheister gehen, wenn er gleichzeitig eine Wette auf den jetzt systemrelevanten Impfstoffhersteller Curevac macht? Sind regelmäßige Gehaltszahlungen für die Sopranistinnen eines Opernchors wichtiger als für die Mitarbeiter des Kinos, das auch nicht spielen darf?

Der Schiedsrichter-Staat verliert Glaubwürdigkeit

Der Staat hat in der Krise Unternehmen, Beschäftigte und Selbstständige unterschiedlich behandelt. Er selbst ist vom Regulierer zum Akteur geworden, der sich den Seinen wie der allmächtige Vater präsentiert, sich allen anderen gegenüber aber wie ein unbestechlicher Schiedsrichter gebärdet.

Die Legitimation dafür wird ihm nach und nach abhanden kommen. Denn der Unternehmer-Staat kann seine Firmen ganz offensichtlich nicht in der nötigen Konsequenz zur Wettbewerbsfähigkeit führen – Bahn und Commerzbank sind die zur Zeit besten Beispiele dafür. Der Schiedsrichter-Staat aber verliert mit jeder neuen Intervention Glaubwürdigkeit.

Welche Rolle darf der Staat spielen?

Wenn es in ein paar Monaten einen wirksamen und breit verfügbaren Impfstoff gegen das Virus geben sollte, werden sich einige dieser quälenden Ungewissheiten in Wohlgefallen auflösen. Die Grundsatzfrage aber bleibt: Welche Rolle soll, welche darf der Staat in der Marktwirtschaft spielen?

Es spricht viel dafür, dass sich in der Bundesregierung in den vergangenen Monaten die Ansichten dazu ebenso deutlich wie dauerhaft verschoben haben. Eine gute Nachricht ist das für niemanden. Die einen spüren die bittere Schieflage schon heute. Die anderen, die heute noch profitieren, werden mittelfristig mit nachlassender Wettbewerbsfähigkeit bezahlen.

Ursula Weidenfeld ist Wirtschaftsjournalistin in Berlin. Gemeinsam mit t-online.de und der Leibniz-Gemeinschaft produziert sie den Podcast "Tonspur Wissen".

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