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Christian Lindner: Das ist der wahre Skandal an "Porschegate"


Lobbyismus-Kritik
Der wahre Skandal an Lindners "Porschegate"

MeinungEine Kolumne von Ursula Weidenfeld

Aktualisiert am 26.07.2022Lesedauer: 4 Min.
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Bundesfinanzminister Christian Lindner: Während der Koalitionsverhandlungen mit SPD und Grünen stand er im Austausch mit Porsche-Chef Oliver Blume. (Quelle: IMAGO/Florian Gaertner)

Es ist kein Skandal, mit Lobbyisten zu reden. Wie Porsche-Chef Oliver Blume und Finanzminister Christian Lindner mit ihrer Affäre umgehen, allerdings schon.

Die Bilder sind einfach noch zu frisch: Zur Hochzeit des Jahres wird die Braut im Porsche Targa vorgefahren, der Bräutigam selbst chauffiert den tollen Wagen von der Kirche zur Champagner-Sause in die Dünen von Sylt. Alles over the top, alles ein bisschen zu viel für einen Minister einer ernsthaften Regierung.

Und dann das: Ausgerechnet Porsche-Chef Oliver Blume erzählt in einer Betriebsversammlung, Bräutigam und FDP-Chef Christian Lindner habe während der Koalitionsverhandlungen im vergangenen Herbst ständig mit ihm telefoniert. Er, Blume, habe dafür gesorgt, dass der Verbrennermotor in Deutschland eine Zukunft habe. Den braucht man nämlich für einen anständigen Porsche. Aha.

Das Telefonat selbst ist kein Skandal. Wie Porsche und das Finanzministerium damit umgegangen sind, schon eher. Das zeigt viel über Dummheit, über das Verhältnis von Wirtschaft und Politik – und es offenbart einiges über den Charakter der beiden Führungskräfte.

Interessenvertretung ist nicht anrüchig

Dass sich Politiker mit Lobbyisten unterhalten, ist ziemlich normal. Während der Koalitionsverhandlungen einer neuen Regierung herrscht in Verbänden, Unternehmensrepräsentanzen und Nichtregierungsorganisationen Urlaubssperre. Denn in diesen Wochen wird das Regierungsprogramm für die kommenden vier Jahre verhandelt – wer es schafft, sich in die Beratergremien der künftigen Regierungsparteien zu schmuggeln, bekommt zu Weihnachten einen Bonus von seinem Arbeitgeber.

Zudem hat die FDP den Lobby-Verdacht in der Bundesregierung gar nicht exklusiv: Bundeskanzler Olaf Scholz hat sich in seiner Zeit als Hamburger Erster Bürgermeister beispielsweise gerne mit dem Miteigentümer und damaligen Chef der Hamburger Warburg-Bank, Christian Olearius, getroffen, den man heute vor allem als Angeklagten im Cum-Ex-Skandal kennt. Außerdem hat Scholz einen Staatssekretär, der von 2000 bis 2018 Führungspositionen bei der Investmentbank Goldman Sachs innehatte. Zu Recht werden die Verbindungen von Jörg Kukies zum Münchner Skandal-Unternehmen Wirecard untersucht.

Außenministerin Annalena Baerbock und Wirtschaftsminister Robert Habeck (beide Grüne) haben Umweltlobbyisten an die Spitze ihrer Häuser gerufen: Jennifer Morgan war Chefin von Greenpeace International, bevor sie zur Staatssekretärin im Auswärtigen Amt berufen wurde. Habecks Staatssekretär Patrick Graichen leitete zuvor den Thinktank Agora Energiewende. Auch bei ihnen muss gefragt werden, ob das Gemeinwohl und die Interessen ihrer vorherigen Arbeitgeber tatsächlich identisch sind.

Blume wollte einfach nur angeben

Ist es also schlimm, wenn der Porsche-Chef mit dem Finanzminister telefoniert? Nein. Schlimm ist, wie beide Seiten damit umgehen. Vier Dinge fallen dabei besonders auf.

Erstens: Warum gibt Oliver Blume in einer Betriebsversammlung damit an, die Position der FDP in den Koalitionsverhandlungen bestimmt zu haben? Nun, es wirft einfach ein schönes Licht auf ihn. "Haupttreiber" in den Verhandlungen über die sogenannten E-Fuels gewesen zu sein, "fast stündlich" vom künftigen Finanzminister informiert worden zu sein, verleiht einem Unternehmenslenker eine zusätzliche Aura.

Getreu dem Motto: Ich habe durch unermüdlichen Einsatz den Verbrennermotor und damit Eure Arbeitsplätze gerettet, weil einer wie ich überall gehört wird. Eitelkeit aber ist eine gefährliche Vorstufe von Dummheit.

Zweitens: Das Verhältnis von Wirtschaft und Politik. Im Kanzleramt oder beim Finanzminister einen Fuß in der Tür zu haben – und das die eigenen Angestellten wissen zu lassen –, gehört zur Königsdisziplin von Unternehmenslenkern. Sich nicht wählen lassen zu müssen und trotzdem mitreden zu dürfen, macht einen extra groß, weil es einen sowohl über das politische als auch das unternehmerische System erhebt.

Der frühere Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann erzählte stolz herum, dass die Kanzlerin für ihn ein persönliches Geburtstagsessen ausgerichtet habe. Danach war zwar Funkstille. Doch Ackermann hatte an der Willy-Brandt-Straße 1 in Berlin seine Duftmarke für die Kollegen von der Konkurrenz und aus den Verbänden gesetzt: Ich war hier. Ihr nicht.

Im Porsche-Konzern und bei Volkswagen macht man es ähnlich. Wenn die Sache publik wird, schadet sie nicht dem Wirtschaftsmann, sondern dem Politiker. Wenn man dann aber eine Pressestelle hat, die im Krisenmanagement patzt und eine delikate Mail an die "Bild"-Zeitung weiterleitet, kann man sicher sein, jeden Fehler gemacht zu haben. Es gilt: Wer dauerhaft Einfluss haben will, muss die Klappe halten können.

Lindner beweist mangelndes Gespür

Drittens: Kluge Politiker veröffentlichen ihre Termine und geben Informationen über geführte Gespräche heraus. Im Finanzministerium dagegen wird erst einmal dementiert, dann eingeräumt, dann relativiert.

Jeder spürt: Das ist keine Kleinigkeit. Für einen Oppositionspolitiker ist es vielleicht ganz lustig, als Porsche-und-Sylt-Politiker zu gelten. Für einen Finanzminister, der Volk, Parlament und Regierung auf harte Zeiten einstellen muss, kann ein solches Image tödlich werden.

Viertens: Was sagt das über den Charakter des Spitzenpersonals in Wirtschaft und Politik? Oliver Blume wird aufsteigen, er wird Chef von Volkswagen. Christian Lindner wird in wenigen Wochen gegen den Abstieg kämpfen müssen – wenn es um Schuldenbremse, Neuverschuldung, Steuererhöhungen, um eine faire Lastenverteilung und um seine Glaubwürdigkeit geht.

Als dumme Jungs und Angeber werden sie nicht mehr durchkommen. Sie müssen zeigen, dass man nicht nur gut aussieht, wenn man im Porsche sitzt. Sondern, dass man auch mit Würde aussteigen kann.

Ursula Weidenfeld ist Wirtschaftsjournalistin in Berlin. Ihr neues Buch heißt:

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