Darum kritisieren selbst Rauch-Gegner Scholz' neue Tabaksteuer
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Das Finanzministerium will die Tabaksteuer reformieren: Nicht nur Kippen sondern auch
Dass Zigaretten der Gesundheit schaden, dΓΌrfte nur wenige Menschen erstaunen. Dass aber der Konsum von E-Zigaretten oder Tabakerhitzern noch schΓ€dlicher als die klassischen GlimmstΓ€ngel sein sollen, hingegen schon. Zu diesem Schluss jedenfalls kΓΆnnte kommen, wer sich die jΓΌngsten PlΓ€ne von Finanzminister Olaf Scholz (SPD) fΓΌr die Tabaksteuer anschaut, ΓΌber die am Montag der Finanzausschuss im Bundestag berΓ€t.
Der unstrittige Part daran ist schnell erzΓ€hlt: FΓΌr klassische Zigaretten wollen Scholz und sein Bundesfinanzministerium (BMF) die Tabaksteuer von 2022 bis 2026 schrittweise anheben. Pro Jahr soll die Steuer auf Kippen so um durchschnittlich 8 Cent je Schachtel mit 20 Zigaretten steigen. Statt wie aktuell im Schnitt 7 Euro dΓΌrfte eine Schachtel zur Mitte des Jahrzehnts also rund 7,40 Euro oder noch mehr kosten, je nachdem wie stark Hersteller und HΓ€ndler die Preise runden.
Doch Scholz geht es nicht nur um die klassischen GlimmstΓ€ngel. Auch E-Zigaretten nimmt er ins Visier. Und da ist der Γrger groΓ.
Anders als gewohnt lΓ€uft hier nicht nur die Industrie Sturm, sondern sogar die Rauch-Gegner. Der Grund: Scholz und das BMF planen fΓΌr E-Zigaretten sogar eine noch grΓΆΓere Steuersteigerung als fΓΌr herkΓΆmmliche Kippen β obwohl letztere viel schΓ€dlicher fΓΌr die Gesundheit sind.
E-Zigaretten sind weniger gesundheitsschΓ€dlich als Kippen
"Ich selbst bin Nichtraucher und kein Raucher-Freund. Doch dieser Plan von Scholz ist absurd und fΓΌhrt in die vΓΆllig falsche Richtung", sagt etwa Stefan Schmidt, GrΓΌnen-Bundestagsabgeordneter und Mitglied im Finanzausschuss, im GesprΓ€ch mit t-online. "Es darf nicht sein, dass E-Zigaretten teurer werden als Zigaretten."
Hintergrund der Diskussion: Die Tabaksteuer ist eine sogenannte Lenkungssteuer. Sie soll die Menschen "erziehen" und sie durch hohe Preise von gesundheitsschΓ€dlichem Verhalten abhalten β nicht zuletzt, um die Kosten fΓΌr das Gesundheitssystem zu verringern. Dieser Logik folgend mΓΌsste die Steuer also umso hΓΆher sein, je mehr Schaden ein Produkt hervorruft.
Und genau hier wird es kritisch. Denn der Dampf von E-Zigaretten ist nach derzeitigem Stand der Wissenschaft deutlich weniger schΓ€dlich als der Rauch normaler Zigaretten. So sind im Tabakrauch laut Deutschem Krebsforschungszentrum (DKFZ) mehr als 5.300 Stoffe enthalten, die teilweise giftig oder krebserregend sind.
Im Rauch der E-Zigarette "liegen die Schadstoffe meist in deutlich geringeren Mengen als in Tabakrauch vor", heiΓt es beim DKFZ. Auch wenn die Langzeitfolgen des Dampfes noch nicht ausreichend untersucht sind, gilt heute als gesichert, dass er dem KΓΆrper weniger Schaden zufΓΌgt als Rauch.
E-Zigaretten wΓΌrden teurer als normale Kippen
Will man den BΓΌrger also das gesundheitsschΓ€dlichere Rauchen vergrΓ€tzen, so argumentiert auch Schmidt, mΓΌssten Zigaretten deutlich teurer werden als E-Zigaretten. Das aber ist nicht der Fall, wie eine Modellrechnung des E-Zigaretten-Lobbyverbandes "BΓΌndnis fΓΌr tabakfreien Genuss" aufzeigt.
Umgerechnet auf das Nikotin, das die Konsumenten aufnehmen, kostet eine herkΓΆmmliche Zigarette demnach zurzeit 10,44 Cent. Will man dieselbe Menge des Nervengiftes mit einem Dampfliquid aufnehmen, ergΓ€be sich schon jetzt ein Preis von 21,74 Cent β also bereits 10 Cent mehr als eine normale Zigarette.
Und durch Scholz' "Tabaksteuermodernisierungsgesetz" wΓΌrden die Kosten nochmals stark anziehen β vor allem fΓΌr E-Zigaretten. Ein Zigaretten-Γquivalent wΓΌrde dann 56,52 Cent kosten, eine normale Kippe nur 11,70 Cent, rechnet der Verband vor.
Rauchen ist auch eine "soziale Frage"
Dass eine Lobbyorganisation die Interessen der Mitgliedsfirmen im Kopf hat, ist klar. Doch selbst Raucher-Gegner wie der GrΓΌnen-Abgeordnete Schmidt kritisieren die Regelung.
"Der Gesetzentwurf birgt die Gefahr, dass Raucher weiter bei Zigaretten bleiben, obwohl sie eigentlich mit E-Zigaretten den Absprung schaffen wollten β oder sogar wieder zurΓΌck zu Zigaretten wechseln", sagt er. "Das wird ganz schnell zur sozialen Frage: Menschen, die sich die teuren Verdampfer oder E-Zigaretten nicht mehr leisten kΓΆnnen, bleiben bei der Zigarette oder kehren zurΓΌck zu ihr."
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Dieses Problem sieht auch Bernd Werse, MitbegrΓΌnder des "Centre for Drug Research" an der Uni Frankfurt und SachverstΓ€ndiger im Finanzausschuss zur Tabaksteuer. "Ich bin beileibe kein UnterstΓΌtzer der E-Zigarettenindustrie", sagt Werse. "Doch der Vorschlag jetzt ist, ich muss es so deutlich machen, Mist."
In Italien habe man genau dasselbe versucht, erklΓ€rt der Experte. "Doch es ging nach hinten los." Denn die Steuereinnahmen fielen weit geringer aus als erwartet. Um das zu erklΓ€ren, gebe es drei Effekte, die womΓΆglich auch zusammenspielten.
"Erstens kΓΆnnten viele BΓΌrger, die auf E-Zigaretten umgestiegen sind, zurΓΌck zur klassischen Zigarette gekehrt sein", sagt Werse. "Zweitens kΓΆnnten viele es erst gar nicht erwΓ€gt haben, zu wechseln." Und drittens hΓ€tten viele Menschen das Liquid womΓΆglich im Ausland bestellt, wo es teilweise gepanscht sei, so Werse. Diese Effekte drohten nun auch in Deutschland, fΓΌrchtet der Experte.
Das Finanzministerium versteht den Γrger nicht
Das BMF unter Olaf Scholz weist diese Kritik zurΓΌck. "Das geplante Besteuerungsniveau fΓΌr E-Zigaretten ist gegenΓΌber klassischen Zigaretten prozentual niedriger", teilt es auf Anfrage von t-online mit. "Um den Konsum von gesundheitsschΓ€dlichem Nikotin zu reduzieren, ist es zielfΓΌhrend, Anreize zu schaffen, die Nikotinzufuhr zu verringern bzw. ganz auf Nikotin zu verzichten. Eine BeschrΓ€nkung der Besteuerung auf nikotinhaltige Substanzen kann hierzu einen Beitrag leisten."
Werse hΓ€lt dagegen. "Klar ist: E-Zigaretten sind gesundheitsschΓ€dlich. Doch einfach alles teurer machen, in der Hoffnung, alle hΓΆren plΓΆtzlich auf mit dem Rauchen, ist realitΓ€tsfern", sagt er. "Die Tabaksteuer soll eine Lenkungswirkung entfalten." Diese werde aber "aller Voraussicht nach" nicht erreicht, so Werse.
Dass die Steuer tatsΓ€chlich den Sinn der Lenkungswirkung gar nicht verfolgt, geht aus dem Gesetzentwurf hervor. Stattdessen will Scholz an Rauch und Dampf verdienen, also mehr Steuern einnehmen β und das nicht zu knapp. Rund 12 Milliarden Euro an Mehreinnahmen erhofft sich der Minister mit den PlΓ€nen zwischen 2022 und 2026.
Die Steuer "dient der Einnahmenerzielung"
Das BMF bestΓ€tigt das. "Das Tabaksteuergesetz verfolgt als Steuergesetz ΓΌberwiegend fiskalische Ziele und dient der Einnahmenerzielung", heiΓt es seitens des Ministeriums. "Die Tabaksteuer soll als Verbrauchsteuer auch eine Lenkungswirkung im Konsumverhalten der BΓΌrgerinnen und BΓΌrger entfalten."
Der GrΓΌnen-Abgeordnete Schmidt glaubt nicht so recht daran: "Offenbar braucht Scholz eine Steuer, um seine Schulden abzutragen. Wir waren jedenfalls sehr ΓΌberrascht von dem plΓΆtzlichen VorstoΓ."
Denn: Noch im Januar teilte die Bundesregierung der Linken-Fraktion mit, dass keine ErhΓΆhung der Tabaksteuer geplant sei. Vom BMF heiΓt es nur: "Eine Initiative der Bundesregierung zur ErhΓΆhung der Tabaksteuer lag zum Zeitpunkt der Beantwortung der Kleinen Anfrage nicht vor." Ein erstmaliger Austausch innerhalb der Bundesregierung zu einer Reform der Tabaksteuer "erfolgte erst ab Februar 2021".
EU will Vorschlag fΓΌr Tabaksteuer machen
Bereits im vergangenen Herbst fand eine AnhΓΆrung im Finanzausschuss zu diesem Thema statt. Die Fraktionen einigten sich darauf, dass das Thema besser auf EU-Ebene geklΓ€rt werden soll. Schmidt: "Ende dieses Jahres wird die EU einen Vorschlag fΓΌr eine Tabaksteuerreform machen. Bis dahin hΓ€tten wir noch warten kΓΆnnen."
Seine Idee einer Tabaksteuerreform: Statt E-Zigaretten teurer als Zigaretten zu machen, sei es sinnvoller, besonders herkΓΆmmliche Kippen unattraktiv zu machen.
"Es ist richtig, dass auch auf E-Zigaretten-Liquids Steuern gezahlt werden sollen, denn auch die sind gesundheitsschΓ€dlich", sagt er. "Doch bitte nicht so stark erhΓΆhen, dass der Umstieg fΓΌr Zigarettenraucher schwer gemacht wird. Zigaretten haben ein hohes Krebsrisiko und sind immer noch deutlich schΓ€dlicher als E-Zigaretten."
Deshalb sollte die Tabaksteuer drastisch steigen β und zwar in ein, zwei groΓen Schritten, statt in fΓΌnf kleinen, so Schmidt. Dadurch wΓ€re der Anreiz grΓΆΓer, von Zigaretten loszukommen oder zumindest auf die weniger schΓ€dlichen Alternativen zurΓΌckzugreifen.
Widerstand aus der Unionsfraktion
Ob es dazu tatsΓ€chlich kommt, ist ungewiss. Olaf Scholz und die SPD, so berichten es Insider der parlamentarischen Abstimmung, scheinen jedenfalls fest entschlossen zu sein, das Gesetz durchzuprΓΌgeln β womΓΆglich auch gegen den koalitionsinternen Widerstand, etwa vom CSU-Politiker Sebastian Brehm, der in der "FAS" unlΓ€ngst verkΓΌndete, die Union lehne Scholz PlΓ€ne "geschlossen" ab.
Am Montag findet eine AnhΓΆrung im Finanzausschuss statt, in der auch Werse auftreten wird. Im Juni, in der vorletzten Sitzungswoche der laufenden Legislaturperiode, soll der Bundestag dann ΓΌber die Anpassung der Steuer abstimmen. Die Prognose von GrΓΌnen-Politiker Schmidt: "In dieser Form wird das Gesetz sicher nicht durchgehen."
- Eigene Recherche
- GesprΓ€ch mit Stefan Schmidt
- GesprΓ€ch mit Bernd Werse
- Tabaksteuermodernisierungsgesetz
- Deutsches Krebsforschungszentrum: Fakten zum Rauchen
- Statement des Bundesfinanzministeriums
- Stellungnahme "BΓΌndnis fΓΌr tabakfreien Genuss"
- FAS: "CSU will Shisha-Bars stΓ€rker besteuern"
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa