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Gas-Krise: Mit einer kleinen Verspätung zeigt Putin Russlands Macht


Mit einer kleinen Verspätung zeigt Russland seine Macht

  • Christine Holthoff
Von Christine Holthoff

Aktualisiert am 10.11.2021Lesedauer: 3 Min.
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Wladimir Putin bei der Eröffnung eines Gas-Hafens: Kritiker vermuten, Russland halte Gas bewusst zurück, um die Inbetriebnahme zu erzwingen.Vergrößern des Bildes
Wladimir Putin bei der Eröffnung eines Gas-Hafens: Kritiker vermuten, Russland halte Gas bewusst zurück, um die Inbetriebnahme zu erzwingen. (Quelle: imago-images-bilder)

Mit einem Tag Verspätung dreht Gazprom die Ventile für Europa wieder auf. Die zusätzlichen Gaslieferungen sollen die Energiekrise entschärfen, doch die Warterei zeigt, welche Macht Russland hat.

Eigentlich hätte es schon am Montag losgehen sollen. "Zum oder am 8. November", so ordnete es Russlands Präsident Wladimir Putin an, sollte der russische Energiekonzern Gazprom seine Speicher in Deutschland wieder auffüllen. Doch das Gas ließ auf sich warten.

Erst seit diesem Dienstag fließt wieder erkennbar mehr davon durch die Yamal-Pipeline, eine der drei wichtigsten russischen Transportleitungen nach Deutschland. Der Kreml und Gazprom erfüllen damit ihre Zusage, allerdings um einen Tag verspätet. Nicht dramatisch, sollte man meinen, doch was, wenn Russland weiter nicht geliefert hätte?

Gazprom lieferte nur das Nötigste

Wochenlang hatte Gazprom nur spärlich Gas geschickt, seit vergangenem Samstag gelangte am deutsch-polnischen Übergabepunkt Mallnow schließlich gar kein Erdgas mehr nach Deutschland. Das geht aus Netzdaten des Yamal-Pipeline-Betreibers Gascade hervor.

Mehr als die vereinbarten Pflichtmengen gab es insgesamt nicht von Gazprom. Die beiden anderen großen Gasleitungen, Transgas am deutsch-tschechischen Einspeisepunkt Waidhaus und die Ostseepipeline Nord Stream 1, kompensierten die tagelangen Nullrunden von Yamal nicht. Zuerst sollten die russischen Speicher aufgefüllt werden.

Doch auch die deutschen Gasspeicher benötigen dringend Nachschub: Sie sind aktuell nur zu rund 70 Prozent gefüllt, wie auf der Datenplattform der Betreiber zu sehen ist. Zum Vergleich: Anfang November 2020 lag der Pegelstand deutschlandweit noch bei 94 Prozent.

Wichtiger Puffer: Die über ganz Deutschland verteilten unterirdischen Speicher gleichen vor allem im Winter Verbrauchsspitzen aus. An kalten Tagen werden bis zu 60 Prozent des Gasverbrauchs in Deutschland aus inländischen Speichern abgedeckt. Rund 23 Milliarden Kubikmeter Gas können dort gelagert werden. Das ist etwa ein Viertel der jährlich in Deutschland verbrauchten Erdgasmenge.

"Gazprom will Nord Stream 2 erzwingen"

Die Extraportion Gas aus Russland soll den Mangel nun mildern. Nach Angaben der Initiative Energien Speichern, einem Zusammenschluss von Betreibern deutscher Gas- und Wasserstoffspeicher, steigt der Füllstand der Speicher wieder – auch bei jenen von Gazprom. Doch Kritiker glauben: Die Gasknappheit in Deutschland ist von Russland politisch gewollt.

"Letztendlich liefert Gazprom deutlich weniger Erdgas nach Westeuropa und Deutschland, um die Inbetriebnahme der Nord Stream 2 zeitnah zu erzwingen", sagt Oliver Krischer, Fraktionsvize der Grünen im Bundestag, t-online. "Das muss die amtierende Bundesregierung ansprechen und auf die Einhaltung der deutschen und europäischen Regelungen pochen."

Auch mehrere Dutzend EU-Abgeordnete äußerten den Verdacht, die Energiegroßmacht Russland manipuliere den Markt bewusst. Kreml wie Gazprom bestreiten das. Stattdessen lautet der Vorwurf Russlands, die EU habe es versäumt, nach dem letzten kalten Winter ihre Gasspeicher rechtzeitig wieder aufzufüllen.

Tatsächlich kommen eine Reihe von Gründen infrage, warum die Speicher derzeit schlechter gefüllt sind als üblich. So kam es über den Sommer zu Ausfällen und Wartungsarbeiten an der europäischen Gas-Infrastruktur, die Niederlande lassen ihre Erdgasproduktion auslaufen und womöglich scheuten sich auch einige Unternehmen, angesichts der hohen Preise viel Gas auf Vorrat zu kaufen.

Teures Gas dürfte Russland gelegen kommen

Dass Gas derzeit so teuer ist wie lange nicht, dürfte Gazprom in die Karten spielen, glaubt Grünen-Fraktionsvize Krischer. Denn der russische Staatskonzern brauche gute Argumente, um die umstrittene Ostseepipeline Nord Stream 2 in Betrieb nehmen zu können.

Die ist nämlich noch nicht endgültig genehmigt – und könnte daran scheitern, dass Gazprom sie nicht von einem unabhängigen Dritten betreiben lassen will, wie es die EU-Gesetzgebung eigentlich vorsieht, sondern von einer eigenen Tochterfirma. "Es ist höchst fragwürdig, ob die EU-Kommission sich darauf einlässt", sagt Krischer. Allerdings: Nord Stream 2 hat einen entscheidenden Vorteil.

"Die Energiepreise würden zwangsläufig einbrechen, weil dann mit einem Schlag große Mengen zurückgehaltenes Gas auf den Markt kommen", erklärt Krischer. "Dann könnte man auch die Speicher vernünftig für den Winter befüllen. Das hört sich ziemlich wild an, ist aber eine schlüssige Erklärung, warum Russland nicht liefert."

Gaspreise steigen wohl noch weiter

Ob wahr oder nicht – die Abhängigkeit Deutschlands ist aus Sicht des Grünen-Politikers definitiv zu groß. "Im Wärmebereich müssen wir schleunigst vom Gas wegkommen." Die Alternative, ein starker Ausbau der erneuerbaren Energien, sei mittelfristig auch gut fürs Portemonnaie der Verbraucher.

Bisher bekommen es diese jedoch weiter mit Rekordwerten zu tun: Nach Angaben des Vergleichsportals Verivox lagen die Gaskosten für einen Musterhaushalt mit einem Jahresverbrauch von 20.000 Kilowattstunden im Oktober bei 1.402 Euro – gut 28 Prozent mehr als im Vorjahresmonat. Und kein Ende in Sicht.

"Angesichts der hohen internationalen Rohstoffpreise und dem steigenden CO2-Preis wird dieser Trend mittelfristig weiter anhalten", sagt Verivox-Energieexperte Thorsten Storck. Der CO2-Preis fürs Heizen und im Verkehr beträgt derzeit 25 Euro pro Tonne CO2 und steigt mit dem Jahreswechsel auf 30 Euro.

Der Verbraucherzentrale Bundesverband fordert, die Einnahmen aus dem CO2-Preis auf Öl und Gas vollständig an die Bürger zurückzuerstatten. Schlecht stehen die Chancen dafür nicht: Auch in den Wahlprogrammen der möglichen Ampelkoalitionäre findet sich die Idee eines sozialen Ausgleichs.

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