Der Gesprächspartner muss auf jede unserer Fragen antworten. Anschließend bekommt er seine Antworten vorgelegt und kann sie autorisieren.
Zum journalistischen Leitbild von t-online.Alexander Kekulé und Jonas Schmidt-Chanasit Virologen warnen vor diesen Viren

Dengue, West-Nil, Chikungunya – nahezu jeden Tag gibt es Viruswarnungen. Doch wie gefährlich sind die Erreger? t-online fragt die Virologen Alexander Kekulé und Jonas Schmidt-Chanasit.
Regelmäßig ist von Virusausbrüchen zu lesen. So meldete Italien jüngst vier Tote nach einer Infektion mit dem West-Nil-Virus. Die WHO warnte vor Kurzem vor der Ausbreitung des Chikungunyavirus, das bereits in 119 Ländern nachgewiesen wurde und somit 5,6 Milliarden Menschen gefährdet.
Auch das Vogelgrippevirus H5N1 stiftet weltweit Unruhe. Es ist bereits auf viele Tierarten übergesprungen, in den USA wurde es sogar bei 70 Menschen nachgewiesen. In Deutschland hat nun die Ständige Impfkommission (Stiko) deswegen ihre Empfehlungen zur Impfung gegen das Virus erneuert.
Die Stiko empfiehlt die Impfung Menschen mit engem Kontakt zu Tieren, denn dadurch könne verhindert werden, dass sich Menschen gleichzeitig mit einem menschlichen und einem tierischen Grippevirus infizieren und damit eine Mensch-zu-Mensch-Übertragung wahrscheinlicher wird. Einige Experten mahnen inzwischen, das Vogelgrippevirus hätte das Potenzial, die nächste Pandemie auszulösen. Wie groß ist die Gefahr, die von diesem und anderen Viren ausgeht, tatsächlich? t-online hat die beiden Virologen Alexander Kekulé und Jonas Schmidt-Chanasit gefragt.
Wie gefährlich kann die Vogelgrippe werden?
Die Virologen Alexander Kekulé und Jonas Schmidt-Chanasit mahnen zur Besonnenheit. Schließlich sei das Virus seit fast 30 Jahren bekannt – aber bislang sei es nie zu Übertragungen von Mensch zu Mensch gekommen, sagt etwa Kekulé. Die massiven Ausbrüche bei Vögeln, Milchkühen und anderen Tierarten in den USA beruhten auf Kontaktinfektionen. "Um für den Menschen wirklich gefährlich zu werden, müsste das Virus fliegen lernen, das heißt, sich über die Luft verbreiten." Weil ihm das aber bislang nicht gelungen ist, vermutet Kekulé, "dass H5N1 das nicht durch eine normale Mutation schaffen kann, sonst wäre es längst passiert."
Schmidt-Chanasit weist zudem darauf hin, dass für den unwahrscheinlichen Fall einer Übertragung von Mensch zu Mensch es ja die bereits vorhandenen Impfstoffe gebe. Diese könnten eine größere Ausbreitung verhindern.

Zur Person
Professor Jonas Schmidt-Chanasit ist Virologe an der Universität Hamburg. Er wurde durch seine medialen Auftritte während der Ebola- und Zika-Ausbrüche sowie der Covid-19-Pandemie bekannt.

Zur Person
Dr. Alexander Kekulé ist Facharzt für Virologie, Mikrobiologie und Infektionsepidemiologie und war Berater der Bundesregierung für Seuchenbekämpfung. Als Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie der Universität Halle ist er zum 30. September 2024 in den regulären Ruhestand gegangen. In der Pandemie wurde er durch seine Talkshow-Auftritte und seinen Podcast beim MDR bekannt.
West-Nil-Virus auch in Deutschland
Das West-Nil-Virus wird seit Jahren in Europa beobachtet. Vor allem in den Sommermonaten werden in bestimmten Regionen, darunter Norditalien und Nordgriechenland, vermehrt Fälle registriert.
Das West-Nil-Virus wird durch Stechmücken übertragen, die auch in Deutschland heimisch sind, insbesondere durch die Gemeine Stechmücke (Culex pipiens). Das ist ein wichtiger Unterschied zu anderen exotischen Viren wie Dengue oder Chikungunya, die meist durch die Asiatische Tigermücke übertragen werden. Diese invasive Art breitet sich infolge des Klimawandels zunehmend auch in Deutschland aus. Welche Regionen betroffen sind, ist auf einer Karte auf der Webseite des Friedrich-Loeffler-Instituts zu sehen.
Schmidt-Chanasit rät allen, die sich in einer dieser Regionen aufhalten, besonders auf konsequenten Mückenschutz zu achten. Allerdings besteht auch hier kein Grund zur Überdramatisierung, so Kekulé. Für die allermeisten Infizierten verlaufe die Infektion mild oder sogar unbemerkt. Gefährlich könne es jedoch für ältere Menschen und Personen mit bestimmten Vorerkrankungen werden, da es in seltenen Fällen zu schweren neurologischen Komplikationen kommen könne. "Ärzte sollten sich auch hierzulande informieren, woran man die Krankheit erkennt und wie man sie behandelt", rät Kekulé deshalb.
Polio-Viren im Abwasser
Polio-Viren sind hochinfektiös und können bei Ungeimpften Kinderlähmung auslösen. In den vergangenen Jahrzehnten gab es enorme Erfolge in der Virusbekämpfung. Der Poliovirus-Typ 2 wurde durch Impfungen bereits ausgerottet. Auch gegen die Typen 1 und 3 gibt es Impfstoffe. Doch aktuell breiten sich in einigen afrikanischen Ländern die Viren wieder vermehrt aus. Das liegt laut Kekulé an Impfkampagnen der WHO. Dabei seien abgeschwächte Viren eingesetzt worden, die mutierten. Diese breiten sich dort nun aus.
"Obwohl diese Gefahr bekannt war, hat man aus solchen Ländern Geflüchtete nicht systematisch auf Polio untersucht", kritisiert Kekulé. So erkläre sich, warum in Deutschland seit einiger Zeit Polio-Viren im Abwasser gefunden werden. "Meines Erachtens besteht hier weiterhin dringender Handlungsbedarf", sagt Kekulé. Schmidt-Chanasit rät zudem: "Lassen Sie Ihren Impfschutz überprüfen und bei Bedarf auffrischen."
Dengue, Chikungunyafieber oder Oropouche
Gegen Dengue und Chikungunya gibt es Impfungen, die als Reiseimpfungen für bestimmte Risikogruppen empfohlen werden. Dass sie uns gefährlich werden könnten, glauben die Virologen jedoch nicht. Sie raten zu Gelassenheit. Kekulé sieht "keine Anzeichen dafür, dass sich solche Erreger in Deutschland verbreiten. Als Normalbürger kann man sich darauf verlassen, dass das Robert Koch-Institut und andere Fachleute rechtzeitig warnen werden, falls wirklich einmal eine vollkommen neue Infektionserkrankung bei uns gefährlich wird."
Dennoch hat Schmidt-Chanasit eine Empfehlung: Personen, die aus Regionen zurückkehrten, in denen Dengue- oder Chikungunya-Fieber verbreitet sind, beispielsweise in Südostasien oder Südamerika, sollten in den ersten zwei Wochen nach der Rückkehr konsequent Mückenschutz betreiben. In dieser Zeit können sie das Virus selbst im Blut tragen. Werden sie hier von heimischen Mücken gestochen, kann es theoretisch zu lokalen Virusübertragungen kommen.
Das Bornavirus und die Spitzmaus
Das größte Kopfzerbrechen bereitet dem Virologen Schmidt-Chanasit – nach eigener Aussage – das Bornavirus. Zwar ist die Zahl der bekannten Fälle gering. Meist werden nur wenige pro Jahr bekannt, insbesondere in Bayern. Aber bislang gibt es weder Impfstoff noch eine wirksame Therapie. Eine Infektion verläuft bislang ausnahmslos tödlich.
Die Symptome ähneln dabei denen der Tollwut, da beide Viren eine schwere Gehirnentzündung (Enzephalitis) auslösen können. "Besonders beunruhigend am Bornavirus ist, dass der genaue Übertragungsweg nicht vollständig geklärt ist", sagt Schmidt-Chanasit. Als Wirt gilt die Feldspitzmaus, bei der das Virus nachgewiesen wurde. "Diese Tiere sollten auf keinen Fall berührt werden, und wenn doch einmal Katzen Spitzmäuse mit ins Haus bringen, dann sollten ähnliche Schutzmaßnahmen bei der Entsorgung der Mäuse berücksichtigt werden." Katzen können sich mit dem Virus infizieren, sind aber sogenannte Fehlwirte. Sie können sich infizieren, sind aber kein Überträger.
Droht eine Rückkehr der Masern?
In den USA und auch in Kanada häufen sich derzeit die Masern-Ausbrüche. Kekulé macht dafür eine zunehmende Ablehnung gegenüber Impfstoffen im Allgemeinen, einschließlich der im Kindesalter empfohlenen Schutzimpfungen, verantwortlich. Diese sei seit der Debatte um die Impfpflicht gegen das Coronavirus Covid-19 zu beobachten. Bei Ungeimpften sind die Masern mitunter lebensgefährlich und schädigen zudem das Immunsystem. "Meine Befürchtung ist, dass es auch bei uns zu einer deutlichen Zunahme der Maserninfektionen kommen wird", sagt Kekulé.
Abgesehen von der gesundheitlichen Gefahr hätte das aufgrund der dann nötigen Quarantänemaßnahmen erhebliche Konsequenzen für die Betroffenen und ihre Umgebung. "Wir sollten deshalb versuchen, die 'Impfmuffel' in unserem persönlichen Umfeld davon zu überzeugen, dass der seit Jahrzehnten erprobte Impfstoff gegen Masern, Mumps und Röteln nicht vergleichbar ist mit den neuen mRNA-Impfstoffen, gegen die es mitunter Vorbehalte gibt." Zudem schütze die MMR-Impfung auch vor Ansteckung. "Man impft sich deshalb auch für seine Mitmenschen, etwa für Neugeborene, die noch keinen Schutz gegen Masern haben", mahnt Kekulé.
- Interviews mit Alexander Kekulé und Jonas Schmidt-Chanasit
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.