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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Außenminister Wadephul am Golf Die Ereignisse überschlagen sich

Der Iran und Israel überziehen sich gegenseitig mit Angriffen. Außenminister Wadephul muss seine Reisepläne umwerfen und versucht auf einer spontanen Golfreise, die Eskalation einzudämmen. Doch Deutschlands Einfluss ist begrenzt.
Aus Kairo, Riad und Doha berichtet Patrick Diekmann.
Plötzlich hat sich alles verändert. Eigentlich wollte Außenminister Johann Wadephul am Samstagnachmittag in der syrischen Hauptstadt Damaskus sein. Anschließend waren Gespräche in Jordanien, dem Libanon und in Israel geplant. Doch das alles wurde nichts, die Pläne des CDU-Politikers mussten angepasst werden.
Nach dem israelischen Angriff auf den Iran in der Nacht zu Freitag überziehen sich beide Länder gegenseitig mit Wellen neuer Raketen- und Drohnenangriffe. Beide Seiten sind am Wochenende unter Beschuss, es herrscht Dauerfeuer – und die Gewaltspirale dreht sich immer weiter.
Wadephul hat nicht nur seine Reisepläne im Nahen Osten verändert, sondern er musste angesichts der Ereignisse auch seinen politischen Kurs nachjustieren. Nun geht es darum, einen drohenden Flächenbrand zu verhindern, damit die Region nicht völlig im Chaos versinkt. Dafür findet Deutschland internationale Verbündete. Aber in der Golfregion wird auch klar, wie groß der Schock und die Plan- und Hilfslosigkeit sind.
Überrascht und schockiert
Der Schrecken kam in der Nacht. Wadephul wurde Freitag am frühen Morgen von einem engen Mitarbeiter geweckt und über den israelischen Angriff informiert. Die Bundesregierung wurde – wie viele andere Staaten auch – von dem Angriff überrascht. Kurz danach rief der israelische Außenminister Gideon Saar Wadephul an, informierte ihn über den Beginn der Angriffe. Da lief die israelische Operation bereits.
Für den deutschen Außenminister begann der Morgen in Kairo mit einem komplizierten Spagat. Einerseits gab es viele Schalten mit Berlin: Gespräche im Sicherheitskabinett, Briefings im Krisenstab, persönliche Abstimmungen mit Kanzler Friedrich Merz. Andererseits musste Wadephul seine Nahostreise umplanen. Nachdem der Iran mit eigenen Schlägen auf die israelischen Angriffe reagiert hatte, sperrten einige Staaten in der Region ihre Lufträume. Angesichts der Lage war es zudem schlichtweg zu unsicher, am Freitag aus Ägypten in den Libanon zu reisen.
Deshalb mussten alle Pläne über den Haufen geworfen werden.
Dennoch entschied der Außenminister, nicht zurück nach Deutschland zu reisen. Immerhin war er bereits seit Donnerstagabend im Nahen Osten – und somit näher dran als viele seiner EU-Amtskollegen. Er konnte für Deutschland und seine Verbündeten Gespräche führen und dann im Anschluss berichten. Es ging nun darum, bestehende Kontakte zu nutzen und neue aufzubauen. Für Wadephul war die Situation demnach auch eine Gelegenheit und zugleich eine Bewährungsprobe.
Dauerhaft im Krisenmodus
Die Wahl fiel auf die Golfregion. Wadephul reiste noch am Freitagabend zunächst nach Saudi-Arabien, danach sollte es nach Katar gehen. So konnte er in der Region bleiben und mit Vertretern von Staaten sprechen, deren Sicherheit von der Konfrontation zwischen Israel und dem Iran direkt gefährdet ist. Trotz der kurzfristigen Planung ergab sich eine Chance. Immerhin hatten der französische Präsident Emmanuel Macron und Saudi-Arabien die UN-Konferenz für eine Zweistaatenlösung in Nahost kurzfristig abgesagt, die kommenden Dienstag in New York beginnen sollte. Plötzlich hatten nun auch einige Vertreter von Golfstaaten Lücken in ihren Terminkalendern, die bereits am Wochenende in die USA reisen wollten.
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Wadephul zog damit seine Antrittsbesuche in Saudi-Arabien und Katar vor und flog Freitagnacht in Richtung der saudischen Hauptstadt Riad. Ziel war es, mit seinem saudi-arabischen Amtskollegen Faisal bin Farhan über Saudi-Arabiens Perspektive auf den Konflikt mit dem Iran und über den Krieg im Gazastreifen zu sprechen. Der deutsche Außenminister ist erst seit fünf Wochen im Amt. Viele internationale Akteure trifft er erstmals persönlich. Wadephul sieht darin für sich eine erfüllende, aber auch herausfordernde Arbeit. Er ist von Beginn an im Krisenmodus.
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Das zeigte sich auch am Samstag in Riad. Die Kämpfe waren in der Nacht weitergegangen. Der Iran und Israel nehmen sich auch tagsüber fortwährend unter Beschuss. Zivilisten sterben, mehr im Iran, aber auch in Israel. Es gibt nur wenig Anzeichen für ein Ende der Gewalt, im Gegenteil: Die Ereignisse überschlagen sich weiterhin, und der Konflikt wird im Laufe des Tages immer heißer. Israels Verteidigungsminister Israel Katz droht schließlich: Wenn das iranische Regime nicht mit dem Raketenbeschuss aufhöre, werde Teheran "brennen". Nach weiteren Angriffen bestätigt er später: "Teheran brennt."
Wadephul passt Kurs an
In Riad wird der CDU-Politiker am Samstag im saudi-arabischen Außenministerium königlich empfangen. Ein Essen mit mehreren Gängen, Silberbesteck, Bedienstete servieren mit weißen Handschuhen große Teller und kümmern sich um die Gäste aus Deutschland. Drumherum passen Männer in traditioneller Tracht darauf auf, dass niemand dort steht, wo er nicht stehen sollte. Die Regeln sind streng. Überall hängen Bilder des saudi-arabischen Königs, Salman bin Abdulaziz.
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Für Saudi-Arabien ist die gegenwärtige Lage brandgefährlich. Das Königshaus inszeniert sich international als Akteur, der nach Vernunft strebt. Einerseits möchten die Saudis nicht, dass der Iran Nuklearwaffen besitzt. Andererseits verurteilen sie die israelischen Angriffe auf das Land und seit über zwei Jahren die israelische Kriegsführung im Gazastreifen und in der Region. Denn ein Großteil der arabischen Welt macht den israelischen Premier Benjamin Netanjahu für Zehntausende tote Zivilisten im Gazastreifen verantwortlich. Und viele arabische Länder sind wütend, dass Israel überall in der Region Angriffe fliegt, ohne auf die staatliche Souveränität der jeweiligen Staaten Rücksicht zu nehmen.
Das bringt Deutschland in die Zwickmühle. Man ist zwar ein enger Verbündeter des israelischen Staates, aber gleichwohl auch der Einhaltung von internationalem Recht verpflichtet – was Netanjahu wahrscheinlich bricht.
Dementsprechend musste auch Wadephul seinen Kurs in den vergangenen Wochen oft geringfügig anpassen. Zunächst kritisierte er im politischen Fahrwasser von Kanzler Merz, dass die israelische Führung keine Hilfslieferungen nach Gaza hineinließ und drohte Israel sogar mit Konsequenzen. Das wurde als neuer Ton der Bundesregierung gewertet, eine Akzentverschiebung, die auch in der Golfregion registriert wurde.
"Zuspitzung der Lage hätte unkalkulierbare Folgen"
Nach dem israelischen Angriff auf den Iran stellte sich der Außenminister jedoch hinter die israelische Regierung. Noch in Kairo mahnte er zwar Israel und den Iran zur Deeskalation und zu einer Rückkehr an den Verhandlungstisch, aber er erklärte auch, dass Israel das Recht zur Selbstverteidigung habe. "Das darf es ausüben", bekräftigte der Außenminister. In den ARD-"Tagesthemen" sagte er: "Ich gehe nicht davon aus, dass es die Intention Israels ist, dieses Regime zu stürzen."
Doch genau das werfen Kritiker Netanjahu vor. Denn die israelische Armee nimmt im Iran eben nicht nur das Atomprogramm oder Atomwissenschaftler ins Visier. Auch der Kommandeur der iranischen Revolutionsgarden, Hussein Salami, und Generalstabschef Mohammed Bagheri wurden durch gezielte Angriffe getötet. Darüber hinaus schaltete Israel die iranische Luftverteidigung aus, griff auch Öldepots an.
Vieles sieht nach einem Krieg aus, nach einem Enthauptungsschlag, nicht nach einem gezielten Schlag gegen das iranische Atomprogramm. Kritiker werfen Netanjahu vor, einen Flächenbrand in der Region auslösen zu wollen, in dem er die USA mit in den Konflikt hineinzieht, um damit das Mullah-Regime zu stürzen.
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Wadephul ändert in Saudi-Arabien zwar seine politische Position nicht, aber er setzt in Riad deutlich andere Schwerpunkte. "Ich stehe ja dafür ein, dass wir jetzt deeskalieren und dass wir einen Weg aus einer weiteren militärischen Konfrontation heraus suchen", sagt der CDU-Politiker. "Eine weitere Zuspitzung der Lage hätte unkalkulierbare Folgen. Deswegen möchte ich an alle appellieren: Es ist, wie man oft sagt, noch nicht zu spät."
Chance für eine Deeskalation?
Die Interessen der Bundesregierung sind in diesem Punkt deckungsgleich mit denen von Ländern wie Saudi-Arabien: Deeskalation. Keine atomare Bewaffnung des Iran. Kein Krieg zwischen Israel und dem Iran. Eine Waffenruhe, der Wiederaufbau des Gazastreifens, der in einem politischen Prozess hin zu einer Zweistaatenlösung überführt wird – ohne Beteiligung der Terrororganisation Hamas.
Um diese Ziele zu erreichen, will Wadephul auf die israelische Regierung einwirken. Ob das funktioniert, ist fraglich. Denn bislang hat Netanjahu das genaue Gegenteil umgesetzt. Er eskaliert an allen Fronten, seine Regierung lässt nicht nur den Iran angreifen, sondern benutzt seit Monaten das Aushungern der palästinensischen Zivilbevölkerung in Gaza als Waffe gegen die Hamas. Die Wut vieler Staaten in der Region auf Israel ist deswegen groß, das Risiko eines Flächenbrandes ebenfalls.
Doch Wadephul hofft auch, dass Saudi-Arabien und andere Staaten im Nahen Osten nun auf den Iran und die Hamas einwirken. Die Bitte an seine Gesprächspartner in der Region sei es, Gespräche mit dem Iran zu führen, Deutschland tue dies mit Israel, sagte er in der ARD. Es gehe darum, "herauszufinden, wo ein Kompromiss gefunden werden kann, wo eine Gesprächsbasis auf beiden Seiten vorhanden ist".
Um für diesen Prozess weitere Verbündete zu finden, reist der deutsche Außenminister am Samstagabend weiter nach Katar. Die katarische Führung wurde in der Vergangenheit immer wieder kritisiert, weil sie radikale sunnitische Gruppierungen wie die Hamas oder den IS mitfinanziert und bewaffnet haben soll. Doch damit verfügen die Katarer auch über Gesprächskanäle, die wichtig sind, um eine Chance auf ein Ende der Kämpfe in der Region zu haben. "Wir sind hoffnungsfroh, dass wir in den nächsten Tagen zu einer besseren Situation kommen können", sagt Wadephul in der ARD am Samstagabend.
Woher der Optimismus kommt, ist jedoch unklar. Denn die Zeichen stehen weiter auf Eskalation: In der Nacht zum Sonntag greift die israelische Luftwaffe den Iran mit 70 Kampfflugzeugen an, auch das iranische Verteidigungsministerium in Teheran steht unter Beschuss. Das Mullah-Regime hingegen überspielt auch in dieser Nacht seine militärische Schwäche mit Raketen- und Drohnenangriffen gegen Israel. Während Deutschland und die Golfstaaten sich an diesem Wochenende für Deeskalation einsetzen, spitzt sich der Krieg zwischen Israel und dem Iran weiter zu.
- Begleitung der Golfreise von Außenminister Johann Wadephul