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Evakuierung aus Kabul: Bundeswehr bringt weitere 139 Menschen in Sicherheit


Evakuierung aus Kabul
Bundeswehr bringt weitere 139 Menschen in Sicherheit

Von dpa, aj

Aktualisiert am 18.08.2021Lesedauer: 5 Min.
Menschen aus Kabul in einem Flugzeug der Bundeswehr: Weitere Menschen werden derzeit aus Afghanistan ausgeflogen.Vergrößern des BildesMenschen aus Kabul in einem Flugzeug der Bundeswehr: Weitere Menschen werden derzeit aus Afghanistan ausgeflogen. (Quelle: Bundeswehr)
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Die Evakuierungsaktion der Bundeswehr in Kabul ist angelaufen – unter dramatischen Bedingungen. Die Bundesregierung zieht erste Konsequenzen – und will Gespräche mit den Taliban.

Die Evakuierung von Deutschen und afghanischen Ortskräften aus Kabul kommt auf Touren. In Frankfurt am Main landete am frühen Mittwochmorgen eine Lufthansa-Maschine mit rund 130 Evakuierten. In Kabul startete zudem am Dienstagabend ein dritter Evakuierungsflug mit 139 Menschen an Bord, wie Außenminister Heiko Maas (SPD) mitteilte. Die Maschine landete in der Nacht zum Mittwoch in Taschkent. Bereits am Dienstag waren in Berlin erste evakuierte Mitarbeiter der Botschaft in Kabul angekommen.

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Die Bundeswehr hatte am Dienstag mit einer Luftbrücke zur Rettung von Deutschen und Afghanen begonnen. Mit einem Transportflugzeug wurden 129 Menschen von Kabul in die usbekische Hauptstadt Taschkent geflogen. Von dort ging es mit einem gecharterten Lufthansa-Airbus nach Frankfurt. Die nach dpa-Informationen rund 130 Menschen landeten dort am frühen Mittwochmorgen.

Die militant-islamistischen Taliban hatten Afghanistan in rasantem Tempo unter ihre Kontrolle gebracht und am Sonntag faktisch die Macht in dem Land übernommen. Viele Länder – darunter Deutschland – versuchen so schnell wie möglich eigene Landsleute und Afghanen auszufliegen, die etwa für die Streitkräfte anderer Staaten oder internationale Organisationen tätig waren und nun Racheaktionen der Taliban befürchten.

Dritter Flieger bringt 139 Menschen in Sicherheit

In Kabul startete am Dienstagabend ein dritter Evakuierungsflug der Bundeswehr mit 139 Menschen an Bord. Von Taschkent aus sollen sie am Mittwoch per Lufthansa nach Deutschland gebracht werden. An diesem Mittwoch seien vier weitere Flüge nach Kabul vorgesehen, um einen am Vortag nicht durchgeführten Flug zu kompensieren, teilte die Bundeswehr via Twitter mit. Momentan sei die Flughafenfeuerwehr in Kabul nicht verfügbar.

Am Dienstagabend hatte bereits Außenminister Heiko Maas (SPD) im "heute journal" des ZDF gesagt, eine weitere Maschine stehe bereit. Derzeit seien die Tore am Flughafen aber geschlossen, sobald sie geöffnet seien, werde der Betrieb fortgesetzt. Das Verteidigungsministerium schrieb auf Twitter: "Und wir evakuieren solange es geht weiter."

Erste evakuierte Mitarbeiter der Botschaft in Kabul waren nach dpa-Informationen bereits am Dienstagnachmittag mit einer Linienmaschine auf dem Berliner Flughafen Schönefeld gelandet. In der Nacht zu Montag waren sie unter den ersten 40 deutschen Staatsbürgern, die mit einem US-Flugzeug nach Doha im Golfemirat Katar ausgeflogen worden waren.

Gespräche mit den Taliban

Das Problem sei im Moment, dass die Taliban nur ausländische Staatsbürger zum Flughafen durchließen, teilte Maas weiter mit. Botschafter Markus Potzel sei nach Doha geschickt worden, wo er früher bereits an den Gesprächen zwischen der afghanischen Regierung und den Taliban teilgenommen habe. Er solle in Gesprächen darauf hinwirken, dass auch Ortskräfte zum Flughafen kommen und ausfliegen können, sagte Maas.


Das Land Brandenburg will die Erstaufnahme ankommender afghanischen Ortskräfte übernehmen. Das Innenministerium teilte mit, dass dies dem Bund zugesagt worden sei. Die Bundesregierung geht davon aus, dass die Rückkehr der Taliban an die Macht eine Fluchtbewegung aus dem Land auslösen wird. Mit Blick auf Forderungen, Deutschland solle Flüchtlingskontingente aufnehmen, sagte Kanzlerin Angela Merkel in Berlin: "Bevor man über Kontingente spricht, muss man erst mal über sichere Möglichkeiten für Flüchtlinge in der Nachbarschaft von Afghanistan reden. Dann kann man in einem zweiten Schritt darüber nachdenken, ob besonders betroffene Personen kontrolliert und auch unterstützt nach Europa und in die europäischen Länder kommen."

Die Kanzlerin telefonierte dazu mit UN-Flüchtlingskommissar Filippo Grandi. Außerdem beriet sie die Lage in Afghanistan mit Frankreichs Staatspräsidenten Emmanuel Macron und mit den Regierungschefs von Großbritannien und Italien, Boris Johnson und Mario Draghi. Sie vereinbarten eine enge Zusammenarbeit bei der Evakuierung von europäischen Bürgern und Ortskräften.

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Den Entwurf für den Evakuierungseinsatz der Bundeswehr will das Bundeskabinett am Mittwoch (9.30 Uhr) beschließen. In der kommenden Woche soll der Bundestag entscheiden. Da die Aktion bereits läuft und auf breite Zustimmung stößt, gelten beide Entscheidungen als Formsache – dennoch muss das Parlament einen solchen offiziell neuen Auslandseinsatz nach Ende des Nato-Mandats in dem Land billigen. Der Entwurf, der der Nachrichtenagentur dpa vorliegt, sieht den Einsatz von bis zu 600 Soldaten bis spätestens 30. September vor. Die Zusatzausgaben für die Bundeswehr werden mit 40 Millionen Euro veranschlagt. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich rief in der "Westdeutschen Zeitung" (Mittwoch) die anderen Fraktionen auf, "sich hier nicht zu verweigern".

Keine Entwicklungshilfe mehr von Deutschland

Mit der Lage in Afghanistan wollen sich am Mittwoch auch der Verteidigungsausschuss des Bundestages (13.00 Uhr) und der Auswärtige Ausschuss (11.30 Uhr) befassen. Die Opposition hatte in den vergangenen Tagen die Bundesregierung heftig kritisiert. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) räumten ein, die internationale Gemeinschaft habe die Lage in Afghanistan falsch eingeschätzt und ihre Ziele bei dem Einsatz nicht erreicht. "An dieser Stelle müssen wir einfach konstatieren, dass wir unsere Ziele nicht erreicht haben." Nach der Machtübernahme der Taliban sehe man mit Sorge, "dass das alles jetzt zurückgedreht werden kann", sagte Merkel in einer Pressekonferenz.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier äußerte sich ähnlich: "Das Scheitern unserer jahrelangen Anstrengungen in Afghanistan, ein stabiles, tragfähiges Gemeinwesen aufzubauen, wirft grundlegende Fragen für Vergangenheit und Zukunft unseres außenpolitischen und militärischen Engagements auf." Der frühere Außenminister betonte: "Wir erleben in diesen Tagen eine menschliche Tragödie, für die wir Mitverantwortung tragen, und eine politische Zäsur, die uns erschüttert und die Welt verändern wird."

Mit Blick auf die deutsche Entwicklungshilfe für Afghanistan sagte Merkel, Deutschland habe beim Abzug der Bundeswehr ausdrücklich erklärt, diese nicht sofort einzustellen. Aber: "Unter den jetzt gegebenen Umständen (...) können wir keine Entwicklungshilfe machen." Laut Außenminister Maas haben auch andere Staaten solche Zahlungen gestoppt. "Es gilt, zu überprüfen, wo man humanitär helfen kann", sagte er.

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Afghanistan war bisher Empfängerland Nummer eins. Für dieses Jahr waren 250 Millionen Euro veranschlagt. Davon wurde aber noch kein Euro ausgezahlt. Daneben flossen bisher Gelder aus anderen Ressorts, etwa für humanitäre Hilfe oder Polizeiausbildung. Insgesamt hatte Deutschland für dieses Jahr 430 Millionen Euro zugesagt.

Kramp-Karrenbauer will Bundeswehr-Einsätze überprüfen

Kramp-Karrenbauer will zudem als Konsequenz aus dem Afghanistan-Einsatz die Auslandseinsätze der Bundeswehr überprüfen. "Wir müssen aus diesem Einsatz unsere Lehren ziehen. Deshalb werden wir die anderen Auslandseinsätze der Bundeswehr dahingehend überprüfen, ob wir gut aufgestellt sind und was wir möglicherweise besser machen müssen", sagte die CDU-Politikerin der "Rheinischen Post" (Mittwoch).

Der Transatlantikkoordinator der Bundesregierung, Peter Beyer, sagte der Zeitung: "Wir werden nach einer ehrlichen und selbstkritischen Analyse partnerschaftlich in der EU und mit den USA darüber sprechen müssen, welche Konsequenzen zu ziehen sind."

Grünen-Chef Robert Habeck sagte der "Rheinischen Post", die extreme Geschwindigkeit der Machtübernahme der Taliban sei in dieser Dimension möglicherweise nicht vorhersehbar gewesen. "Aber dass die Lage sich dramatisch verschlechtert und extrem brisant wird, darauf hätte man sich vorbereiten können und müssen", sagte Habeck. Dies gelte für Kanzlerin Angela Merkel (CDU), Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) und die Ministerien Außen, Innen und Verteidigung.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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