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AfD-Skandal: Spitzenkandidaten brachten mutmaßlichen Spion des Kremls in Bundestag


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Polizei vernimmt Spitzenkandidat Krah
AfD-Politiker brachten Putin-Spion in den Bundestag


25.05.2024Lesedauer: 12 Min.
Die AfD-Listenkandidaten 1 und 2 für die Europawahl: Sie stehen im Zentrum der Spionage- und Schmiergeldaffäre, die nun auch Parteifreunde betrifft.Vergrößern des Bildes
Die AfD-Listenkandidaten 1 und 2 für die Europawahl: Sie stehen im Zentrum der Spionage- und Schmiergeldaffäre, die nun auch Parteifreunde betrifft. (Quelle: IMAGO/Panthermedia, Metodi Popow; REUTERS/Matthias Rietschel)
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Skandale um Schmiergeld und Spionage stürzen die AfD im Europawahlkampf ins Umfragetief. Nun stellt sich heraus: Ihre Spitzenkandidaten brachten einen mutmaßlichen Spion des Kremls bis in den Bundestag.

Die AfD ist in Schwierigkeiten: Beide Spitzenkandidaten für die Europawahl sind in Affären um Spionage und Geld aus dem Ausland verwickelt. Ein Assistent von Maximilian Krah sitzt wegen mutmaßlicher geheimdienstlicher Tätigkeit für China in Untersuchungshaft, Zahlungen aus China könnten auch bei Krah gelandet sein.

Gegen Petr Bystron wird bereits wegen Bestechlichkeit ermittelt. Bei ihm besteht der Verdacht, er habe Geld aus Russland erhalten – von einem Netzwerk, mit dem auch Krah enge Kontakte pflegt und zu dem er vom FBI befragt wurde. Gegen Krah werden Ermittlungen noch geprüft. Für beide gilt die Unschuldsvermutung, sie bestreiten jedes Fehlverhalten.

Die Partei aber verliert an Zustimmung und ist im EU-Parlament aufgrund der anhaltenden Schlagzeilen soeben aus der Fraktion ausgeschlossen worden. Nervosität macht sich breit, der Vorstand fürchtet weitere Enthüllungen.

Und nun geraten beide Abgeordneten weiter in Bedrängnis: Nach Recherchen von t-online verschafften sie einem zweiten Spionageverdächtigen nicht nur zum Europäischen Parlament Zutritt, sondern auch zum Bundestag.

Es geht um Janusz Niedźwiecki. Der Pole sitzt in polnischer Untersuchungshaft, weil er für den russischen Geheimdienst gearbeitet haben soll. Im Februar erhob die Staatsanwaltschaft Anklage. Ihm drohen 15 Jahre Haft. Er beteuert seine Unschuld. Er sei ein "politischer Gefangener", ließ er über einen von ihm gegründeten Verein verlauten.

Was den Fall für die AfD noch brisanter macht: Über Jahre arbeitete Niedźwiecki mit dem Einflussnetzwerk des putintreuen Oligarchen Wiktor Medwedtschuk zusammen, von dem Bystron bündelweise Geldscheine bei konspirativen Treffen erhalten haben soll. Krah und Bystron ermöglichten es Niedźwiecki nachweislich, in den Parlamenten Lobbyarbeit für Medwedtschuk zu betreiben. Ausgerechnet ein weiterer Assistent von Krah zog offenbar dafür die Strippen.

Mittlerweile sind US-amerikanische, polnische, tschechische und deutsche Ermittlungsbehörden mit dem Komplex befasst. Weitere AfD-Politiker der Partei könnten erneut in den Sog der Affäre geraten. Mehrere wurden laut Informationen von t-online bereits im Zuge der Ermittlungen befragt – darunter auch Spitzenkandidat Krah.

1) Januszs Reisen

Der Pole Niedźwiecki war bis zu seiner Verhaftung im Mai 2021 über mehrere Jahre als pro-russischer Lobbyist bekannt: Eine ausführliche und gut dokumentierte Fallstudie hat ihm der Politikwissenschaftler Anton Schechowzow gewidmet. Niedźwiecki organisierte demnach vermeintliche Wahlbeobachtungsmissionen nach Russland, Aserbaidschan und in kremltreue Separatistengebiete. Unfreie Wahlen sollten so wie legitime demokratische Prozesse erscheinen.

Er übernahm dabei die Rolle eines früheren Weggefährten, der ebenfalls seit Jahren unter Verdacht der Spionage für Russland und China steht: Mateusz Piskorski.

Piskorski war 2016 in Polen verhaftet und 2018 angeklagt worden. t-online berichtete damals ausführlich über seine Nähe zu AfD-Politikern, die er gemeinsam mit dem rechten Publizisten Manuel Ochsenreiter suchte. Der wiederum arbeitete beim AfD-Abgeordneten Markus Frohnmaier im Bundestag, stand schließlich sogar unter Verdacht, einen Anschlag in der Ukraine orchestriert zu haben, wie t-online aufdeckte. Vor den Ermittlungen floh er nach Moskau, wo er überraschend starb.

Die strafrechtlichen Probleme des Duos Piskorski-Ochsenreiter eröffneten Niedźwiecki, der bis dahin eher in zweiter Reihe für Piskorski die Reisen koordiniert hatte, neue Möglichkeiten: Er gründete wie seine Vorgänger einen Verein für Wahlbeobachtungen und übernahm bei diesen fortan selbst eine Führungsrolle. Teilnehmer dieser Reisen bestätigten t-online, sie seien über den von Niedźwiecki gegründeten Verein eingeladen worden.

Die nationale Staatsanwaltschaft in Warschau wirft Niedźwiecki vermutlich deswegen vor, seine Aktivitäten für Russland "nach der Festnahme seines Kollegen wegen Spionagevorwürfen" noch verstärkt zu haben. "Im Auftrag von Mitarbeitern des russischen Geheimdienstes" habe er fortan "Kontakte zu polnischen und ausländischen Politikern" hergestellt, "darunter auch zu denen, die im Europäischen Parlament tätig waren".

Er habe die Politiker an Propaganda, Desinformation und politischen Provokationen beteiligt, die Polen und die EU schwächen sollten, heißt es weiter. Für erledigte Aufträge habe er jeweils Barzahlungen erhalten. Bei Durchsuchungen seien rund 70.000 Euro sichergestellt worden. Die polnische Zeitung "Gazeta Wyborcza" schreibt: Unter anderem fanden die Ermittler Geldscheinbündel mit der Banderole einer russischen Bank. Besonders oft habe er Bargeld aus der Ukraine mitgebracht.

Diese Details machen den Fall für die AfD zu einer schweren Belastung: Nicht nur steht Niedźwiecki in Verbindung mit früheren Spionagefällen um die AfD. Nicht nur erhielt er über Spitzenkandidat Krah Zutritt zum EU-Parlament, wo er laut Anklage für den russischen Geheimdienst tätig wurde. Seine engsten Kooperationspartner waren genau diejenigen, die auch im Verdacht stehen, hinter mutmaßlichen Bestechungsgeldern an Petr Bystron und andere Politiker zu stehen.

2) Der Oligarch und seine Helfer

Für die Wahlbeobachtungen in der Ukraine und in den russisch besetzten Gebieten arbeitete Niedźwiecki der Studie des Politologen Schechowzow zufolge schon seit 2016 mehrfach mit der pro-russischen Opposition der Ukraine zusammen. Diese kämpfte schon seit 20 Jahren für einen größeren Einfluss des Kremls in dem Staat. Namentlich: dem Netzwerk des Oligarchen Wiktor Medwedtschuk, der seit Jahrzehnten mit Putin befreundet ist.

Gerüchte besagen: Der Oligarch sollte eine wichtige Rolle in einer Marionettenregierung einnehmen, wäre Russland nach seiner Invasion 2022 die Einnahme der Hauptstadt Kiew gelungen. Heute gelten Sanktionen für Medwedtschuk ebenso wie für seine engsten Vertrauten, zum Teil wird gegen sie in der Ukraine wegen Hochverrats ermittelt.

Zuvor war Medwedtschuk über mehrere Jahre einer der einflussreicheren Oppositionspolitiker in der Ukraine. Er half dem pro-russischen und korrupten Präsidenten Wiktor Janukowitsch. Nach dem Sturz des Regimes 2014 unterstützte er die russische Besatzung der Krim. Über mehrere von ihm kontrollierte TV-Sender agitierte er weiter für die Annäherung an den Kreml. Spätestens seit 2018 lotste auch Niedźwiecki europäische Politiker zu den Fernsehsendern.

US-Behörden bezeichnen Drahtzieher dieser Sender offen als "Schachfiguren des FSB". Einer von ihnen ist Oleg Voloshin, der Mitte 2019 auch für Medwedtschuks Partei ins ukrainische Parlament einzog. Schon damals galt er als Vollstrecker von Medwedtschuks Lobbyarbeit in der Europäischen Union. Wichtiger Kontaktmann dafür war offenbar Janusz Niedźwiecki, mit dem er bereits für sogenannte Wahlbeobachtungen zusammengearbeitet hatte.

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Und Mitte 2019 begann auch der erste dokumentierte Kontakt des Duos Voloshin-Niedźwiecki zum heutigen AfD-Spitzenkandidaten Krah, der gerade erst ins Parlament eingezogen war. Wie gelangten die Männer damals in seine Nähe?

3) Operation Europa

Möglicherweise begann alles im Frühjahr 2019 auf einem Kongress im italienischen Verona, finanziert von russischen Oligarchen, die rechtskonservative Katholiken und Putinfreunde um sich scharen. Dort soll Krah einen Mann namens Guillaume Pradoura kennengelernt haben, den er wenige Monate später nach seinem Einzug ins EU-Parlament als ersten Assistenten in seinem Büro anstellen lässt. So schildern es t-online mehrere voneinander unabhängige Quellen, Krah hingegen sagt, Pradoura sei ihm aus der ID-Fraktion empfohlen worden.

Für solch eine Empfehlung kämen vermutlich nur wenige Abgeordnete infrage: Pradoura war damals als Mitarbeiter in der Delegation der französischen Rassemblement National (RN) nach einem Antisemitismus-Skandal und Beschwerden über seine Arbeitsweise in Ungnade gefallen und hinausgeschmissen worden. Quellen im EU-Parlament schildern ihn als Strippenzieher mit "sehr, sehr vielen drittklassigen Visitenkarten", der sich als "großer Kommunikator und Matchmaker" verstehe – hauptsächlich zu pro-russischen Akteuren, denn er sei "ein eurasischer Ideologe" wie auch die Oligarchen hinter dem Kongress in Verona. Pradoura selbst wollte sich auf Anfrage nicht äußern.

Aus seiner Verehrung für Putin macht er damals aber kein Geheimnis: Häufig beginne er auf den Fluren des Parlaments mit anderen Mitarbeitern unvermittelt Gespräche über Russland und halte lange Vorträge über die vermeintlich verfehlte europäische Sicht auf Putin, heißt es. Wegbegleiter beschreiben ihn als "Überzeugungstäter" – ganz ähnlich wie Niedźwiecki.

Als bekannt wird, dass Krah seinen neuen Bekannten künftig in seinem Büro beschäftigen will, intervenieren die Franzosen laut mehreren Quellen in der Fraktion, warnen die deutsche Delegation angeblich vehement vor der Personalie. Der damalige AfD-Chef und Leiter der AfD-Delegation in Brüssel, Jörg Meuthen, spricht demnach sogar mit dem heutigen Spitzenkandidaten persönlich, um die Anstellung zu verhindern – eine Darstellung, die Krah bestreitet.

Doch so oder so: Sobald Krah ins EU-Parlament einzieht, wird Pradoura im Juli 2019 sein Assistent, an dem er über dreieinhalb Jahre trotz starken Gegenwinds festhält. Liegt das an seinem Freund Voloshin? Zu dem hat Krah nämlich schnell ein durchaus inniges Verhältnis entwickelt: In St. Petersburg trifft er ihn beim dortigen Dresdner Opernball im August, ein dreiviertel Jahr später reist er zu ihm nach Kiew.

Und gemeinsam mit Krahs Büro verfolgt Medwedtschuks Mann für die internationalen Beziehungen Pläne im Parlament und darüber hinaus.

Glaubt man der heutigen Darstellung des AfD-Spitzenkandidaten, ist es Pradoura, auf dessen Initiative hin Krah für den heute spionageverdächtigen Niedźwiecki eine dauerhafte Zutrittsberechtigung für das EU-Parlament ausstellen lässt. "Im Nachhinein betrachtet, hätte ich dagegen einschreiten müssen", sagt Krah t-online. Pradoura sei mit Niedźwiecki befreundet und habe ihn als "Experte für Ost- und Mitteleuropa vorgestellt". Krah selbst habe ihn "vielleicht ein paar Mal getroffen, jeweils kurz".

Kurz: Von Niedźwieckis Aktivitäten will er selbst nichts mitbekommen haben, auch wenn sie sich durchaus im direkten Umfeld seiner eigenen politischen Arbeit abspielten.

Denn mit der Zutrittsberechtigung beginnt Niedźwiecki gemeinsam mit Krahs Freund Voloshin für Medwedtschuk zu lobbyieren. Und immer wieder sind Krahs Büro, Krahs Assistent oder sogar Krah selbst beteiligt.

Medwedtschuk nämlich ist 2019 zu innenpolitischen Zwecken auf großer Tour im Ausland: Abstecher macht er nach Straßburg ins EU-Parlament, nach St. Petersburg zu Putin, nach Paris und schließlich nach Berlin – angeblich um ein Verhandlungsformat für den seit 2014 in der Ukraine andauernden Krieg mit Russland in den Parlamenten aufzubauen. Außer einigen politischen Hinterbänklern interessiert sich niemand so recht dafür. Zu Hause in der Ukraine lässt der Oligarch aber seine Initiative auf seinen Sendern als großen außenpolitischen Erfolg feiern.

Dass er das kann – dafür sorgen Krah, Bystron, Pradoura und Niedźwiecki, wie Recherchen von t-online zeigen. Niedźwiecki proklamiert über seinen Verein sogar ganz offiziell, alle Veranstaltungen organisatorisch unterstützt zu haben.

Der Auftakt der großen PR-Offensive für Medwedtschuks Wahlkampf zu Hause findet am 17. Juli 2019 in Straßburg statt – einen Tag, nachdem Krah erstmals als Abgeordneter im Parlament sitzt, zwei Wochen, nachdem er Pradoura angestellt hat. Und vier Tage vor der Parlamentswahl in der Ukraine, bei der Medwedtschuk nach fast 20 Jahren mit seiner neuen Partei erstmals wieder ein Mandat erringen will.

Das kleine Event im Europaparlament löst in der Heimat einen Eklat aus, denn Putins Freund Medwedtschuk ist damals noch nicht mal Abgeordneter, geschweige denn mit außenpolitischen Verhandlungen betraut. Seine Sender aber übertragen das scheinbar gewichtige Treffen mit den europäischen Politikern live in Sondersendungen.

Mit auf dem Podium des kleinen Events im Europaparlament sitzt Maximilian Krah, der angibt, Medwedtschuk und Voloshin dort das erste Mal begegnet zu sein. "Ich wurde eingeladen und ging hin", sagt er t-online. Seiner Erinnerung nach seien weder sein Assistent, noch Niedźwiecki an der Anbahnung beteiligt gewesen. Trotzdem teilt man in der Runde auffällige Kontakte.

Pradouras französischer Ex-Arbeitgeber Nicolas Bay, mit dem er auf die russisch besetzte Krim fuhr, sitzt mit am Tisch. Der britische UKIP-Abgeordnete Nathan Gill reiste mit Niedźwieckis Verein unter anderem zweimal in die Ukraine. Die lettische Abgeordnete Tatjana Ždanoka organisierte schon Jahre zuvor ein Forum im EU-Parlament, an dem Niedźwiecki teilnahm. Sie wird Stand heute verdächtigt, seit mindestens 2004 mit dem russischen Geheimdienst zusammenzuarbeiten.

Im September 2019 verfasst Niedźwiecki dann mit seinem Wahlbeobachtungsverein und den Medwedtschuk-Sendern, bei denen Voloshin arbeitet, einen vermeintlich unabhängigen Bericht über vermeintliche Zensur in der Ukraine, mit dem er unter EU-Abgeordneten hausieren geht. Im Dezember veranstaltet er dazu ein Event mit Voloshin im Parlament in Straßburg.

Schon bald danach, im Januar 2020, organisieren Pradoura und Voloshin im französischen Parlament ein Treffen von Abgeordneten mit Medwedtschuk, wo er erneut seinen "Friedensplan für die Ukraine" vorstellen will. Und vier Tage später reist der Oligarch mit Voloshin in derselben Sache nach Berlin, wo er auf Einladung von Bystron AfD-Abgeordnete im Bundestag trifft.

Dort stolziert Medwedtschuk freudestrahlend einem kleinen Empfangskomitee vor dem Fraktionssaal entgegen, wie Videomaterial zeigt, das t-online vorliegt: Krahs Assistent Pradoura ist offenkundig sein erster Ansprechpartner und darf als erster die Hand des Oligarchen schütteln. Dann kommen die AfD-Abgeordneten Krah und Bystron an die Reihe. Sie flankieren ihn anschließend am Round Table. Schräg gegenüber am Tisch sitzt neben Pradoura: der mutmaßliche Spion Janusz Niedźwiecki.

Ein Teilnehmer berichtet: Beim anschließenden Abendessen im Restaurant 1687, nur zehn Minuten Fußweg vom Bundestag entfernt, bleibt der Pole noch lange sitzen, nachdem Medwedtschuk etwas überstürzt wieder aufgebrochen ist. Eigentlich wollte der Oligarch über Medienfreiheit und Niedźwieckis Bericht reden. Stattdessen warten mehrere Abgeordnete nun ohne ihn aufs Essen und plaudern mit Niedźwiecki. Viele, die an jenem Abend dabei waren, erinnern sich angeblich nicht mehr an den Polen.

4) Der Zusammenbruch

Die Erinnerungslücken könnten mit dem zu tun haben, was sich in der Folge entspannt: Anfang 2020 scheint einer weiteren gedeihlichen Zusammenarbeit nichts im Wege zu stehen. Damalige Teilnehmer finden die Initiative bis heute richtig. Niedźwiecki und Voloshin organisieren im Laufe des Jahres weitere vermeintliche Wahlbeobachtungen, zu denen sie auch AfD-Politiker einladen.

Probleme machen aber bald Strafverfolgungs- und Regierungsbehörden.

Im Februar 2021 unterbindet die ukrainische Regierung den Weiterbetrieb von Medwedtschuks Sendern und lässt Vermögenswerte seiner Familie sicherstellen, darunter eine Öl-Pipeline von Russland nach Europa. Der Kreml schickt daraufhin erste Soldaten an die Grenze.

Mitte Mai 2021 stellt die ukrainische Regierung Putins Freund Medwedtschuk unter Hausarrest. Der Vorwurf: Hochverrat und die Ausbeutung von Rohstoffen auf der russisch besetzten Krim. Zwei Wochen später wird Niedźwiecki in Polen verhaftet. Russland beginnt, weitere Truppen zusammenzuziehen.

Im Juli 2021 verhört das FBI Medwedtschuks Botschafter Voloshin bei der Einreise in die USA, konfisziert zeitweilig sein Handy und liest die Daten aus, wie zuerst das "Time Magazine" berichtet. Darauf findet es einen Chat mit Krah, in dem es um einen Zahlungsverkehr geht, wie er selbst bestätigt. Beide machen unterschiedliche Angaben zu den Gründen.

Im November 2021 reisen Krah und Bystron in die Ukraine, besuchen Medwedtschuks Sender, beobachten die Kommunalwahl in Charkiw – und besuchen den Oligarchen schließlich im Hausarrest. Er sei der "berühmteste politische Gefangene des Landes", schreibt Krah damals. Die ukrainische Regierung sei ein "korruptes, repressives Regime".

Im Januar 2022, kurz vor der russischen Invasion, erheben die US-Behörden schwere Vorwürfe gegen Medwedtschuk, Voloshin und den offiziellen Eigentümer der Sender: Auf Anweisung des russischen FSB seien sie damit betraut, die Ukraine vor dem russischen Angriff zu destabilisieren und eine Marionettenregierung vorzubereiten. Sanktionen werden verhängt, Konten eingefroren.

Als Russland im Feburar 2022 angreift, hat Voloshin das Land schon verlassen, auch gegen ihn wird wegen Hochverrats ermittelt. Medwedtschuk flieht nach der Invasion aus dem Hausarrest, wird wieder festgenommen und Monate später im Zuge eines Gefangenenaustauschs nach Russland ausgewiesen.

Im Sommer ist da bereits ein Rechtshilfeersuchen aus Polen bei der Generalstaatsanwaltschaft in Berlin eingegangen: Die polnischen Ermittler haben laut Informationen von t-online Fragen an die AfD-Bundestagsabgeordneten, die sich mit Niedźwiecki getroffen haben. Sie wollen wissen, ob Geld angeboten wurde und vielleicht sogar geflossen ist.

Ende 2022 trennt sich Krah ohne Angabe von Gründen von seinem Assistenten Pradoura. Die russische Einflussoperation in Europa und Deutschland scheint vorerst gescheitert – bis sie mit Hilfe alter Freunde wieder Fuß fasst.

5) Die Stimme Europas

Niedźwieckis Verhaftung im Mai 2021 hat auch seinen geplanten Medienprojekten, etwa Internetauftritten mit hochtrabenden Namen wie "Brussels Daily" und "Europa Times", einen Riegel vorgeschoben. Über die Kinderschuhe wächst keine der Seiten hinaus.

In die Lücke stößt aber ab Mitte 2023 eine neu aufgelegte Online-Plattform für rechte Politiker, die einige Jahre zuvor in den Niederlanden startete und bereits damals eifrig von russischen Multiplikatoren in sozialen Medien verbreitet wurde: "Voice of Europe", zu Deutsch: "Stimme Europas". Nun mit Sitz in Prag. Es werden allerdings noch hochrangige Politiker als Gesprächspartner gesucht.

Nach Informationen von t-online kümmert sich auch Krahs ehemaliger Assistent Pradoura darum: Demnach spricht er immer wieder Abgeordnete der ID- und der EKR-Fraktion an, ob sie Interviews für "Voice of Europe" geben wollen. Auch die Vermittlung von Kontakten und die Organisation von Reisen nach Russland und in die Ukraine soll Pradoura anbieten.

Und so sind beliebte Interviewpartner des Portals wenig überraschend alte Bekannte: Krah und Bystron, aber auch ein slowakischer Abgeordneter, Miroslav Radačovsky, der 2021 Voloshins Einladung in die Ukraine folgte. Hinzu kommt Marcel de Graaff, ein niederländischer Abgeordneter, der Pradoura nun in seinem Büro beschäftigt und der ebenfalls für Putin-Propaganda berüchtigt ist.

Erst im April 2024 stellte sich durch Ermittlungen in Polen und Tschechien heraus, wer eigentlich hinter der ominösen Unternehmung steckt: Oligarch Medwedtschuk hat über Strohmänner mit "Voice of Europe" offenbar eine neue Möglichkeit gefunden, Einfluss auf den Willensbildungsprozess in der Europäischen Union zu nehmen.

Nicht nur verbreitet das Portal die Narrative des Kremls und seiner Freunde in den europäischen Parlamenten. Über die Konstruktion sollen auch Schmiergelder in Höhe von mehreren Hunderttausend Euro geflossen sein, berichtet die Zeitung "Dennik N". In Polen gibt es mehrere Verhaftungen, Beteiligte werden unter Sanktionen gestellt.

Unter Verdacht geraten in der Affäre schnell Krah und Bystron, die beide bestreiten, Geld von dort erhalten zu haben. Gegen Krah werden – ebenso wie im Falle der mutmaßlichen Zahlungen aus China – Ermittlungen noch geprüft. Gegen Bystron laufen sie aber bereits, seine Büros und Wohnungen wurden durchsucht. In Audioaufnahmen soll zu hören sein, wie er mit Papier raschelt und sich über die Stückelung der Geldscheine beschwert. Angeblich wurden ungewöhnliche Bareinzahlungen auf eines seiner Konten festgestellt.

Auch dem Rechtshilfeersuchen aus Polen im Fall Niedźwiecki sind die deutschen Behörden mittlerweile nachgekommen, sagte eine Sprecherin der Nationalen Staatsanwaltschaft in Warschau t-online. Mehrere AfD-Abgeordnete räumten auf Anfrage von t-online ein, sie seien von Ermittlern als Zeugen befragt worden.

Dem AfD-Bundestagsabgeordneten Stefan Keuter legte ein Staatsanwalt in der Hauptstadt zahlreiche Fotos von Personen aus dem Niedźwiecki-Netzwerk vor. "Es ging darum, ob Niedźwiecki in irgendeiner Art und Weise Geld angeboten habe – das ließ sich alles verneinen", sagte Keuter t-online. Er war mit dem mutmaßlichen Spion 2018 nach Aserbaidschan gereist und hatte am Treffen mit Medwedtschuk im Bundestag teilgenommen.

Und auch Spitzenkandidat Krah bestätigte t-online, in Dresden von der Polizei befragt worden zu sein. Es sei um Niedźwieckis Akkreditierung für das EU-Parlament gegangen. "Ich habe der Einladung selbstverständlich Folge geleistet und unterstütze selbstverständlich die Ermittlungen, wo ich kann." Bundestagsabgeordneter Bystron äußerte sich auf Anfrage nicht.

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