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Angela Merkel: Krise? Welche Krise? – Eine Kanzlerin bleibt sich treu


Krise? Welche Krise?
Eine Kanzlerin bleibt sich treu

  • Johannes Bebermeier
Von Johannes Bebermeier

Aktualisiert am 17.10.2018Lesedauer: 4 Min.
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Angela Merkel redet im Bundestag: Krise? Welche Krise?Vergrößern des Bildes
Angela Merkel redet im Bundestag: Krise? Welche Krise? (Quelle: Fabrizio Bensch/Reuters-bilder)

Alle Welt spricht über die Krise der großen Koalition nach dem Debakel in Bayern und vor der Hessen-Wahl. Nur Angela Merkel, die spricht über Europa. Und lässt sich von der Krise nicht stören.

Eigentlich ist es ein Termin, der zum Alltag einer Kanzlerin gehört. Regierungserklärung mit Aussprache, bei der die Abgeordneten im Bundestag auf Angela Merkels Rede antworten.

Die Tagesordnung sieht vor, dass Merkel über den anstehenden EU-Gipfel und den Asem-Gipfel, also das Asien-Europa-Treffen, spricht. Bei dem einen geht es darum, Chaos zu vermeiden und doch noch einen Brexit-Deal mit den Briten auszuhandeln. Bei dem anderen geht es um die künftigen Beziehungen zu einem wichtigen, komplizierten Kontinent.

Alles wichtige Fragen. Hier wie dort drohen Krisen. Doch mindestens so wichtig ist an diesem Nachmittag eine andere Frage, die nicht auf der Tagesordnung steht: Was macht die drohende Krise in Berlin mit der Kanzlerin?

Die Regierungserklärung zeigt: Erstaunlich wenig. Zumindest äußerlich.

Weil die große Koalition bislang von Krise zu Krise stolpert, fällt es bisweilen schwer zu beurteilen, wann es wirklich ernst wird. Unionsstreit um die Asylpolitik? Erst steht Horst Seehofer scheinbar kurz vor dem Koalitionsbruch, dann sind ihm die Details doch nicht mehr so wichtig. Der Fall Maaßen? Erst stehen sich Seehofer und die SPD scheinbar unversöhnlich gegenüber, dann befördern sie Hans-Georg Maaßen zunächst, um ihn wenig später doch nur zu versetzen. Krisen, die sich in Nichts auflösen.

Alles wartet auf Hessen

Diesmal spricht vieles dafür, dass es anders wird. Denn es geht darum, ob CDU und SPD ihren Niedergang stoppen können. Und damit geht es auch um die Zukunft der großen Koalition und die Zukunft Angela Merkels.

Alle blicken auf Hessen, wo am 28. Oktober der Landtag gewählt wird. Kann Volker Bouffier danach nicht Ministerpräsident bleiben, kracht es in der CDU gewaltig. Berlin und Merkel wären Schuld. Erreicht Thorsten Schäfer-Gümbel für die SPD ein schlechteres Ergebnis als erwartet, kracht es in der SPD gewaltig. Berlin und Nahles wären Schuld. Und auch die Bayern-Wahl wird erst nach Hessen aufgearbeitet. Muss Seehofer gehen? Und wie geht es dann in der großen Koalition weiter?

Um all diese Fragen weiß Angela Merkel, als sie am Mittwoch im Bundestag ans Mikrofon tritt. Und all diese Fragen ignoriert sie.

Merkels Merkel-Rede

Merkel hält eine typische Merkel-Rede. Viele Details, wenig Emotion. Sie spricht über die Europawahl im Mai 2019, über den Euro, über die Migrationspolitik und erst ganz zum Schluss über den Brexit, der großen Raum auf dem EU-Gipfel einnehmen wird.

Sie sagt wenig Neues. So wenig, dass der FDP-Fraktionschef Christian Lindner später ankündigen wird, im Protokoll nachzuschauen, ob sie zum Teil nicht wörtlich das selbe gesagt hat wie in der letzten Regierungserklärung.

Die Europawahl: In ihrer Größe als freie, demokratische Wahl einzigartig und damit ein wichtiges Signal, sagt Merkel. Der Euro: In bewegten Zeiten wie diesen besonders wichtig. Die Migrationspolitik: Nur in Europa zu regeln. Der Brexit: Sehr bedauerlich, aber Rosinenpickerei wird es für die Briten nicht geben.

Merkel wirkt nicht außergewöhnlich belastet, sondern recht aufgeräumt. Zwei Mal wird es sogar heiter. Als sie ankündigt, Parteien in Europa die Mittel kürzen zu wollen, wenn sie Falschinformationen im Wahlkampf verbreiten, rumort es im Plenum. Merkel kommentiert süffisant: "Fühlt sich da jemand angesprochen?" Gelächter und Applaus.

Als an anderer Stelle nur ein einsamer Abgeordneter applaudiert, muss Merkel lachen. "Dankeschön", sagt sie. "Da hat jemand noch das Gefühl fürs Wesentliche." Gelächter, Applaus.

Lahme Ente im Kanzleramt?

Selbst die Opposition hält sich auffallend zurück. Sie beschränkt sich weitgehend darauf, Merkels Europapolitik zu kritisieren, während die Kanzlerin eifrig auf ihrem Handy herumtippt und nur selten aufblickt.

Als eine der wenigen wird Linken-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht deutlich: "Dass Deutschland zurzeit eine handlungsunfähige Regierung hat, die offenkundig voll damit ausgelastet ist, Woche für Woche um ihr politisches Überleben zu kämpfen, ist nicht nur für die Menschen in Deutschland eine Belastung", sagt sie. "Eine Lame Duck im Kanzleramt macht auch die Lösung der Probleme in Europa nicht leichter." Merkel als lahme Ente, also weitgehend handlungsunfähig.

FDP-Chef Christian Lindner begnügt sich mit einem vergifteten Lob für Merkel und ihre Regierung: "Sie sind sehr gelöst aufgetreten", sagt er zu Merkel. "Man hat den Eindruck, kaum ist Horst Seehofer nicht im Raum, läuft hier alles etwas smoother ab."

Die Krisenkanzlerin

Früher wurde über Merkel oft gesagt, sie fühle sich als Kanzlerin gerade in Zeiten der Krise wohl, laufe zur Höchstform auf. Krisenkanzlerin wurde sie genannt, was einerseits als Lob gemeint war, andererseits auch als Kritik, weil ihr damit abgesprochen wurde, abseits von Krisen visionäre Politik machen zu können.

Die jetzige Krise ist anderer Art, denn Merkel selbst steht im Zentrum. Es geht um die Macht der großen Koalition und damit um ihre Macht. Dass sie gerade zur Höchstform aufläuft, würde wohl niemand behaupten. Doch Merkel scheint zu versuchen, zumindest bei sich und ihren Überzeugungen zu bleiben – wohl auch in Sorge um das, was später über ihre Amtszeit in den Geschichtsbüchern stehen wird.

Das zeigt sich bei ihrem Auftritt im Bundestag. Das zeigt sich aber auch zu anderer Gelegenheit. Etwa bei ihrem Auftritt auf dem Deutschlandtag der Jungen Union Anfang Oktober. Damals kritisiert ein Unions-Nachwuchspolitiker ihre Flüchtlingspolitik, deutet eine "Herrschaft des Unrechts" an den Grenzen 2015 an.

Da wird Merkel kurz sehr deutlich. Eine "Herrschaft des Unrechts" habe es nicht gegeben, Gerichte hätten das später bestätigt. Die Fehler in der Flüchtlingspolitik seien gemacht worden, als die internationale Gemeinschaft versäumt habe, die Flüchtlingslager nahe Syrien mit Lebensmitteln zu versorgen. Paff. Von ihrer viel kritisierten Politik rückt sie nicht ab.

Eine Kanzlerin bleibt sich treu.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
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