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Kritik am UN-Migrationspakt: Liegen Spahn und Ramsauer richtig? – Faktencheck


Faktencheck
Kritik am UN-Migrationspakt – Liegen Spahn und Ramsauer richtig?

Von Patrick Diekmann

Aktualisiert am 21.11.2018Lesedauer: 4 Min.
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Männer tragen Hilfsgüter des UNHCR im Flüchtlingslager Kutupalong, in dem Rohingya, die aus Myanmar vertrieben wurden, leben: Der UN-Migrationspakt soll die Lage der Flüchtlinge weltweit verbessern.Vergrößern des Bildes
Männer tragen Hilfsgüter des UNHCR im Flüchtlingslager Kutupalong, in dem Rohingya, die aus Myanmar vertrieben wurden, leben: Der UN-Migrationspakt soll die Lage der Flüchtlinge weltweit verbessern. (Quelle: imago-images-bilder)

Der UN-Migrationspakt löst in Deutschland heftige Debatten aus. Durch Jens Spahn und Peter Ramsauer wird nun auch in der Union diskutiert. Ist ihre Kritik am Abkommen gerechtfertigt?

250 Millionen Menschen weltweit sind auf der Flucht. Die UN haben sich deshalb auf ein Abkommen geeinigt, das die Lage der Flüchtlinge verbessern soll – den UN-Migrationspakt. Der Pakt soll ein Baustein zur Lösung des Megathemas Migration sein. Gegen die ungeregelten Wanderungsbewegungen der letzten Jahre, die in der EU von einem Aufschwung rechtsnationaler und populistischer Parteien begleitet wurden, sollte ein Regelwerk gestellt werden, das Flucht und Migration besser organisiert, ohne rechtlich verbindlich zu sein.

Neun Ziele werden in dem Migrationspakt formuliert:

  • Bessere Erhebung, Analyse und Verbreitung von Daten zur Migration.
  • Verbesserung der Lebensbedingungen in den Herkunftsländern.
  • Stärkerer Schutz vor Ausbeutung, Missbrauch und Verletzung von Menschen- und Arbeitsrechten.
  • Keine Benachteiligung von Migranten beim Leistungsbezug.
  • Vollständige Eingliederung von Migranten in die Gesellschaft – auf Basis gegenseitigen Respekts.
  • Bessere Koordination von Rettungseinsätzen um Verlust von Menschenleben zu verhindern.
  • Schärfere, grenzübergreifende Verfolgung und Bestrafung von Schleuserbanden.
  • Internationale Zusammenarbeit der Konsulate, um Rechte und Interessen aller Migranten zu schützen.
  • Öffentliche Debatte über Migranten um Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz zu begegnen. Betonung des Rechts auf freie Meinungsäußerung.


Das Abkommen soll am 10. und 11. Dezember in Marokko angenommen werden. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gilt als Verterdigern des Pakts. Es passt zu ihrem Kurs, nach der deutschen Willkommenskultur und der Flüchtlingskrise nun den Weg zurück zu einer Ordnung zu finden, die andere EU-Länder einbindet.


In ihrer Partei formiert sich jedoch Kritik. Die CDU in Sachsen-Anhalt lehnt den Pakt ab. Gesundheitsminister Spahn, der für den CDU-Parteivorsitz kandidiert, fordert eine Abstimmung auf dem CDU-Bundesparteitag über den Umgang mit dem UN-Flüchtlingspakt. Auch Peter Ramsauer (CSU), Vorsitzender des Bundestagsausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, kritisiert den Text scharf. "Durch das gesamte Dokument zieht sich eine Haltung, Migration als etwas Normales und gar Wünschenswertes anzusehen", sagte Ramsauer der "Welt".

Ist die Kritik der CDU-Politiker gerechtfertigt? t-online.de betrachtet ihre zentralen Aussagen im Faktencheck:

Jens Spahn: "Deutschland muss die Souveränität in allen Fragen der Migration behalten"

"Der Globale Pakt ist ein rechtlich nicht bindender Kooperationsrahmen
Er bekräftigt das souveräne Recht der Staaten, ihre nationale Migrationspolitik selbst zu bestimmen, sowie ihr Vorrecht, die Migration innerhalb ihres Hoheitsgebietes in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht selbst zu regeln." UN-Migrationspakt

Der UN-Migrationspakt greift keineswegs in die nationale Souveränität ein, der Pakt ist nicht bindend. Er formuliert lediglich Ziele, die Kriterien und Höhe von Zuwanderung bleiben souveräne Entscheidungen der Staaten. Und selbst wenn: "Die Standards für den Umgang mit Migranten und Flüchtlingen, die im Pakt beschrieben werden, erfüllt Deutschland schon längst mit eigenen Gesetzen", sagt Migrationsexperte und Architekt des Türkei-Deals, Gerald Knaus. "Es gibt mehrere europäische Richtlinien, die die Aufnahme von Flüchtlingen regeln, denen Deutschland zugestimmt hat."

Trotzdem ist der UN-Migrationspakt ein Signal an andere Länder außerhalb von Europa, diesen Status anzustreben. "Er soll moralischen Druck auf die Länder entfalten, in denen die Rechte von Migranten noch mit Füßen getreten werden", so Knaus im Interview mit t-online.de.

Peter Ramsauer: "Das öffnet dem Flüchtlingsstrom zu uns Tür und Tor"

"Wir verpflichten uns, das Management unserer nationalen Grenzen zu koordinieren, die bilaterale und regionale Zusammenarbeit zu fördern, die Sicherheit der Staaten, Gemeinschaften und Migranten zu gewährleisten, sichere und reguläre Grenzübertritte zu ermöglichen und gleichzeitig irreguläre Migration zu verhindern.“" UN-Migrationspakt

Nein. Ziel des Migrationspakts ist die langfristige Angleichung von Standards für Migranten und Flüchtlinge überall auf der Welt. "Es waren schließlich europäische Staaten selbst, die unter dem Eindruck der Flüchtlingskrise von 2015 auf die Festschreibung von Mindeststandards auch außerhalb Europas gedrungen haben", sagt Knaus. "Wenn überhaupt, dann kann der Pakt für Europa mittel- und langfristig einen Rückgang der Flüchtlingszahlen bedeuten." Es sei legitim, auf die Auswirkungen hoher Flüchtlingszahlen in Aufnahmestaaten hinzuweisen. Doch gerade dann müssten die Ziele des Paktes, etwa die zum Kampf gegen Schleuser und zum Grenzschutz, umso unterstützenswerter erscheinen.

Kritiker des UN-Migrationspaktes behaupten, dass Deutschland sich verpflichte, Flüchtlinge aufzunehmen, wenn diese behaupten, dass sie Opfer des Klimawandels sind. Auch dies stimmt nicht. Es soll viel mehr um die Absicht gehen, den Klimwandel abzuschwächen, damit Menschen nicht fliehen müssen. Außerdem möchte man die Hürden senken, damit Betroffene internationale Hilfe erhalten. Eine Verpflichtung, Flüchtlinge oder Migranten aufzunehmen, ist also nicht Bestandteil des Paktes. Und selbst wenn: Es handelt sich nicht um ein bindendes, internationales Abkommen.

Holger Stahlknecht (CDU Sachsen-Anhalt): "Der Pakt ist jahrelang unter dem Radar der Öffentlichkeit verhandelt worden, ohne erklärt zu werden.

Von 2016 an bis Oktober 2017 haben die Vereinten Nationen auf sechs Sitzungen den Pakt diskutiert. "Es handelte sich hier wahrlich um kein Geheimnis", meint Knaus. "Außerdem hat die Bundesregierung alle Bundestagsfraktionen zur Teilnahme an Informationsveranstaltungen über die Verhandlungen in New York eingeladen. Es waren aber nur wenige Abgeordnete dort, offenbar maßen die allermeisten Abgeordneten einer unverbindlichen Absichtserklärung keine große Bedeutung zu."

Trotzdem hat die Behauptung nach Fehlern bei der Kommunikation auch einen wahren Kern. Die Vereinten Nationen haben es teilweise versäumt, der Weltbevölkerung die Inhalte des Paktes ausreichend transparent zu erklären. "Selbst für Experten war es schwer zu erkennen, was dieser Pakt bringen wird. Solche Dinge werden oft viel zu schwammig formuliert – und das sorgt für Misstrauen bei den Menschen", sagt Knaus. "Man hätte einfach erklären sollen, dass durch den Pakt Menschenrechte in allen Ländern auch für Migranten gelten sollen."


Ein zentrales Problem der Verteidiger des Paktes liegt auch in der Kommunikation. Einerseits erklären sie, dass der Pakt nicht bindend sei, um gleichzeitig die Wichtigkeit des Abkommens zu betonen: "Genau, aber das ist auch eines der Probleme für Verteidiger des Paktes. Bislang haben viele Unterstützer eine widersprüchliche Kommunikationsstrategie. Einerseits sagt man, dass der Pakt unverbindlich ist, andererseits betont man seine Wichtigkeit. Beides ist richtig. Es ist ein Signal für die Welt, aber es würde an der Situation in Hamburg oder in Köln nichts verändern", sagt Knaus. "Da haben wir weitaus höhere Standards."

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
  • Nachrichtengagentur AFP
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