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Verheerender Maskenskandal: Die CDU zittert vor dem Absturz


CDU im Maskenskandal
Die Panik-Partei


Aktualisiert am 10.03.2021Lesedauer: 8 Min.
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Armin Laschet vor Mikrofonen: Auch der CDU-Vorsitzende gerät in der Maskenaffäre unter Druck.Vergrößern des Bildes
Armin Laschet vor Mikrofonen: Auch der CDU-Vorsitzende gerät in der Maskenaffäre unter Druck. (Quelle: imago-images-bilder)

Die Maskenaffäre erschüttert die Union, bei den Landtagswahlen am Sonntag drohen verheerende Verluste. Die verunsicherte Partei sucht die Schuld sogar bereits beim "Kabinett der traurigen Gestalten".

Das Haus in der Stuttgarter Thouretstraße 6 ist ein grauer, riesiger Betonklotz: Hier residiert das Kultusministerium von Baden-Württemberg. Von dieser Festung aus führt Kultusministerin Susanne Eisenmann seit Tagen keinen Wahlkampf mehr, sondern nur noch einen Kampf gegen zwei Politiker, die sich bei der Beschaffung von Masken bereicherten: Georg Nüßlein kassierte 660.000 Euro, Nicolas Löbel rund eine Viertelmillion.

Das ist in normalen Zeiten schon alles andere als glücklich für CDU und CSU. Doch am Sonntag sind Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg. Und in Stuttgart ist Susanne Eisenmann nicht nur Kultusministerin, sondern auch Spitzenkandidatin der CDU. Sie will Ministerpräsidentin werden. Schlagzeilen über Korruption in ihrer Partei kann sie mitten im Wahlkampfendspurt so gut gebrauchen wie einen Fallschirm aus Blei.

Deshalb sitzt die 56-Jährige an diesem Mittwoch hinter ihrem wuchtigen Konferenztisch, reißt die Augen auf und sagt: "Wie kann man so unmoralisch sein und mitten in der größten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg sich die Taschen voll machen? Für uns Wahlkämpfer ist das natürlich alles andere als hilfreich."

CDU, Club der Unersättlichen

In Baden-Württemberg regiert der Grüne Winfried Kretschmann schon seit zwei Legislaturperioden. Und er ist beliebt. Darum bereitete Eisenmann ihre Kandidatur lange vor: Bereits im Frühsommer 2019, weit vor der Corona-Pandemie und irgendwelchen Maskendeals, verkündete sie, dass sie antreten wolle. Akribisch schälte sie in den Monaten darauf ihre Programmatik heraus.

Und jetzt? Nun könnte alles umsonst gewesen sein. Auch wegen zwei Kollegen, die Kapital aus der Krise schlagen wollten. "Es ist ein unfassbarer Vorgang", sagt Eisenmann und seufzt. Sie hat offenbar große Sorge vor dem Ergebnis am Sonntag, zuletzt hat die CDU in den Umfragen vier Prozentpunkte eingebüßt.

Die Union stürzt in ihre größte Krise der vergangenen Jahre: In einer "Insa"-Umfrage vom Montag kam sie bundesweit nur noch auf 30 Prozent der Zustimmung. Ein Verlust von 2,5 Prozentpunkten gegenüber der Vorwoche. Denn mitten in den Landtagswahlkämpfen steht ein verheerender Eindruck im Raum: Die Union gilt plötzlich als Hort der Habgierigen. Die Abkürzung CDU, so wird in Berlin schon gespottet, stehe ab sofort für "Club der Unersättlichen".

"Wir dachten: Das darf jetzt wirklich nicht wahr sein"

Das ist für die CDU eine echte Gefahr: Die Urnengänge in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz bilden den Auftakt für das Superwahljahr 2021. Und sofort drohen empfindliche Niederlagen.

Deshalb ist in der Partei bereits eine Debatte darüber ausgebrochen, welche Folgen der Wahlsonntag haben könnte. Im Kielwasser der Maskenaffäre und der erwartbar schlechten Ergebnisse könnten die Konsequenzen groß sein. Manch einer fürchtet bereits um den Status als Volkspartei. Denn obwohl einer der beiden Maskenfälle ein CSU-Mann ist, wird besonders die CDU erschüttert.

Vor allem an der Basis macht sich Bestürzung über die aktuellen Entwicklungen breit. Christian Stalf von der Mannheimer CDU, für die Löbel bislang im Bundestag saß, sagt t-online: "Unsere Mitglieder waren alle überrascht und geschockt, als wir am Freitag die Schlagzeilen über Nikolas Löbel gesehen haben. Wir dachten: Das darf jetzt wirklich nicht wahr sein."

Man ist fassungslos, man ist wütend

In Rheinland-Pfalz ist die Lage ähnlich wie in Baden-Württemberg: Man ist fassungslos, man ist wütend. Vor einigen Wochen träumten die Christdemokraten noch davon, die SPD-Ministerpräsidentin Malu Dreyer zu beerben. Nach dem Maskendebakel zeigen die Umfragen aber auch hier nach unten. Christian Baldauf, der Spitzenkandidat der CDU in Rheinland-Pfalz sagt: "Rückenwind ist das nicht. Eine solche Affäre auf den letzten Metern im Wahlkampf braucht kein Mensch!" Jemand aus der Bundestagsfraktion drückt es deutlicher aus: "Für die Wahlkämpfer ist das der Todesstoß aus Berlin."

Die CDU stand in Deutschland immer für eine vernünftige Politik der Mitte: Nicht so aktionistisch wie die Grünen, nicht so ideologisch wie die SPD. Man sehe sich als die christlich-konservative Kraft, die Deutschland mit nüchterner Politik am Laufen hält, sagte kürzlich jemand aus der Parteispitze zu t-online. Auch deshalb trifft der aktuelle Skandal den Markenkern der Union: Sich nur die eigenen Taschen vollzuschaufeln, ist eben weder ein christlicher noch ein konservativer Wert.

Hinzu kommt das verbreitete Gefühl, dass es in Deutschland bei der Bewältigung der Pandemie gewaltig hakt. Es läuft nicht beim Impfen, es läuft nicht bei den Tests.

Andere Länder sind der Bundesrepublik bei beidem weit voraus. "Wir müssen mittlerweile von einem Staatsversagen sprechen. Und das wird natürlich der CDU auf allen Ebenen – von der Bundesregierung bis zu den Kreistagen – angelastet. Ausgerechnet jetzt noch mit einer Korruptionsaffäre zu kämpfen, könnte schlimmer nicht sein", sagt ein hochrangiges CDU-Mitglied. Die Angst vor den Wahlen in diesem Jahr frisst sich immer tiefer in die Partei hinein.

Woher kommt Ihr vieles Geld?

Dabei ist der letzte Skandal noch gar nicht lange her: Im vergangenen Juni machte der Jungparlamentarier Philipp Amthor damit Schlagzeilen, dass er sich für die Firma "Augustus Intelligence" einsetzte zum Dank erhielt er Aktienoptionen und wurde nach New York eingeladen. Teure Champagner-Drinks inklusive.

Daraufhin wurde das Gesetz geändert, das künftig solche Arten von Deals untersagt. Doch gegen ein verbindliches Lobbyregister sperrte sich die Union weiterhin. Dabei wäre eine Verschärfung mit SPD, FDP und Grünen schon lange möglich gewesen. Jetzt, spottet mancher in der Opposition, bekomme die CDU eben die Quittung für ihr Herumgeeiere.

Der Widerstand gegen das Lobbyregister könnte nun merklich schwinden. Denn in der Fraktionsführung in Berlin ist in diesen Tagen ein regelrechter Aktionismus ausgebrochen: Am Montag und Dienstag telefonierten nach t-online-Informationen Mitarbeiter der Fraktion einzelne Abgeordnete ab.

Besonders im Fokus standen solche, die besonders hohe Nebenverdienste haben. Die Fragen lauteten dabei immer: Woher kommt Ihr vieles Geld? Und: Welche Probleme könnten darin noch schlummern? Sie wollen keine Überraschungen mehr erleben, das haben sich Fraktionschef Ralph Brinkhaus und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt fest vorgenommen. Die Sorge vor weiteren Fällen ist riesig, denn dann droht der Partei ein Flächenbrand.

Brinkhaus und Dobrindt sind das neue Machtzentrum in der Bewältigung der Krise, sie haben den neuen CDU-Chef Laschet nach t-online-Informationen gebeten, sich mit Äußerungen zurückzuhalten, bis sie in der Fraktion für Ordnung sorgen konnten. Besonders Brinkhaus könnte dafür der richtige Mann sein. Er achtete oft darauf, sich nicht angreifbar zu machen. Als er frisch ins Amt kam, schaffte er gleich mal seinen eigenen Dienstwagen ab.

Die CDU läuft in diesen Tagen ihrem eigenen Skandal hinterher

Am Montagabend verschickten er und Dobrindt an die Abgeordneten eine Art mahnendes Schreiben. Darin steht der Satz: "Wer versucht hat, aus der Pandemie-bedingten Notsituation bei der Beschaffung von Schutzausrüstung einen finanziellen Vorteil zu ziehen, hat bei uns keinen Platz." Schärfer kann man es kaum formulieren.

Die Botschaft ist: Bei wem noch einmal solch ein Fall wie bei Nüßlein oder Löbel auftaucht, bei dem warten wir nicht mehr ab, wie er sich verhält. Sondern wir schmeißen ihn raus. Es ist ein neuer Tonfall in der CDU, der gespeist wird aus der Sorge vor dem Absturz. Hinzu kommt, dass die Grenze von 10.000 Euro, ab der Parteispenden offiziell deklariert werden müssen, deutlich gesenkt werden soll. Die stellvertretende Fraktionschefin Gitta Connemann sagt dazu t-online: "Für uns als Union ist es existenziell, dass wir jeden Verdacht in den eigenen Reihen restlos ausräumen. Wir werden dies mit aller Konsequenz und Härte tun."

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Das Schreiben von Brinkhaus und Dobrindt wurde extra schnell verschickt und an die Presse kommuniziert. Auch in der Hoffnung, dass damit die Wahlkämpfer in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg noch retten können, was zu retten ist. Doch in beiden Ländern, so ist zu hören, brachte das kaum noch etwas. Der Schaden ist zu groß. Am Mittwochmittag folgte dann das nächste Schreiben: Bis Freitag sollen alle Unions-Abgeordneten schriftlich versichern, sich nicht mit Maskengeschäften bereichert zu haben.

Die CDU läuft in diesen Tagen ihrem eigenen Skandal hinterher und liegt dabei immer zwei Schritte zurück.

Jens Spahn prescht vor, mal wieder

Jetzt wird intern bereits verhandelt, wie es nach dem nächsten Sonntag weitergehen soll: Die Wahlkämpfer in den Bundesländern sind sauer auf die Fraktion in Berlin. Dort wiederum erklärt man: Es seien ja nur Einzelfälle. Nun gibt es bereits neue Ideen wie die Einführung eines Compliance-Beauftragten, der auch nach innen künftige Fälle von Korruption vermeiden soll. Die Landesverbände Sachsen-Anhalt und Niedersachen, die im Sommer Landtags- und Kommunalwahlen zu bestreiten haben, zweifeln, ob das ausreicht.

Jens Spahn reicht das alles noch nicht. Spahn steht selbst wegen seines Managements in der Krise unter Druck, deswegen versucht er mal wieder die Flucht nach vorn.

Er hat angekündigt, eine Liste erstellen zu lassen mit allen Abgeordneten, die Maskengeschäfte im Frühjahr 2020 vermittelt haben. Und prompt kommt in der Unionsfraktion Wut auf. Denn Spahn hat selbst bei den Abgeordneten für Kontakte geworben, im letzten Frühsommer.

Damals galt die Parole: Wer auch immer einen Draht zu Maskenherstellern hat, solle diesen bitte weitergeben. Von einem Eigenverdienst daran war selbstverständlich nicht die Rede. Trotzdem haben jetzt einige Abgeordnete Angst, auf einem Zettel mit Nüßlein und Löbel aufzutauchen nur weil sie der ausdrücklichen Bitte des Gesundheitsministers nach Kontakten nachkamen.

Es knarzt und knirscht in den letzten Monaten

Künftig wird in der Union zudem wohl stärker die Frage diskutiert, was man sich als Abgeordneter eigentlich dazuverdienen darf. Ist es legitim, als Bundestagsabgeordneter mehrere Tausend Euro Honorar für einen Vortrag zu nehmen? Und warum wird man eigentlich für eine Rede bezahlt wegen der eigenen politischen Positionen oder weil man im Parlament sitzt? Mit solchen Fragen ringt die Fraktionsspitze.


Der Maskenskandal sorgt auch deshalb parteiintern für so große Angst und Sorge vor der Zukunft, weil es innerhalb der Union knarzt und knirscht. Spricht man mit verschiedenen Abgeordneten, ergibt sich ein feindseliges Bild: Die Innenpolitiker wettern intern über Horst Seehofer, die Agrarpolitiker äußern ihre Kritik an der Bundeslandwirtschaftsministerin – und äußern sie teilweise auch direkt bei ihr persönlich.

Bei den Debatten um das Lieferkettengesetz und das Insektenschutzgesetz ließ sich der Dissens bereits beobachten. Ein hochrangiges Fraktionsmitglied sagt: "Das Problem der CDU hat einen Namen. Und dieser Name lautet: Das Kabinett der traurigen Gestalten." Gemeint sind die Ministerinnen und Minister. Ein Abgeordneter sagt zu manchen Plänen der Bundesregierung nur: "Wir steuern dagegen, wo wir nur können."

Und der neue Parteichef? Armin Laschet sitzt nicht in Berlin, sondern in Düsseldorf. Er ist nicht Teil des Bundestages. Darum kann er nur zusehen, wie das Kabinett und die Fraktion sich in etlichen Teilen zerstreiten und der Maskenskandal die Wut schürt. Kanzlerin Angela Merkel wiederum denkt ihrerseits nicht daran, Minister auszuwechseln. Von einer Vasallentreue ist intern die Rede, die Merkel ihren Vertrauten halte.

Der Weg aus der Krise der Union ist deshalb völlig unklar: Der neue Chef hat noch keine exekutive Macht für eine Partei, die an der Regierung ist. Und die eigentliche Kanzlerin ist bis September im Amt, während in diesen Monaten ihre Partei schon um eine Neuaufstellung ringt. Eine Abgeordnete sagt t-online: "Wir stecken fest in unserer eigenen Misere – und haben dabei nicht mal einen Kanzlerkandidaten. Manchmal denke ich: Keiner weiß wirklich, wohin es geht."

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
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