Darum scheiterte Germania
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Mit Germania scheitert eine weitere kleine Fluggesellschaft. Das liegt nicht an fehlender Nachfrage. Vielmehr profitieren vom Preiskampf um den Kunden andere.
Es klingt merkwΓΌrdig. Am selben Tag, an dem Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier seine neue Industriepolitik verkΓΌndet, lΓ€sst er die Fluggesellschaft Germania ungerΓΌhrt in die Pleite schlittern. Es handele sich hier um einen "Anwendungsfall von Marktwirtschaft", beschied er gestern kΓΌhl. Die Insolvenz eines Unternehmens gehΓΆre zum System der Wettbewerbswirtschaft.
Der Wirtschaftsminister hat recht. Eine Insolvenz ist etwas anderes als strategische Γberlegungen der Bundesregierung, wann der Staat einem von der Γbernahme bedrohten Unternehmen beispringen soll. Dennoch wirft die Pleite der kleinen Fluggesellschaft, die 1.100 Mitarbeiter und 34 Flugzeuge hatte, auch ein paar Fragen an die Politik auf. Der "Anwendungsfall von Marktwirtschaft" wΓΌrde nΓ€mlich auch beinhalten, dass auf dem Markt alle gleich behandelt werden. So ist es aber nicht. Germania hatte neben gravierenden hausgemachten Problemen auch mit der Γbermacht der Lufthansa zu kΓ€mpfen β ein Thema, das viele andere kleine Gesellschaften ebenfalls beschΓ€ftigt.
Darum scheiterte Germania
Die kleinen Airlines mΓΌssen entweder sehr billig fliegen oder sich Nischen suchen: indem sie wie Germania von RegionalflughΓ€fen wie NΓΌrnberg, Dresden, Erfurt oder Friedrichshafen starten, und indem sie Strecken und Flugzeiten bedienen, die fΓΌr andere unattraktiv sind. Das kann gut gehen. Wenn UnwΓ€gbarkeiten wie die im vergangenen Jahr sehr hohen Kerosinpreise, Streiks, unerwartet hohe Lohnsteigerungen oder ungΓΌnstige Wechselkursrelationen dazukommen, braucht man ein solides Management und ein gutes finanzielles Polster, um die passagierarme Zeit im Winter zu ΓΌberleben. Beides hatte Germania nicht.
Dazu kamen politische EinflΓΌsse. Nach der Pleite von Air Berlin im Jahr 2017 durften sich die Lufthansa und Easyjet die attraktivsten Brocken aus der Insolvenzmasse teilen. Beide gehΓΆren zu den groΓen europΓ€ischen Gesellschaften. Die anderen mussten sich mit den Brosamen begnΓΌgen. Das anschlieΓende Chaos, das die rumpelige Integration der Air-Berlin-Flugzeuge in die beiden Gesellschaften auslΓΆste, mussten sie dennoch mitbezahlen.
Rund 750 Millionen Euro EntschΓ€digungsansprΓΌche konnten FluggΓ€ste allein bis Ende August 2018 anmelden, rechnete das Fluggast-Hilfe-Portal Airhelp im vergangenen Jahr vor. Ein Rekord, der die Finanzdecke auch der Unternehmen schmelzen lieΓ, die keine Schuld an dem Tohuwabohu an Deutschlands FlughΓ€fen trugen.
Auch andere Airlines verschwinden vom Markt
FΓΌr die Mitarbeiter und Kunden von Germania ist es kein Trost, dass es anderen kleinen und mittelgroΓen Gesellschaften in den vergangenen Monaten auch schlecht ergangen ist: Nicht nur Air Berlin musste den Betrieb einstellen. Auch Gesellschaften wie VLM, Small Planet, Cobalt und Primera machten dicht, Joon verschwindet gerade vom Markt, Alitalia sucht verzweifelt einen Partner, Firmen wie die islΓ€ndische Wow Air oder Norwegian kΓ€mpfen ums Γberleben.
Nur auf den ersten Blick ist es ΓΌberraschend, dass sich die massive Konsolidierung in einem wachsenden Markt abspielt: Mehr als 3,3 Millionen FlΓΌge wurden im vergangenen Jahr in Deutschland oder von Deutschland aus durchgefΓΌhrt, mehr als je zuvor. In diesem Markt werden GrΓΆΓenvorteile immer wichtiger.
Wenn man viele FlΓΌge in engen Flugtakten abwickelt, braucht man pro Fluggast weniger Personal und Technik, hat kΓΌrzere Standzeiten, kann also effizienter arbeiten. In einem GeschΓ€ft mit hartem Preiswettbewerb und engen Margen kann das entscheidend sein: Lufthansa, Ryanair, Easyjet, British Airways, Iberia haben ihre Marktanteile massiv ausdehnen kΓΆnnen.
Das Sterben der kleinen FlughΓ€fen wird folgen
Die von den VerbraucherschΓΌtzern geforderte Insolvenzversicherung wΓΌrde den Passagieren wahrscheinlich zwar helfen. Doch sie wΓΌrde auch den Wandel zugunsten der GroΓen beschleunigen: Sie kΓΆnnten mit den Versicherungen bessere Bedingungen verhandeln und die PrΓ€mie auch dann bezahlen, wenn sie sie nicht auf die Preise abwΓ€lzen kΓΆnnen. Die Kleinen kΓΆnnen das nicht. ZusΓ€tzliche Kosten wΓΌrden den Wandel beschleunigen.
Das sind auch schlechte Nachrichten fΓΌr die regionalen FlughΓ€fen. An ihnen haben die groΓen Gesellschaften kein Interesse. Sie haben zu wenig Hinterland und zu schmale KapazitΓ€ten fΓΌr einen dichten Flugbetrieb. Schon deshalb wird dem Ausscheiden der meisten kleinen Fluggesellschaften wahrscheinlich schon bald das Sterben der kleinen FlughΓ€fen folgen.
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Die Passagiere werden von all dem wenig merken. Solange sich die fΓΌnf groΓen Gesellschaften in Europa einen erbitterten Wettbewerb liefern, wird vermutlich nicht einmal das Fliegen teurer.
Ursula Weidenfeld ist Wirtschaftsjournalistin in Berlin. Ihr Buch heiΓt: "Regierung ohne Volk. Warum unser politisches System nicht mehr funktioniert" und ist bei Rowohlt Berlin erschienen.