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Germania-Insolvenz: Darum scheiterte die kleine Fluggesellschaft


Kleine Airlines unter Druck
Darum scheiterte Germania

Eine Analyse von Ursula Weidenfeld

Aktualisiert am 07.02.2019Lesedauer: 3 Min.
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Germania-Flugzeug: Die deutsche Fluggesellschaft ist insolvent.Vergrößern des Bildes
Germania-Flugzeug: Die deutsche Fluggesellschaft ist insolvent. (Quelle: Geisser/imago-images-bilder)

Mit Germania scheitert eine weitere kleine Fluggesellschaft. Das liegt nicht an fehlender Nachfrage. Vielmehr profitieren vom Preiskampf um den Kunden andere.

Es klingt merkwürdig. Am selben Tag, an dem Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier seine neue Industriepolitik verkündet, lässt er die Fluggesellschaft Germania ungerührt in die Pleite schlittern. Es handele sich hier um einen "Anwendungsfall von Marktwirtschaft", beschied er gestern kühl. Die Insolvenz eines Unternehmens gehöre zum System der Wettbewerbswirtschaft.

Der Wirtschaftsminister hat recht. Eine Insolvenz ist etwas anderes als strategische Überlegungen der Bundesregierung, wann der Staat einem von der Übernahme bedrohten Unternehmen beispringen soll. Dennoch wirft die Pleite der kleinen Fluggesellschaft, die 1.100 Mitarbeiter und 34 Flugzeuge hatte, auch ein paar Fragen an die Politik auf. Der "Anwendungsfall von Marktwirtschaft" würde nämlich auch beinhalten, dass auf dem Markt alle gleich behandelt werden. So ist es aber nicht. Germania hatte neben gravierenden hausgemachten Problemen auch mit der Übermacht der Lufthansa zu kämpfen – ein Thema, das viele andere kleine Gesellschaften ebenfalls beschäftigt.

Darum scheiterte Germania

Die kleinen Airlines müssen entweder sehr billig fliegen oder sich Nischen suchen: indem sie wie Germania von Regionalflughäfen wie Nürnberg, Dresden, Erfurt oder Friedrichshafen starten, und indem sie Strecken und Flugzeiten bedienen, die für andere unattraktiv sind. Das kann gut gehen. Wenn Unwägbarkeiten wie die im vergangenen Jahr sehr hohen Kerosinpreise, Streiks, unerwartet hohe Lohnsteigerungen oder ungünstige Wechselkursrelationen dazukommen, braucht man ein solides Management und ein gutes finanzielles Polster, um die passagierarme Zeit im Winter zu überleben. Beides hatte Germania nicht.

Dazu kamen politische Einflüsse. Nach der Pleite von Air Berlin im Jahr 2017 durften sich die Lufthansa und Easyjet die attraktivsten Brocken aus der Insolvenzmasse teilen. Beide gehören zu den großen europäischen Gesellschaften. Die anderen mussten sich mit den Brosamen begnügen. Das anschließende Chaos, das die rumpelige Integration der Air-Berlin-Flugzeuge in die beiden Gesellschaften auslöste, mussten sie dennoch mitbezahlen.

Rund 750 Millionen Euro Entschädigungsansprüche konnten Fluggäste allein bis Ende August 2018 anmelden, rechnete das Fluggast-Hilfe-Portal Airhelp im vergangenen Jahr vor. Ein Rekord, der die Finanzdecke auch der Unternehmen schmelzen ließ, die keine Schuld an dem Tohuwabohu an Deutschlands Flughäfen trugen.

Auch andere Airlines verschwinden vom Markt

Für die Mitarbeiter und Kunden von Germania ist es kein Trost, dass es anderen kleinen und mittelgroßen Gesellschaften in den vergangenen Monaten auch schlecht ergangen ist: Nicht nur Air Berlin musste den Betrieb einstellen. Auch Gesellschaften wie VLM, Small Planet, Cobalt und Primera machten dicht, Joon verschwindet gerade vom Markt, Alitalia sucht verzweifelt einen Partner, Firmen wie die isländische Wow Air oder Norwegian kämpfen ums Überleben.

Nur auf den ersten Blick ist es überraschend, dass sich die massive Konsolidierung in einem wachsenden Markt abspielt: Mehr als 3,3 Millionen Flüge wurden im vergangenen Jahr in Deutschland oder von Deutschland aus durchgeführt, mehr als je zuvor. In diesem Markt werden Größenvorteile immer wichtiger.

Wenn man viele Flüge in engen Flugtakten abwickelt, braucht man pro Fluggast weniger Personal und Technik, hat kürzere Standzeiten, kann also effizienter arbeiten. In einem Geschäft mit hartem Preiswettbewerb und engen Margen kann das entscheidend sein: Lufthansa, Ryanair, Easyjet, British Airways, Iberia haben ihre Marktanteile massiv ausdehnen können.

Das Sterben der kleinen Flughäfen wird folgen

Die von den Verbraucherschützern geforderte Insolvenzversicherung würde den Passagieren wahrscheinlich zwar helfen. Doch sie würde auch den Wandel zugunsten der Großen beschleunigen: Sie könnten mit den Versicherungen bessere Bedingungen verhandeln und die Prämie auch dann bezahlen, wenn sie sie nicht auf die Preise abwälzen können. Die Kleinen können das nicht. Zusätzliche Kosten würden den Wandel beschleunigen.

Das sind auch schlechte Nachrichten für die regionalen Flughäfen. An ihnen haben die großen Gesellschaften kein Interesse. Sie haben zu wenig Hinterland und zu schmale Kapazitäten für einen dichten Flugbetrieb. Schon deshalb wird dem Ausscheiden der meisten kleinen Fluggesellschaften wahrscheinlich schon bald das Sterben der kleinen Flughäfen folgen.

Die Passagiere werden von all dem wenig merken. Solange sich die fünf großen Gesellschaften in Europa einen erbitterten Wettbewerb liefern, wird vermutlich nicht einmal das Fliegen teurer.

Ursula Weidenfeld ist Wirtschaftsjournalistin in Berlin. Ihr Buch heißt: "Regierung ohne Volk. Warum unser politisches System nicht mehr funktioniert" und ist bei Rowohlt Berlin erschienen.

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