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Lohn, Rente, Bürgergeld: Die Sozialpolitik der SPD – ein teures Links


Lohn, Rente, Bürgergeld
Die Sozialpolitik der SPD – Ein teures, verdruckstes Links

MeinungEine Kolumne von Ursula Weidenfeld

Aktualisiert am 12.02.2019Lesedauer: 4 Min.
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Andrea Nahles und Lars Klingbeil: Das neue SPD-Konzept trägt den Titel "Zukunft in Arbeit"Vergrößern des Bildes
Andrea Nahles und Lars Klingbeil: Das neue SPD-Konzept trägt den Titel "Zukunft in Arbeit" (Quelle: Emmanuele Contini/imago-images-bilder)

Die SPD stellt die richtigen Fragen an die Sozialpolitik, die sie selbst gemacht hat – doch die richtigen Antworten findet sie nicht.

Jetzt ist sie da, die Sozialwende in der SPD. Statt Hartz IV soll es Bürgergeld geben, statt Grund- eine Respektrente, und beim Mindestlohn ist ein sattes Plus geplant. Damit haben sich die Sozialdemokraten wieder auf ihren alten, angestammten Platz in der demokratischen Gesellschaft begeben: stramm links von der Mitte. So oder so ähnlich wird die Geschichte der SPD-Vorstandsklausur vom Wochenende erzählt. Wahr ist: Die SPD hat zwar die echten Schwachstellen des Sozialsystems identifiziert. Doch ihre Antworten sind verdruckst und teuer.

Mindestlohn und Hartz IV in der Diskussion

Am deutlichsten wird das beim Mindestlohn. Auf über zwölf Euro soll der Stundenlohn nach dem Willen der Sozialdemokraten steigen. Die große Koalition hatte zur Einführung des Mindestlohns im Jahr 2015 zwar hoch und heilig versprochen, dass diese Untergrenze niemals Gegenstand eines Wahlkampfs werden würde. Stattdessen sollte eine unabhängige Kommission sagen, was richtig für den Arbeitsmarkt und die Beschäftigten ist.

Jetzt aber will die SPD doch Lohndiskussionen im Wahlkampf – und würde Deutschland bei den Mindestbedingungen für Arbeit an die Spitze aller Länder der Welt katapultieren. Das kann man machen, der Mindestlohn wird ins Aufmarschgebiet der künftigen Wahlkämpfer integriert. Allerdings: Es wird langfristig weder den Arbeitgebern, noch den niedrig qualifizierten Arbeitslosen gut bekommen.

Bei der Grundsicherung, Hartz IV, kuriert die SPD an den Symptomen des Missbehagens herum. Sie verlangt, vermeintlich unsinnige Sanktionen abzuschaffen. Sie möchte den Zuschuss zur Wohnung unangetastet sehen. Für ältere Arbeitslose soll es längere Übergangsfristen geben. Dafür wollen die Sozialdemokraten noch einmal tief in die Kasse der Arbeitslosenversicherung greifen, anstatt diejenigen, die diese Kasse monatlich füllen, angemessen zu entlasten. Immerhin: Den Regelsatz für Hartz IV lässt die SPD unangetastet – im Gegensatz zu den politischen Herausforderern aus der Linkspartei oder von den Grünen.

Das umstrittene Rentenmodell der SPD

Bei der Rente folgen die Sozialdemokraten zwar einem richtigen Grundgedanken: Im Grenzbereich zwischen Grundsicherung und Rente herrscht krasse Ungerechtigkeit. Sozialversicherte Arbeitnehmer, die im Niedriglohnsektor arbeiten, zahlen regelmäßig und über Jahrzehnte hinweg in die Rentenversicherung ein, bekommen aber nichts heraus. Ihre Rente liegt unter oder gerade einmal auf dem Niveau der Grundsicherung für Alte. Wer gar nicht gearbeitet hat, ist materiell nicht schlechter dran.

Die SPD weiß jetzt, wie man das Problem löst: Einen Zuschlag von bis zu 450 Euro soll jeder bekommen, der 35 Jahre oder länger in die Rentenversicherung eingezahlt hat und dennoch zu wenig Rente zum Leben hat. Doch damit würde die Ungerechtigkeit allerdings nicht behoben, sie würde nur verschoben. Denn die neue Kluft würde sich ausgerechnet im Kern der sozialdemokratischen Stammwählerschaft, bei den mittelgut bezahlten Arbeitern und Angestellten, auftun.

Ein Drittel aller männlichen Rentner, und etwa jede fünfte Rentnerin bekommt im Monat zwischen 900 und 1.500 Euro Rente. Dahinter verbergen sich klassische Arbeiter- und Angestelltenerwerbsbiografien von bis zu 45 Jahren in Vollzeit. Sie werden fragen: Wo bleibt der Respekt für diejenigen, die nach einem langen Erwerbsleben einen Anspruch nur knapp über dem geplanten neuen Basisniveau haben?

Wer soll die sozialpolitische Wende bezahlen?

In Wahrheit macht sich die SPD mit ihrem Respektmodell auf den Weg zur Einheitsrente, Modell Schweiz. In der Schweiz zahlen alle Bürger einkommensabhängige Beiträge in die Altersversicherung. Später bekommen sie eine Basisrente, die nach unten bei umgerechnet etwa 1.000 Euro und nach oben bei rund 2.000 Euro gedeckelt ist. Ein attraktiver Gedanke für Sozialdemokraten, nur leider in Deutschland kaum umsetzbar: Denn erstens müsste das heutige Rentensystem mit Milliardenzahlungen abgelöst werden. Und zweitens wird schon der jetzige Plan der SPD vor dem Verfassungsgericht landen, wenn er denn umgesetzt wird – und wahrscheinlich spätestens dort scheitern.

Dazu kommt: Wer soll die sozialpolitische Wende bezahlen? Finanzminister und SPD-Vize Olaf Scholz hat den Plänen am Wochenende zwar zugestimmt. Doch in seiner Rolle als Mitglied der Bundesregierung kämpft er schon jetzt wieder gegen ein Defizit in der Staatskasse. Doch auch dazu hat die SPD eine Idee. Sie will die Vermögensteuer für die "Superreichen" wieder einführen. Dazu kann man der Partei alles Gute wünschen – alle bisherigen Versuche in anderen Ländern, die Reichen zur Kasse zu bitten, sind leider krachend gescheitert.

Die Superreichen lassen sich nicht mehr besteuern. Sie ziehen einfach um. Das ist traurig, doch kaum zu ändern. Am Ende würde die Finanzierung wahrscheinlich in der Mitte erledigt werden müssen: über die Einkommen- und Umsatzsteuer und über die Sozialversicherungen selbst. Aus der Gerechtigkeitsdebatte würde ein Verteilungsstreit – innerhalb der früheren Stammwählerschaft der Sozialdemokraten.

Ursula Weidenfeld ist Wirtschaftsjournalistin in Berlin. Ihr Buch heißt: "Regierung ohne Volk. Warum unser politisches System nicht mehr funktioniert" und ist bei Rowohlt Berlin erschienen.

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