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Mehr Milliardenausgaben für den Klimaschutz – aber ohne Plan


Klimaschutz in Deutschland
Die CO2-Wende wird Billionen kosten

MeinungEine Kolumne von Ursula Weidenfeld

13.08.2019Lesedauer: 4 Min.
Meinung
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Illustration von einem Euro und Stromtrassen: Nach Meinung unserer Kolumnistin reichen die Forderung nach mehr Geld und mehr Verboten nicht, um wirklich etwas in Sachen Klimaschutz zu bewegen.Vergrößern des Bildes
Illustration von einem Euro und Stromtrassen: Nach Meinung unserer Kolumnistin reichen die Forderung nach mehr Geld und mehr Verboten nicht, um wirklich etwas in Sachen Klimaschutz zu bewegen. (Quelle: Wolfgang Filser/getty-images-bilder)

Statt immer neue Maßnahmen gegen die Erderwärmung zu diskutieren, wäre es gut, die bestehenden auf ihre Wirksamkeit zu prüfen – und Prioritäten zu setzen.

Das Szenario könnte aus einem Science-Fiction-Film stammen. Der deutsche Wald: in wenigen Jahren ein trauriger Haufen vertrockneter Äste. Die Felder: öde Flächen, über die heiße Wüstenwinde streichen. Die Städte: glühende Häuserversammlungen, in denen Hunderttausende älterer Menschen vorzeitig versterben. Der dringende Appell der Klimaaktivisten nach diesem Sommer ist laut und eindringlich. Tut endlich etwas! Doch die richtige Forderung müsste anders heißen: Tut das Richtige! Denn sonst wird der Kampf gegen den Klimawandel sehr, sehr teuer und bleibt doch ähnlich wirkungslos wie die bisherigen Anstrengungen.

Klimaschutz ist teurer

Gerade weil sich viele Menschen Sorgen machen, reicht die Forderung nach mehr Geld und mehr Verboten nicht. Wichtig ist, dass spätestens jetzt aus Tausenden von Initiativen, Fördergesetzen und Programmen eine Strategie geformt wird. Dass sich Bundesregierung, Landesregierungen und Kommunen endlich an die Arbeit machen, Tausende verschiedener Aktionen in eine Reihe zu bringen. Die Mission müsste heißen: Das, was zum geringsten Preis am schnellsten die höchste CO2-Einsparung bringt, wird zuerst gemacht. Alles andere stellt sich bitte hinten an.

Schon dieser Weg ist teuer genug. Momentan sind in Deutschland bis zum Jahr 2050 Klimaschutzausgaben von etwas über 500 Milliarden Euro geplant. Damit aber erreicht man nur rund 60 Prozent weniger Klimagase als 1990, rechnet eine Studie aus dem vergangenen Jahr vor. Will man tatsächlich 80 Prozent weniger Klimagase oder noch ehrgeizigere Ziele erreichen, muss viel mehr Geld investiert werden: für das 80-Prozent-Ziel 1,5 bis 2,3 Billionen Euro bis zum Jahr 2050, rechnet die Studie vor, die im Auftrag des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) geschrieben wurde. Das sei konservativ geschätzt, mahnen die Experten. Denn sie hätten angenommen, dass der Klimaschutz effizient organisiert und koordiniert wird.

Klimaneutralität ist kaum möglich

Bisher geht es in Deutschland aber leider anders herum. Es wird das verlangt, was gerade modern und nach dem Geschmack der urbanen Bevölkerung ist: Fleischsteuer, Abwrackprämie für Ölheizungen, CO2-Steuer, neue E-Mobilitätsförderung, eine aufgefrischte Fotovoltaik-Förderung, das Begrünen von Dächern, das Pflanzen von Millionen neuer Bäume. Leider aber erfährt man bei den meisten Vorschlägen nicht, was sie für das Klima bringen sollen und wie sie wirken.

Klimaneutralität, wie sie die Kanzlerin, ihre Partei, die Grünen und die SPD anstreben, ist aus heutiger Sicht kaum möglich, ohne Verbraucher und Unternehmen so zu belasten, dass sie sich am Ende möglicherweise verweigern. Noch fehlt die Technologie für dieses Ziel, noch fehlt die Akzeptanz dafür, CO2 beispielsweise im Boden zu verpressen, und noch lebt das Land zu gut von seiner industriellen Basis, als dass man Maschinenfabriken und Werkstätten zu Klimaneutralität verdonnern wollte.

Mehr Koordinierung ist dringend nötig

Kaum etwas wäre ärgerlicher und wahrscheinlich unnützer als ein weiterer Freibrief für die Klimaschutzbranche. Über 33 Milliarden Euro werden die Stromkunden beispielsweise im kommenden Jahr allein für die Subventionen in erneuerbare Energien bezahlen. Ohne Frage, es ist ein Erfolg, dass schon heute mehr als ein Drittel des Stroms aus erneuerbarer Energie kommt. Nur das Klima hat von dieser Art Gesetz bisher sonderlich profitiert. Die Treibhausgas-Emissionen in Deutschland sinken kaum. Der Energiesektor erreicht sein Klimaziel nur, wenn die Kohlekraftwerke tatsächlich abgeschaltet werden – was 14 Milliarden Euro extra kosten wird.

Mehr Koordinierung ist dringend nötig, wenn die Klimaziele zu einem vertretbaren Preis erreicht werden sollen. Heute produzieren etwa Windkraftanlagen in der Nordsee, in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt ordentlich Strom – doch diese Energie erreicht den Verbraucher oft nicht: Die Leitungen von Nord nach Süd sind immer noch nicht gebaut. Der Netzausbau stockt, weil die Anlieger keine Lust mehr haben, die Durchleitung des Stroms entlang ihrer Grundstücke zuzulassen.


Es reicht aber leider nicht, weniger fliegen zu wollen, die Einkäufe in einen Leinenbeutel zu packen oder am Abend einen E-Roller für den Weg in die Kneipe auszuleihen. Politiker und Bürger müssen Antworten für die großen und unangenehmen Fragen finden. Sie lauten: Was rutscht nach hinten, wenn Klimaschutz die Nummer eins wird? Wie viel nationaler Alleingang ist möglich, ohne die wirtschaftliche Basis des Landes zu gefährden? Wie sieht der faire Ausgleich zwischen denen aus, die Windräder und Hochspannungsleitungen ertragen müssen – und denen, die besonders profitieren, wenn die Erderwärmung gebremst wird: Wie also werden die Lasten zwischen Land und Stadt geteilt?

Bisher brauchte man nicht zu antworten. Es reichte, ein neues Förderprogramm zu fordern. Das geht jetzt nicht mehr. Und das ist gut so.

Ursula Weidenfeld ist Wirtschaftsjournalistin in Berlin. Ihr Buch heißt: "Regierung ohne Volk. Warum unser politisches System nicht mehr funktioniert" und ist bei Rowohlt Berlin erschienen.

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