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Konjunktur: Die Regierung sollte jetzt die Füße stillhalten


Konjunktur kühlt ab
Die Regierung sollte jetzt die Füße stillhalten

MeinungEine Kolumne von Ursula Weidenfeld

20.08.2019Lesedauer: 3 Min.
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Baukräne auf einer Baustelle: Ein Eingreifen der Bundesregierung würde zu diesem Zeitpunkt den Abschwung verstärken.Vergrößern des Bildes
Baukräne auf einer Baustelle: Ein Eingreifen der Bundesregierung würde zu diesem Zeitpunkt den Abschwung verstärken. (Quelle: Future Image/imago-images-bilder)

Eine Rezession bahnt sich an und viele fordern deshalb ein Eingreifen der Regierung. Doch das wäre zum jetzigen Zeitpunkt der falsche Weg.

Wenn sich in den kommenden Wochen nichts ändert, steht dem Land ein ziemlich ungemütlicher Herbst bevor. Die Konjunktur kühlt ab, die Börsen reagieren nervös. Und es ist nicht auszumachen, ob sich die zurzeit wichtigsten Männer der Welt – Donald Trump, Boris Johnson und Xi Jingping – von der drohenden Krise beeindrucken lassen. Deshalb meinen viele, dass sich die Bundesregierung mit ihren eigenen Mitteln gegen eine mögliche Wirtschaftskrise stemmen soll. Doch dafür ist es zu früh. Sinnvolle Maßnahmen können jetzt noch nicht in Kraft gesetzt werden.

Warum Konjunkturprogramme den Abschwung verstärken würden

Würde man in diesen Wochen Konjunkturprogramme oder ein höheres Staatsdefizit planen, wie das im Bundesfinanzministerium angeblich passiert, würde das den Abschwung womöglich verstärken: Unternehmer und Verbraucher könnten Anschaffungen und Investitionen verschieben, bis das erwartete Programm beschlossen ist und satte Zuschüsse ausgezahlt werden. Die jetzt diskutierten Vorhaben dagegen betreffen Lieblingsprojekte der Bundesregierung, für die bisher nur die Finanzierung fehlte. Würden sie der Wirtschaft helfen, sich gegen den Abschwung zu stemmen? Das ist völlig ungewiss.

Zwar sind die Zinsen zurzeit sensationell niedrig und es wäre verlockend, Geld gegen Datenarmut auf dem Land und Wohnungsarmut in der Stadt auszugeben. Doch die Baukonjunktur läuft nach wie vor hervorragend. Wohnungsbau-, Straßen- oder zusätzliche Daten-Infrastrukturprogramme würden hier vor allem die Preise in die Höhe treiben.

Wann die Regierung bei einer Konjunkturkrise eingreifen sollte

Gegen eine Konjunkturkrise anzuregieren, ist schwer. Es kommt auf das richtige Maß, die richtigen Vorhaben und vor allem den richtigen Zeitpunkt an: Solange sich die Wirtschaft noch im Abschwung befindet, ist kaum ein Kraut gewachsen. Das einzig Sinnvolle in dieser Phase ist, die Füße stillzuhalten. Nur möglichen Steuerausfällen und Problemen der Sozialversicherungen sollte man nicht hinterhersparen.

Erst wenn der konjunkturelle Tiefpunkt erreicht ist, lohnt es sich, aktiv in eine Trendwende zu investieren. Dann allerdings muss man die richtigen Branchen erwischen. Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer hat beispielsweise eine Abwrackprämie für alte Heizungen ins Gespräch gebracht. Im Prinzip ist das eine gute Idee.

Wie Abwrackprämien die Wirtschaft ankurbeln können

Jede vierte Heizungsanlage in Deutschland ist älter als 25 Jahre. Diese Kessel müssten schon aus Klimaschutzgründen bald ausgetauscht werden. Außerdem sind Anschaffung und Einbau teuer – eine staatliche Prämie würde also eine vergleichsweise hohe private Ausgabe auslösen. Der Konjunktur bekäme das gut. Einziges Problem: Im Herbst und Winter wechselt man die Heizung nicht so gern aus.

Falsch ist es auch, jetzt über weitere Abwrackprämien "für alle Fälle" nachzudenken. Abwrackprämien für Maschinen, Autos oder Lastwagen betreffen meist lang geplante Kaufüberlegungen. Es werden nicht mehr Geräte gekauft, aber der Zeitpunkt der Anschaffung verändert sich, wenn es staatliche Förderprogramme gibt. Der Trick ist, dafür zu sorgen, dass geplante Investitionen vorgezogen werden – ohne zu riskieren, dass Verbraucher und Unternehmen im Vorfeld gar nichts mehr kaufen, weil sie auf den Zuschuss warten. Nach der Finanzkrise ist das bei der Prämie für alte Autos ausgezeichnet gelungen. Ob sich ein solcher Glücksfall wiederholen lässt? Ziemlich unsicher.

Der Abschwung bringt die Klimabilanz in Ordnung

Auch auf der Seite der Arbeitnehmer und Verbraucher herrscht keine Eile. Ein ausgeweitetes Kurzarbeitergeld etwa muss jetzt noch nicht beschlossen werden. Trotz der vielen Meldungen über Entlassungen ist der Arbeitsmarkt noch in Ordnung. Der Personalabbau in einigen Unternehmen wird durch den Mitarbeitermangel in anderen Firmen immer noch übertroffen. Wenn die Auftragslage nachlässt, können viele Mitarbeiter zudem noch ihre prallen Arbeitszeitkonten nutzen, um entweder verlängerte Ferien zu machen oder Weiterbildungsangebote wahrzunehmen. Sollte tatsächlich eine tiefe Wirtschaftskrise ausbrechen – dann könnten entlassene Arbeitnehmer nicht mehr damit rechnen, eine neue Stelle zu finden – ändert sich das Bild. In diesem Fall ist es vernünftig zu helfen, dass die Mitarbeiter erst einmal im Unternehmen bleiben können.

Und all die schönen Ideen? Mehr Klimaschutz, schnellere Daten, bessere Straßen? Nach zehn Jahren Aufschwung ist es schon seltsam, dass so viel liegen geblieben ist und jetzt unbedingt auf Kredit finanziert werden soll, oder? Zumindest einen Lichtblick gibt es trotzdem: Wenn weniger produziert und transportiert wird, wird weniger CO2 ausgestoßen. Der Abschwung bringt die Klimabilanz ganz allein in Ordnung – auch ganz ohne neues Milliardenprogramm.

Ursula Weidenfeld ist Wirtschaftsjournalistin in Berlin. Ihr Buch heißt: "Regierung ohne Volk. Warum unser politisches System nicht mehr funktioniert" und ist bei Rowohlt Berlin erschienen.

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