t-online - Nachrichten für Deutschland
t-online - Nachrichten für Deutschland
Such IconE-Mail IconMenü Icon



HomeWirtschaft & FinanzenAktuellesWirtschaft

Abhängigkeit von China: Diese Lieferrisiken drohen deutschen Firmen


Abhängigkeit von China
Diese Lieferrisiken drohen deutschen Firmen

MeinungEine Kolumne von Ursula Weidenfeld

Aktualisiert am 17.08.2021Lesedauer: 3 Min.
Meinung
Was ist eine Meinung?

Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.

Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.
Containerhafen in China (Symbolbild): Viele Unternehmen verlassen sich bei Vorprodukten aus Lieferungen aus China, das ist riskant und könnte in Zukunft bitter bestraft werden.Vergrößern des Bildes
Containerhafen in China (Symbolbild): Viele Unternehmen verlassen sich bei Vorprodukten aus Lieferungen aus China, das ist riskant und könnte in Zukunft bitter bestraft werden. (Quelle: getty-images-bilder)

Transportprobleme bremsen schon jetzt die wirtschaftliche Erholung, in Zukunft dürfte sich das häufen. Und: Es könnte noch schlimmer kommen. Unternehmen müssen daher Lieferalternativen zu China finden.

In Deutschland sind die Lokomotivführer, in China die möglicherweise Corona-infizierten Hafenarbeiter verantwortlich, wenn der schöne Traum vom ungebremsten Nach-Corona-Aufschwung schon wieder in Gefahr gerät. Die Industrieunternehmen bangen um die pünktliche Zustellung von Vorprodukten, die Lieferketten sind schon wieder unter Druck. Kein Zweifel: Die wirtschaftliche Erholung ist wackliger als bisher vermutet.

In einem industrielastigen Land wie Deutschland richtet sich der Blick der Analytiker normalerweise vor allem auf die Produktion, die Kosten und den Verkauf: Wie gut sind die Erzeugnisse, wie stark ist die Innovationskraft, wie teuer ist die Arbeit, worauf achten die Kunden? Just-in-Time-Management, die minutengenau gesteuerte Anlieferung von Rohstoffen und Bauteilen galt bisher als reine Verfügungsmasse: Je besser geplant wird, desto geringer fallen am Ende die Kosten für teure Lagerhaltung und -verwaltung aus.

Jetzt aber wird deutlich, dass die Logistik, der Transport und die Verfügbarkeit der Vorprodukte mindestens ebenso wichtig sind wie der Bau von Autos und Maschinen selbst. Die Lieferkette ist zum Flaschenhals geworden, der am Ende über die Stärke des wirtschaftlichen Aufschwungs im ganzen Land mitentscheidet.

Lieferanten in verschiedenen Regionen suchen

Schon jetzt sorgen Engpässe bei Mikrochips, Baumaterialien und Stahl dafür, dass die Stimmung sinkt. In den kommenden Monaten und Jahren werden sich unerwartete Einschränkungen der Weltwirtschaft häufen.

Deshalb müssen die Unternehmen bei den Lieferanten künftig nicht nur auf den Preis und die Produktionskapazitäten schauen – sondern mehr und andere Zulieferer suchen, die in unterschiedlichen Weltregionen arbeiten. Sich allein von China abhängig zu machen ist in einer Zeit mit multiplen und nicht vorhersehbaren Krisen zu riskant. Das trifft vor allem die deutsche Industrie.

Die Risiken sind unterschiedlicher Natur:

1. Geopolitik: Am wichtigsten ist die Frage, ob und wer in Zukunft zuverlässig liefern kann. In China, dem wichtigsten Handelspartner Deutschlands in Asien, wird die Produktion gerade in diesen Monaten politisch. Es ist nicht deutlich zu erkennen, wie sich die Handelsbeziehungen zwischen Europa, den USA und China weiterentwickeln werden. Das komplizierte Verhältnis zwischen Washington und Peking wird sich auch in Europa wirtschaftlich auswirken, so viel ist klar.

Die USA werfen China vor, die Menschenrechte der Uiguren zu missachten, den Vertrag über den Status Hongkongs zu verletzen, Cyberangriffe zu organisieren. Noch wird die Sache vor allem auf diplomatischer Ebene ausgetragen, doch werden die "schwarzen Listen" für Unternehmen und Personen immer länger. Dass sich der Konflikt in naher Zukunft entschärft, ist unwahrscheinlich.

"Ever Given" machte Problematik deutlich

2. Transport: Spätestens seit der Havarie der "Ever Given" im Suezkanal ist auch für Laien deutlich geworden, wie wichtig zuverlässige und sichere Handelswege sind. Die tagelange Blockade auf dem Suezkanal hatte für Europa schwerwiegende wirtschaftliche Folgen. Rohstoffe wie Öl wurden auf einmal knapp und teuer, Vorprodukte und Ersatzteile lagen wochenlang vor der Einfahrt in den Kanal fest, andere Schiffe mussten den teuren und weiten Umweg um Afrika herum nehmen. Schiffscontainer, deren Verfügbarkeit ohnehin schon durch die Folgen der Corona-Pandemie knapp war, waren auf einmal gar nicht mehr oder nur noch zu dramatisch hohen Preisen zu bekommen.

Auch andere Transportwege werden in diesen Wochen fragiler. Afghanistans Luftraum beispielsweise ist seit der Machtübernahme der Taliban am Wochenende für zivile Flugzeuge gesperrt. In China ist mit dem Hafen von Ningbo-Zhoushan in der vergangenen Woche der zweite große Container-Umschlagplatz des Landes wegen zunehmender Corona-Infektionen teilweise geschlossen worden. Betroffen ist vor allem der Umschlag von Technik- und Elektronikgütern nach Europa.

Und: Nicht einmal in Deutschland können die Firmen zur Zeit sicher sein, ihre Bestellungen pünktlich zu erhalten. Wer für die kommenden Wochen einen Bahntransport gebucht hat, muss wegen des Arbeitskampfes zwischen Bahn und Lokführern entweder schnell auf die Straße umbuchen – oder warten.

Produzenten müssen ihre Lieferketten detailliert kennen

3. Ethik: Die eigene Lieferkette genau zu kennen, wird vor allem für große Markenartikler immer wichtiger. Nicht nur, weil große Unternehmen jetzt gesetzlich verpflichtet sind, bei ihren Zulieferfirmen auf die Einhaltung der Menschenrechte und des Umweltschutzes zu achten. Sie müssen nun auch wissen, welche Vorproduzenten ihr Lieferant beschäftigt – und wie die es mit den Standards halten. Wer Lieferanten hat, die Menschenrechte oder Umweltstandards verletzen, kann dafür haftbar gemacht werden.

Kurzfristig lassen sich die Lieferketten gegen diese Risiken kaum sichern. Auf eine Produktion in Deutschland und Europa umzustellen, ist für die meisten Unternehmen nur beschränkt möglich und sinnvoll. Doch künftig stärker auf andere asiatische Länder, auf Indien und Lateinamerika zu schauen, wäre nicht nur vernünftig. Es ist notwendig.

Ursula Weidenfeld ist Wirtschaftsjournalistin in Berlin. Heute erscheint ihr neues Buch: Die Kanzlerin. Porträt einer Epoche. Sie können es jetzt bestellen.

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...

ShoppingAnzeigen

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...



TelekomCo2 Neutrale Website