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Deka-Chefvolkswirt: "Niemand muss wegen der Inflation in Panik geraten"


Deka-Chefvolkswirt Kater
"Niemand muss wegen der Inflation in Panik geraten"

  • Florian Schmidt
InterviewVon Florian Schmidt

Aktualisiert am 02.03.2021Lesedauer: 7 Min.
Interview
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Der Gesprächspartner muss auf jede unserer Fragen antworten. Anschließend bekommt er seine Antworten vorgelegt und kann sie autorisieren.

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Frau beim Einkaufen (Symbolbild): Die Inflation zieht an. Wird jetzt alles teurer?Vergrößern des Bildes
Frau beim Einkaufen (Symbolbild): Die Inflation zieht an. Wird jetzt alles teurer? (Quelle: IPA Photo/imago-images-bilder)

Seit Januar wird in Deutschland vieles teurer, die Inflation steigt kräftig an. Doch ist das schlimm? Und was bedeutet das für meine Geldanlage? Der Chefvolkswirt der Dekabank, Ulrich Kater, gibt Antworten.

Die Inflation ist wieder da. Nachdem die Preise in Deutschland 2020 nur minimal um 0,5 Prozent stiegen, legt die Teuerung seit Beginn des laufenden Jahres deutlich zu: Erst am Montag verkündete das Statistische Bundesamt eine Inflationsrate von 1,3 Prozent für den Februar.

Viele Verbraucher sind deshalb beunruhigt und haben Fragen. Wie geht das weiter? Was wird alles teurer? Und vor allem: Wie bringe ich jetzt mein Geld vor der Entwertung in Sicherheit?

t-online hat darüber mit dem Chefvolkswirt der Dekabank, Ulrich Kater, gesprochen. Im Interview erklärt er, warum wir uns kurzfristig keine Sorgen machen müssen, wie sich die Inflation in den 20er-Jahren entwickeln wird – und welche Form der Geldanlage sich jetzt lohnt.

t-online: Herr Kater, die Urangst der Deutschen ist zurück, die Inflation wieder da. Wie sehr fürchten Sie sich vor ihr?

Ulrich Kater: Furcht ist immer ein schlechter Ratgeber, und auch in diesem Fall nicht angemessen. Klar, für dieses Jahr sieht das unerfreulich aus, die Inflationsrate steigt sogar noch weiter an. 2022 aber wird es schon wieder besser, da wird die Inflation zurückgehen.

Mit wie viel Prozent Preissteigerung rechnen Sie denn für das laufende Jahr?

Für Deutschland gehen wir im laufenden Jahr von einer Inflationsrate in Höhe von 2,3 Prozent aus, 2022 werden es voraussichtlich 1,5 Prozent. Im Augenblick erleben wir hauptsächlich einen Ausgleichseffekt, denn im vergangenen Corona-Jahr waren die Preise fast überhaupt nicht gestiegen.

Woher kommt dieser Effekt?

Die Aufholjagd hat vor allem drei Ursachen. Zunächst einmal hat die Regierung die Mehrwertsteuer wieder auf ihr normales Niveau angehoben. Dann ziehen momentan die Ölpreise wieder an, weil die Wirtschaft wieder anspringt und die Unternehmen wieder mehr produzieren. Das macht zum Beispiel das Benzin teurer. Der dritte Grund für die höheren Preise ist die neue CO2-Abgabe, die ebenfalls die Preise für Strom, Heizöl und fürs Tanken nach oben treiben.

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Das sind alles Faktoren, die seit Jahresbeginn greifen. Klingt, als sei es mit den Preissteigerungen dann schon bald wieder vorbei.

Nicht ganz. Denn im Jahresverlauf werden auch einige andere Waren und vor allem Dienstleistungen teurer.

Zum Beispiel?

Der Kinobesuch wird dieses Jahr etwas mehr kosten, wenn wieder geöffnet ist. Auch die Restaurantbetreiber werden die Preise erhöhen wollen, um nach dem Lockdown ein wenig Boden gutzumachen. Dasselbe gilt für die Reiseanbieter. Das sind einmalige Effekte, die die Menschen spüren werden. Die meisten Deutschen können sich die höheren Preise aber leisten. An der Nachfrage wird es nicht mangeln: Denn im Corona-Jahr 2020 haben viele Leute Geld gespart, statt es wie sonst zum Beispiel für Reisen auszugeben.

Also kein Grund zur Sorge?

Niemand muss wegen der Inflation kurzfristig in Panik geraten. Und auch mittelfristig wird sich die Inflation nach diesem einmaligen Aufholjahr erst mal wieder stabilisieren.

Der Ökonom
Ulrich Kater ist seit 2004 Chefvolkswirt der Dekabank und gilt als einer der führenden Experten für geld- und finanzpolitische Fragen in Deutschland. Nach seinem Volkswirtschaftsstudium in Köln und Göttingen promovierte er 1995 am Finanzwissenschaftlichen Lehrstuhl der Uni Köln. Anschließend arbeitete er für das Gremium der "Wirtschaftsweisen", wo er sich vor allem mit der Geldpolitik, Zentralbanken, Inflation und Währungen beschäftigte. Seit 1999 ist er bei der Dekabank und baute die volkswirtschaftliche Abteilung des Geldhaues mit auf.

In Ordnung, wie aber wie sieht es langfristig, in den nächsten zehn Jahren aus?

Das ist eine ganz andere Frage, die in akademischen Kreisen wie auch an den Finanzmärkten gerade viel diskutiert wird. Ein Grund dafür ist die Alterung der Gesellschaft: Wenn dem Arbeitsmarkt künftig weniger Menschen zur Verfügung stehen, weil geburtenstarke Jahrgänge in den Ruhestand getreten sind, können diese viel leichter höhere Gehälter durchsetzen und auf diese Weise eine Lohn-Preis-Spirale in Bewegung setzen. Um diese Löhne zu finanzieren, werden die Firmen wiederum die Preise für die Waren und Dienstleistungen erhöhen.

Für wie wahrscheinlich halten Sie dieses Szenario?

Ich sehe darin schon eine gewisse Plausibilität. Aber dafür gibt es keine Blaupausen: Inflation ist immer auch von solchen und anderen Rahmenbedingungen in Wirtschaft und Gesellschaft abhängig. Und diese ändern sich mit der Zeit. Zum Beispiel hat die Globalisierung der vergangenen Jahrzehnte die Inflation entlastet, weil günstige Produkte etwa aus Asien kamen. Auch dies könnte sich ändern. Die Kosten dort steigen auch. Ab der zweiten Hälfte der 20er-Jahre, spätestens mit Beginn der 30er-Jahre könnte der Inflationsdruck steigen. Entscheidend wird dann sein, wie sich die Notenbanken, in unserem Fall die Europäische Zentralbank (EZB), verhalten.

Wie genau meinen Sie das?

Salopp gesagt: Die EZB muss dann aufpassen, dass aus vier Prozent nicht acht werden. Denn eine einmal begonnene höhere Inflation kann sich leicht beschleunigen.

Acht Prozent Inflation? Das würde bedeuten, dass eine große Tankfüllung nach einem Jahr statt 92 Euro fast 100 Euro kostete.

Richtig, da sind wir dann in Sphären, bei denen die Preise merklich davon galoppieren. Und das ist auch der Kern des Problems: Ist die Teuerung erst einmal so hoch, verselbstständigt sie sich schnell und die EZB bekommt große Probleme, sie wieder einzufangen – weil sie dann die Zinsen sehr schnell sehr stark anheben müssten.

Aber das könnte sie doch ganz einfach machen, oder?

Theoretisch schon, schließlich ist sie unabhängig. aber praktisch würde sie damit enorme Kosten verursachen: Die Konjunktur würde einknicken, die hoch verschuldeten Staaten kämen in die Bredouille. Sie müssten für ihre Kredite plötzlich sehr viel mehr Zinsen zahlen. Meine Befürchtung ist, dass der politische Druck auf die EZB dann so groß wird, dass sie kaum mehr so unabhängig handeln kann, wie sie es soll. Noch mal: Das ist ferne Zukunftsmusik, aber an den Kapitalmärkten denkt man eben weit in die Zukunft.

Sie spielen auf die sogenannte Inflationserwartung an, die Frage, wie sehr die Menschen von steigenden Preisen in der Zukunft ausgehen – und schon deshalb womöglich mehr einkaufen.

Richtig. Schon Ludwig Erhard sagte: "50 Prozent der Wirtschaft ist Psychologie" – und damit hat er recht. Es geht deshalb gar nicht so sehr ums Gelddrucken, um Verschuldung und Zinsen, sondern um Glaubwürdigkeit. Die EZB muss glaubhaft vermitteln, dass sie alles dafür tut, um für Preisstabilität und ein gesundes Maß an Teuerung zu sorgen. Nur so schafft sie Sicherheit an den Märkten und damit in der gesamten Wirtschaft. Zurzeit ist das noch klar der Fall, aber hoffentlich bleibt das auch so.

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Verunsichert sind aktuell auch viele Sparer und Anleger. Wie können sie sich vor einem drohenden Wertverlust durch die Inflation schützen?

Die alte Regel hält: Am sichersten ist das Geld in Inflationszeiten in Sachwerten.

Also Immobilien und Gold?

Immobilien ja, Gold eher nein. Denn die Rohstoffe, zu denen Gold auch zählt, unterliegen starken Schwankungen, und man sollte einzelnen Anlagen kein zu hohes Gewicht geben. Sachwerte sind aber auch Aktien, also Anteile an Unternehmen. Die schaffen es in aller Regel auch in Zeiten mit höherer Inflation ihre Gewinne steigern zu können und damit auch den Wert des Unternehmens. Auch Aktien können also vor der Inflation schützen. Mit einer breiten Streuung lassen sich auch die Wertschwankungen reduzieren.

In den vergangenen Wochen, als verstärkt von der Inflation die Rede war, sah das nicht so aus. Da wirkte es, als gingen den Aktienmärkten die Puste aus.

Das stimmt. Wenn es mit der Inflation losgeht, haben die Aktienmärkte ein paar Anlaufschwierigkeiten. Das hängt damit zusammen, dass im ersten Schritt zunächst die Zinsen für Anleihen, also Kredite an Unternehmen oder Staaten, steigen, weil die Kreditgeber die höhere Inflationsrate draufschlagen. Dadurch werden mittelfristig Anleihen attraktiver und Aktien im Vergleich etwas unattraktiver. Aktien holen diesen Startnachteil dann aber wieder auf. Auch wenn die Börsen gerade eine Verschnaufpause einlegen – langfristig werden Aktien weiter steigen. Auch beim Dax werden wir dieses Jahr neue Höchststände sehen. Aktien werden die Anlageform der 20er-Jahre.

Anleihen waren zuletzt kaum interessant, die Zinserträge minimal. Werden Rentenpapiere durch die Inflation also wieder spannender?

Ja, durchaus, wenn die Renditen gestiegen sind. Wobei Sie bei Anleihen genau wie bei Aktien auf eine breite Streuung achten sollten. Gerade wenn Sie die Papiere bis zum Fälligkeitsdatum halten wollen, sollten Sie in Unternehmen verschiedener Branchen investieren, um so das Ausfallrisiko zu verringern.

Was ist mit Staatsanleihen?

Da würde ich hingegen noch etwas warten, weil die Zinsen weiterhin so niedrig sind, dass sich ein Investment jetzt noch nicht lohnt. Selbst wenn deutsche Staatsanleihen in den kommenden Jahren mal wieder eine positive Rendite abwerfen sollten, ist das im Vergleich zu Unternehmensanleihen oder Aktien immer noch sehr wenig.

Und wie sieht es mit Geld aus, das ich auf dem Girokonto oder gar dem Sparbuch liegen habe?

Damit sieht es ganz schlecht aus. Denn so lange die Banken die Zinsen fürs Giro-, Tages- oder Festgeldkonto nicht anheben, verliert das Ersparte mit jedem Prozent Inflation an Kaufkraft. Und das kann eine Weile so gehen, weil sich die Banken mit ihren Zinsen an der EZB orientieren: Erhöht diese die Zinsen nicht, tun es auch die Banken nicht. Und ich glaube, dass die EZB so lange nicht auf die Inflationsdiskussion reagieren wird, bis nicht wirklich eindeutige Signale für einen langfristigen Inflationszyklus auftauchen.

Das klingt nicht gut. Was also würden Sie jenen raten, die ihr Geld heute für einen Zeitraum von 20 Jahren anlegen wollen?

Der Teil des Vermögens, der über 15 oder 20 Jahre nicht benötigt wird, kann komplett in Aktien investiert werden. Je nach dem wie groß die Summe ist, sollte sie oder er es aber besser nicht auf einen Schlag anlegen, sondern das Investment über mehrere Jahre verteilen, um so auch von Phasen mit Kursrücksetzern zu profitieren.

Und was macht derjenige, der sein Geld nur für fünf Jahre nicht braucht und anlegen möchte?

Da wird es schon schwieriger. Wer weiß, dass er die Summe nach fünf Jahren schon braucht, sollte deutlich weniger, etwa 10 oder 20 Prozent seines Geldes in Aktien oder Immobilienanteile investieren. Der Rest sollte in Anleihen entsprechender Laufzeit fließen, einen Teil wird er sicherlich sogar als Barreserve auf dem Konto halten müssen, weil die Risiken etwa am Aktienmarkt über einen solch kurzen Zeitraum zu groß sind.

Herr Kater, ich danke Ihnen für das Interview.

Verwendete Quellen
  • Telefonisches Interview mit Deka-Chefvolkswirt Ulrich Kater
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