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Debatte um Flugplätze: "Regionalairports sind ökonomisch eine Vollkatastrophe"


Debatte um Airports
Warum viele deutsche Flughäfen vor dem Aus stehen

Von Mauritius Kloft

Aktualisiert am 07.03.2021Lesedauer: 7 Min.
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Ein Lufthansa-Jet am Flughafen Friedrichshafen: Normalerweise heben hier auch große Flieger ab. Wegen Corona ist das aber eine Seltenheit geworden.Vergrößern des Bildes
Ein Lufthansa-Jet am Flughafen Friedrichshafen: Normalerweise heben hier auch große Flieger ab. Wegen Corona ist das aber eine Seltenheit geworden. (Quelle: Flughafen Friedrichshafen GmbH/Samy Kramer)

Neben Airlines sind auch die deutschen Flughäfen wegen Corona in finanzielle Schwierigkeiten geraten. Besonders kleine Flugplätze stehen vor dem Aus. Umweltschützer hoffen auf die Schließung der Airports.

Wenn sich im Büro von Claus-Dieter Wehr dieser Tage Staub ansammelt oder der Mülleimer überquillt, muss er selbst ran: Ärmel hochkrempeln, Müll rausbringen, sauber machen. Vor Corona war das noch anders, da sorgte ein Putzunternehmen für Ordnung. "Um zu sparen, reinigen wir derzeit unsere Büros selbst", sagt Wehr. "Das gilt auch für die Geschäftsführung."

Claus-Dieter Wehr leitet den zweitältesten Flughafen Deutschlands, den Bodensee-Airport in Friedrichshafen, keine drei Kilometer vom größten See des Landes entfernt. Ein Flughafen, der auf die gigantischen Zeppeline vom gleichnamigen Luftfahrtpionier zurückgeht.

Doch vom Glanz der alten Tage ist derzeit wenig zu spüren. Denn: Seit der Pandemie befindet sich der Flughafen in einer tiefen finanziellen Krise. Anfang Februar musste die Betreibergesellschaft des Airports gar unter einen rechtlichen Schutzschirm flüchten, ein spezielles Insolvenzverfahren. Die Zukunft des Airports ist ungewiss.

"Viele Airports sind in ihrer Existenz bedroht"

Der Bodensee-Airport steht stellvertretend für die gesamte Flughafenlandschaft in Deutschland – und besonders für die kleineren, regionalen Flugplätze. Von 38 Verkehrsflughäfen in Deutschland sind allein 18 regionale Airports. Sie trifft die Pandemie noch härter als die großen Drehkreuze wie Frankfurt oder München.

"Die Corona-Krise hat tiefe Spuren hinterlassen", sagt Ralph Beisel, Geschäftsführer des Flughafenverbands ADV, im Gespräch mit t-online. "Viele Airports sind in ihrer Existenz bedroht. Ein Viertel der Arbeitsplätze steht auf dem Spiel."

Das Hauptproblem: Die Flughäfen in Deutschland haben eine sogenannte Betriebspflicht, wie Beisel gern betont. Die Betreiberunternehmen der Airports sind laut Luftverkehrs-Zulassungs-Ordnung verpflichtet, "den Flughafen in betriebssicherem Zustand zu halten und ordnungsgemäß zu betreiben".

Davon befreien können die Flughäfen lediglich die jeweils zuständigen Luftfahrtbehörden der Bundesländer. Das Problem: Durch diese Betriebspflicht kommen aber Vorhaltekosten auf den Flughafen zu – etwa für die Feuerwehr am Platz.

So wenige Fluggäste wie seit der Wiedervereinigung nicht

In normalen Zeiten machen den Flughäfen diese Kosten wenig aus. Denn es fließen auch enorme Einnahmen in die Kassen: Beispielsweise Gebühren von den Airlines, die auf dem Flughafen landen oder Gelder aus Parktickets von Touristen, die ihr Auto während eines zweiwöchigen Urlaubs vor dem Terminal stehen lassen.

Durch die Corona-Pandemie fallen diese Einkünfte weg, die Fluggastzahlen sprechen für sich. Im vergangenen Jahr sind in Deutschland wegen der Corona-Krise so wenige Menschen mit dem Flugzeug geflogen wie noch nie seit der Wiedervereinigung.

Das Statistische Bundesamt zählte 2020 an den 24 größten Verkehrsflughäfen zusammen noch 57,8 Millionen Passagiere. Das entspricht in etwa einem Viertel (25,5 Prozent) des Aufkommens von 2019. 1991 hatten im wiedervereinten Deutschland 63 Millionen Passagiere die Flughäfen genutzt. Bereits zwischen April und Juni 2020 sind den Airports laut ADV so Erlöse von 1,3 Milliarden Euro entgangen.

Bodensee-Airport hat sich von Betriebspflicht befreien lassen

Der Flughafen Friedrichshafen bildet dabei keine Ausnahme. Der Flughafen habe sich deshalb bereits vergangenes Jahr von der Betriebspflicht befreien lassen. "Das gilt erst einmal bis Ende März 2021", so Wehr. "Wir werden die Aussetzung der Betriebspflicht aber wahrscheinlich verlängern lassen müssen. Es ist leichter, vom ruhigeren in den aktiveren Zustand zu wechseln, als umgekehrt."

In der Praxis heißt das: Der Airport läuft in einer Art Stand-by-Modus, regulär geöffnet ist er nicht. Allerdings können Piloten ihre Maschinen trotzdem in Friedrichshafen zu Boden bringen – auf Anfrage, wie Wehr erklärt. Spätestens drei Stunden vor dem Touchdown müssen sie dafür Bescheid geben. "Dann stellen wir alles Notwendige bereit", so der Flughafen-Chef. Dasselbe gilt auch, wenn Flieger vom Bodensee aus starten möchten.

Dass der Betrieb so auf absoluter Sparflamme laufe, habe dem Airport geholfen, überhaupt über die Runden zu kommen. "Ohne die Aussetzung der Betriebspflicht wäre ein Weiterbetrieb schwer geworden", sagt Wehr. "Das wusste auch die zuständige Behörde. Sie – und auch unsere Nutzer – haben uns diese Lösung ermöglicht."

"Schon vor Corona gab es Probleme"

Doch woher rührt die labile finanzielle Situation bei den Regionalairports? Ist es allein die fehlende Größe, die ihnen im Vergleich zu anderen Airports zusetzt?

Beisel hat auch eine andere Erklärung. "Schon vor Corona gab es Probleme: Viele Regionalflughäfen wurden schwer durch Airline-Insolvenzen wie Air Berlin oder Germania getroffen", sagt er. "Brechen wichtige Airlines weg, belastet das den ganzen Standort."

So auch am Bodensee: Im Jahr 2020 musste die deutsche "Sun Air" Insolvenz anmelden. Doch zu den Airline-Insolvenzen komme ein zusätzliches und weitaus gravierenderes Problem, so Beisel: "Viele kleine Flughäfen konnten kaum ein Finanzpolster in den guten Jahren aufbauen."

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Bei kleinen Flughäfen gebe es eine "Wettbewerbsverzerrung"

Auf den ersten Blick scheint es, als wirtschafteten die Regio-Airports einfach nur schlechter. Das aber will Wehr so nicht stehen lassen. "Unser zentrales Problem ist: Wir müssen die Kosten für die Flugsicherung selbst tragen", sagt er.

Beisel nennt diesen Umstand gern auch "Wettbewerbsverzerrung". Denn: Bei internationalen Hubs wie dem Frankfurter Flughafen ist die Deutsche Flugsicherung zuständig. "Bei großen Airports rechnen Airlines und Deutsche Flugsicherung das direkt miteinander ab – der Flughafen hat keine Kosten", so Beisel.

"Regionalairports sind Vollkatastrophe"

Anders sieht das Werner Reh. Er ist Sprecher des Arbeitskreises Verkehr bei der BUND-Bundesgeschäftsstelle, und hat im Auftrag der Umweltschutzorganisation bereits im vergangenen Sommer ein Gutachten zur Wirtschaftlichkeit der Airports erstellt – mit eindeutigem Ergebnis.

Sieben Flughäfen sollten seiner Meinung nach direkt dichtmachen, darunter Saarbrücken, Frankfurt-Hahn oder Düsseldorf-Weeze. Andere – darunter der Flughafen Friedrichshafen – hätten noch eine Zukunft, aber keine rosige. "Jetzt in der Corona-Krise wäre die beste Möglichkeit, sich endlich von den Flughäfen zu trennen", sagte Reh t-online.

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Sein Argument: Schon vor Corona schrieben die meisten Regio-Airports rote Zahlen. Und in der Pandemie sei das erst recht klar. Allein an den Kosten für die Flugsicherung liege das sicherlich nicht. "Regionalairports sind ökonomisch eine Vollkatastrophe", so Reh.

Airports seien "CO2-Schleudern"

Doch neben den ökonomischen Bedenken gibt es auch ökologische. "Flughäfen sind nichts anderes als CO2-Schleudern. Es ergibt heutzutage null Sinn mit viel Steuergeldern diese am Leben zu erhalten", so Reh.

Sie sorgten lediglich dafür, dass die Bürger "möglichst einfach, möglichst billig und möglichst viel fliegen". "Das kann nicht unser Ziel sein", sagt Umweltschützer Reh. Sein Vorschlag: Statt die kleinen Flugplätze über Beteiligungen der Bundesländer am Leben zu halten, sollte der Staat lieber das Bahnnetz ausbauen. "Wenn es weniger Flughäfen gibt, werden auch weniger Menschen fliegen."

Flughafenverbands-Chef Beisel sieht das naturgemäß anders. "Es ist falsch, Regionalflughäfen nur nach betriebswirtschaftlichen Kennzahlen zu messen", so Beisel. "Es ist unerlässlich, auch den regionalwirtschaftlichen Nutzen miteinzubeziehen." Was er damit vor allem meint: Arbeitsplätze und eine gute Verkehrsanbindung.

Firmen vor Ort benötigten Airports

Auch Wehr, der Airport-Chef vom Bodensee, sieht das so – und führt direkt praktische Gründe an. "Vor Ort sind viele internationale Unternehmen angesiedelt, die auf den Airport angewiesen sind", sagt er.

Der Flughafenchef meint damit etwa den Autozulieferer ZF oder den Antriebshersteller Rolls-Royce Power Systems. "Der Standort Friedrichshafen steht für die geballte Luftfahrt-Kompetenz", so Wehr. Mitarbeiter und Firmenchefs müssten ans internationale Verkehrsnetz angeschlossen sein.

Der Flughafen Friedrichshafen erzielt nach eigenen Angaben eine jährliche Bruttowertschöpfung von rund 56 Millionen Euro. Dagegen steht ein einstelliger Millionenbetrag, den die Eigentümer des Airports, etwa die Stadt Friedrichshafen, der Bodensee-Kreis und das Land Baden-Württemberg jährlich zuschießen müssten, heißt es. Am Ende der Rechnung stehe also ein Plus.

"Airports sind für viele Regionen und Unternehmen der Weg in die Welt", sagt auch Beisel. "Der Nutzen für die Region übersteigt oft bei weitem den Betrag, den man jährlich zuschießen muss. Da sollte man ruhig mal eine Förderung von zwei Millionen Euro der jährlichen Wertschöpfung des Flughafens von 50 Millionen Euro gegenüberstellen, von der eine ganze Region profitiert."

"Auch Autos sind Umweltsünder"

Und der Umweltaspekt? Wehr wiegelt ab. "Klar ist: Flugzeuge gehören neben anderen Verkehrsträgern auch zu den Klimasündern", sagt er. "Allerdings kann ich nicht nachvollziehen, deshalb die Airports dichtmachen zu wollen. Das wird sicherlich nicht dazu führen, dass weniger Menschen fliegen."

Eher sei es so, dass die Menschen aufs Auto umsteigen um dann zu anderen Flughäfen zu kommen. "Und Autos stoßen ebenfalls CO2 aus, sind also auch Umweltsünder." Gleichwohl räumt er aber auch ein: "Die Luftverkehrsbranche muss besser kommunizieren, dass auch sie bereit ist, CO2 einzusparen und bereits in den vergangenen Jahren dazu Maßnahmen umgesetzt hat."

Scheuer sieht sich als "Infrastruktur-Erhaltungsminister"

Das zuständige Bundesverkehrsministerium stellt sich in der Diskussion über den Sinn oder Unsinn der Airports hinter die Flughäfen. Schon im Herbst 2020 verkündete Minister Andreas Scheuer (CSU) stolz: In der Krise sei er ein "Infrastruktur-Erhaltungsminister" – und kein "Infrastruktur-Abbauminister".

Ob er damit vor allem die Regionalairports meinte, bleibt zu bezweifeln. Zwar hat die Bundesregierung im Februar ein Hilfspaket in Höhe von 600 Millionen Euro für die Flughäfen auf den Weg gebracht. Das aber richtet sich vor allem an jene Flughäfen, an denen der Bund beteiligt ist.

Hier sollen die Vorhaltekosten der Airports übernommen werden. "Das Rettungspaket für die Flughäfen im Bundesinteresse war unverzichtbar, um die leistungsfähige Flughafeninfrastruktur zu stabilisieren", so Beisel. "Jetzt gilt es, die Erstattung der Vorhaltekosten schnell an die Flughäfen zu überweisen."

Kleine Flughäfen gehen weitgehend leer aus

Die kleinen Flugplätze gehen in dem Paket derweil weitgehend leer aus. Mit einer entscheidenden Ausnahme: Die Kosten für die Flugsicherung sollen in den kommenden Jahren ersetzt werden. Dafür sind laut dem Beschlusspapier 20 Millionen Euro im Bundeshaushalt fürs Jahr 2021 eingeplant – für alle kleinen Flugplätze zusammengenommen.

Auf jeden Flughafen entfällt so also nur ein geringer Millionenbetrag. "Das kann uns schon sehr helfen", sagt Wehr. "Wir freuen uns über jedes Geld, das die Bundesregierung überweist und uns entlastet, wie es bei anderen Flughäfen der Fall ist. Die Entlastung muss nur bald kommen und nachhaltig sein."

Das ist zumindest vorgesehen. Das Geld an die Flugplätze soll auch in den künftigen Haushalten bis 2026 eingeplant werden, wie eine Sprecherin des Bundesverkehrsministeriums auf Anfrage von t-online sagte.

"Flughafenlandschaft wird sich verändern"

Doch ADV-Chef Beisel geht noch weiter. "Der Staat muss hier eine Benachteiligung – auch gegenüber anderen europäischen Regionalflughäfen – beseitigen." Seine Forderung: "Der Bund ist aufgefordert, die Flugsicherungsgebühren dauerhaft zu übernehmen."

Aus dem Bundesverkehrsministerium heißt es hierzu: "Angedacht ist, die Kosten für die Flugsicherung auch über 2026 hinaus zu übernehmen." Das greife aber nur für Flughäfen, die ohnehin eine Flugsicherung benötigen. "Wir wollen keinen Anreiz dafür schaffen, dass Airports eine Flugsicherung einrichten, um die Hilfen zu bekommen. Wir möchten lediglich entlasten."

Dass der Bund tatsächlich auch nach 2026 die Flugsicherungskosten trägt, ist aber fraglich. Darum wird sich der nächste Verkehrsminister kümmern müssen, der voraussichtlich nicht Andi Scheuer heißt – sondern womöglich von den Grünen kommt.

Für Beisel stehen jedenfalls die Konsequenzen fest, wenn die Airports auf Dauer alleingelassen werden. "Ansonsten wird sich die Flughafenlandschaft nachhaltig verändern – zum Schlechteren."

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Gespräch mit Ralph Beisel
  • Gespräch mit Claus-Dieter Wehr
  • Gespräch mit Werner Reh
  • BUND-Gutachten: "Regionalflughäfen – Ökonomisch und klimapolitisch unverantwortliche Subventionen"
  • Gespräch mit Sprecherin des Bundesverkehrsministeriums
  • Flughafenverband ADV
  • gesetze-im-internet.de
  • Mit Material der Nachrichtenagentur dpa
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