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Branson, Bezos und Musk: Milliardäre und ihr Jungens-Traum vom Weltall


Branson, Bezos, Musk
Drei Milliardäre und ihr Jungens-Traum vom Weltall

  • Bastian Brauns
Von Bastian Brauns

Aktualisiert am 11.07.2021Lesedauer: 6 Min.
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Musk, Bezos und Branson: Die US-amerikanischen Milliardäre wollen alle drei den Weltraumtourismus populär machen. (Quelle: t-online)

Gleich mehrere Superreiche streben mit ihren Raketen derzeit in den Weltraum. Aber was treibt sie an? Und wie sinnvoll ist es, dass sie mit so viel Geld uralte Wünsche Wirklichkeit werden lassen?

"Wann ist ein Mann ein Mann?" Als Herbert Grönemeyer im Jahr 1984 diese Frage zum ersten Mal ins Mikrofon presste, lautete eine seiner Antworten: "Männer bauen Raketen." Damals, in der Spätphase des Kalten Krieges, konnte der deutsche Sänger nicht ahnen, dass die heutigen Multimilliardäre Richard Branson, Elon Musk und Jeffrey Bezos bereits ihre Jungens-Idee vom Weltall im Kopf hatten und sie irgendwann tatsächlich umsetzen.

"Seit meinem fünften Lebensjahr träume ich davon, ins All zu reisen", ließ Amazon-Chef Bezos das Publikum wissen, als er seinen eigenen Raketen-Jungfernflug mitsamt seinem Bruder für den 20. Juli 2021 ankündigte. Bransons Mutter habe dem kleinen Richard immer beigebracht, "niemals aufzugeben und nach den Sternen zu greifen". Und Tesla-Boss Elon Musk erzählte kürzlich über seine Kindheit: "Ich war immer dabei, Sprengstoff herzustellen und Bücher zu lesen, Raketen zu bauen und Dinge zu tun, die mich hätten töten können."

Elon Musk gründete sein Raumfahrtunternehmen SpaceX mit dem Ziel, den Mars zu besiedeln und interplanetare Flüge wahr werden zu lassen. Wann und ob es dazu kommt ist zwar unklar, aber immerhin zum Mond sollen seine Schiffe im Auftrag der Nasa fliegen. Richard Branson, Chef von Virgin Galactic, wollte von Beginn an Weltraumtouristen in den Orbit der Erde bringen. Am 11. Juli will er nun selbst als erster Milliardär den Weltraum-Jungfernflug seiner VSS Unity starten. Jeff Bezos Raumfahrtunternehmen Blue Origin hat den Start der New-Shepard-Rakete auf den 20. Juli gelegt. Auch hierbei will der Boss persönlich mit an Bord sein. Besonders Bransons und Bezos Projekte gelten als möglicher Startschuss für den Beginn des kontinuierlichen privat-organisierten Weltraumtourismus.

Reiche Narzissten, die sich abgrenzen wollen

Schnell könnte man angesichts all dieser kostspieligen Weltallpläne der Superreichen auf die Idee kommen, hier seien schlicht narzisstische Persönlichkeiten auf der Suche nach maximaler Unterscheidung von den Normalbürgern: Bleibt ihr mal schön auf der Erde, wir gucken uns lieber oben um. Abheben, um sich abzugrenzen. Vielleicht sogar, um den Ballast des eigenen, unermesslichen Reichtums für ein paar Minuten in der Schwerelosigkeit vergessen zu machen.

Ein wenig von dieser Küchenpsychologie mag unterhaltsam sein. Doch vorrangig dürfte es den drei CEOs ums knallharte Geschäft gehen. Ließen sich mit dem Weltraumtourismus dereinst viele Milliarden Dollar umsetzen. Laut der Schweizer Bank UBS beläuft sich der Wert für die Weltraumtourismusbranche bereits jetzt auf mehr als 244 Milliarden US-Dollar.

Der Marketing-Trick vom Race to Space

Es geht, wie meistens im Leben, um Prestige. Aber eben auch um lukrative, auch staatliche, Aufträge. Und um zahlungskräftige Passagiere. In Bezos "New Shepard"-Rakete soll am 20. Juli neben ihm, seinem Bruder und der 82 Jahre alten, einstigen Astronautin Mary Wallace "Wally" Funk ein noch unbekannter Mensch sitzen, der 28 Millionen Dollar für sein Space-Ticket bezahlt haben soll. Irgendwann, vielleicht in zehn Jahren, sollen sich nicht nur Ultrareiche, sondern auch "Normalreiche" ein Ticket leisten können. Genug Gründe also, um neben den Triebwerken bereits jetzt die Marketing-Maschinerie anzuwerfen.

Genau genommen ist Bransons nun startende Maschine "VSS Unity" eher ein Flugzeug mit Raketenantrieb als eine Rakete im klassischen Sinn. Und ob er und Bezos wirklich ins Weltall fliegen, ließe sich angesichts der avisierten 80 beziehungsweise 100 Kilometer Flughöhe streiten. Aber die Vermarkter-Sehnsucht nach einem erneuten "Space Race", einem Wettlauf ins All, scheint zu groß zu sein, als dass auch die Medien auf diesen historischen Vergleich mit den 1950er- und 1960er-Jahren verzichten möchten.

Mit dem "Space Race" mag die PR-Endstufe gezündet worden sein. Ein wirkliches "Milliardärs-Rennen" jedenfalls ist das alles nicht. Elon Musk will vorerst selbst (noch) gar nicht bei SpaceX mitfliegen. Und der erste bemannte Flug mit der von ihm finanzierten Rakete zur ISS erfolgte bereits im November 2020. Aber immerhin: Mit Branson und Bezos fliegen die beiden Chefs selbst mit.

Vorbei ist die Zeit, in der Russen und Amerikaner als Kosmonauten und Astronauten einen Stellvertreterwettstreit der Systeme austrugen. Immerhin macht sich das auf der internationalen Raumstation ISS ungebetene China auf den Weg, seinen eigenen "Himmelspalast", die modulare Raumstation Tiangong, im Orbit der Erde zu bauen. Aber die große Ära der staatlichen Weltraumprojekte wie etwa den amerikanischen Apollo- oder Space-Shuttle-Programmen ist zu Ende. Nicht nur die Nasa greift längst auf private Unternehmen zurück. Auch die russische Weltraumagentur Roskosmos hat bereits in den frühen 2000er-Jahren mit dem US-Unternehmen Space Adventures Weltraumtouristen zur ISS gebracht.

Was bringt das alles eigentlich?

Klar ist: Die Projekte von Bezos, Musk und Branson haben das Potenzial, die private Weltraumwirtschaft enorm zu pushen. Sie sind der Maßstab. Scheitern sie, scheitern im Zweifel sogar deren irdische Projekte. Elon Musk stand nicht nur einmal in der Kritik, seine ambitionierten Marsflug-Pläne hätten fast das finanzielle Aus für Tesla bedeutet. Immerhin ist er von der Idee, den Mars in eine zweite Erde mit Atmosphäre umzuwandeln, inzwischen abgerückt. Aber eine sich selbst versorgende Marskolonie, davon träumt er offenbar immer noch.

Womit eine wichtige Frage gestellt werden muss: Was bringt das alles überhaupt?

Geschickt nutzen die Milliardäre für ihre Geschäftsmodelle die Faszination, welche die unendlichen Weiten auf die Menschheit schon lange ausüben. Aber um gar fremde Welten zu entdecken, unbekannte Lebensformen und neue Zivilisationen, bräuchte es mehr als Jungen-Träume, nämlich mindestens Lichtgeschwindigkeit.

Das Nachbar-Sonnensystem Alpha Centauri liegt 40 Billionen Kilometer von der Erde entfernt. Mit einer Lichtgeschwindigkeit von rund 300.000 Kilometern pro Sekunde wäre man in 4,3 Jahren (Lichtjahren) dort. Wie etwa mit den Raketen von Elon Musks SpaceX-Firma auch nur annähernd solche kosmischen Geschwindigkeiten erreicht werden sollen, steht in den Sternen. Ob sich dort dann noch ein lebenswerter Planet findet, ist vollkommen offen.

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Klimafragen und anderer irdischer Whataboutism

Vielleicht also doch zuerst die Probleme auf dem eigenen Planeten lösen? Fans vom Ausbau der privaten Weltraumwirtschaft schwärmen gerne davon, dass der Blick von oben auf die Welt etwas Einendes haben könnte. Je mehr einflussreiche Menschen das gesehen haben, desto höher also die Wahrscheinlichkeit, dass etwa der Klimawandel nachhaltig bekämpft würde? Nie war der Klimawandel ein global so bestimmendes Thema. Da mutet es vielen anachronistisch und dekadent an, Raketen mit fossilem Treibstoff und zahlenden Touristen ins All zu schießen.

"Was ich schwierig finde, ist, dass sie selbst nicht verstehen, wie zweigeteilt ihr eigenes Verhalten ist, einerseits etwas Gutes zu tun, es andererseits aber auch gleich wieder wegzunehmen", sagte Paul Peeters, Professor für nachhaltigen Tourismus und Transport an der Breda University of Applied Sciences in den Niederlanden, kürzlich dem "Politico"-Ableger "E&E News". Das sei zumindest für die Umwelt "ein ziemlich riskantes Geschäft".

Im SWR sprach der Philosoph und Buchautor Christoph Quarch von einem "präpubertären Gegockel" der drei Milliardäre. "Meine Rakete kann länger als deine und ich bin schneller als du", sei das Motto. Dabei seien die Weltraumambitionen unter dem Gesichtspunkt des Klimaschutzes für ihn unverantwortlich.

Gibt es nichts Wichtigeres auf der Welt?

Wie stark die jetzt noch kaum nennenswert große Branche die Ziele des Pariser Klimaabkommens erschweren würde, lässt sich kaum ermitteln, auch weil die Unternehmen keine exakten Daten zu ihren Emissionen nennen. Am Ende dürften die Regierungen als Regulierer hierbei aber eine wichtige Rolle spielen. Ob Raketen irgendwann auch mit E-Fuels oder grünem Wasserstoff fliegen könnten? Denkbar wäre es, aber es wäre erneut mit großen Kosten und mit hohen Sicherheitsanforderungen verbunden.

Auch die Frage nach der sozialen Gerechtigkeit ließe sich stellen. Während etwa Amazon sich auf der ganzen Welt immer wieder mit Vorwürfen konfrontiert sieht, zu wenige Steuern abzuführen und Mitarbeiter zu schlecht zu bezahlen, leistet sich der Chef und reichste Mann der Welt seine Raketenträume für Superreiche.

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David Beasley, der Leiter des Welternährungsprogramms, ruft etwa immer wieder unermüdlich in Erinnerung, den Hunger auf der Erde endlich zu beenden. Zuletzt twitterte er an Richard Branson, Elon Musk und Jeff Bezos: "Ich bin so gespannt, zu sehen, wer es zuerst in den Weltraum schafft! Aber ich würde lieber sehen, dass Sie sich zusammenschließen, um die 41 Millionen Menschen zu retten, die dieses Jahr auf der Erde verhungern werden! Es braucht dafür nur 6 Milliarden Dollar. Wir können das schnell lösen!"

Geantwortet haben die drei Weltraumfahrer ihm bislang nicht. Irdischer Whataboutism ist womöglich eine Nummer zu klein. Es geht um etwas Größeres und vielleicht auch doch ein bisschen um drei Männer und ihre Egos.

Verwendete Quellen
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