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Großbritannien: So hart trifft der Fachkräftemangel die Briten


Lkw-Krise in England
So trifft der britische Fachkräftemangel Deutschland

Von Frederike Holewik

30.09.2021Lesedauer: 4 Min.
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Mehrere britische Lkw (Symbolbild): Das Fahrerproblem in Großbritannien könnte erst die Spitze des Eisbergs beim Fachkräftemangel auf der Insel sein.Vergrößern des Bildes
Mehrere britische Lkw (Symbolbild): Das Fahrerproblem in Großbritannien könnte erst die Spitze des Eisbergs beim Fachkräftemangel auf der Insel sein. (Quelle: Taina Sohlman/imago-images-bilder)

Erst blieben die Supermarktregale leer, jetzt geht den Briten das Benzin aus: Der Fachkräftemangel auf der Insel wird zur handfesten Krise. t-online erklärt, woher die Probleme kommen und was sie für Deutschland bedeuten.

Kein Benzin und kein Bier: Die Folgen des Personalmangels und die damit verbundenen Lieferschwierigkeiten in Großbritannien werden immer drastischer. Besonders im Fokus standen dabei zuletzt die fehlenden Lkw-Fahrer. Jetzt aber schlagen Experten Alarm: Die Probleme dürften schon bald nicht nur auf die Logistikbranche begrenzt sein.

"In mehreren Bereichen besteht ein Personalmangel", sagt Lisandra Flach, Leiterin des Außenhandelszentrums des Instituts für Wirtschaftsforschung (ifo), t-online. "Ein kritisches Beispiel mit gravierenden Folgen angesichts der aktuellen Corona-Krise ist der Mangel im Pflegebereich". Flach und andere Fachleute gehen davon aus, dass noch weitere Engpässe drohen – die auch Auswirkungen auf Deutschland haben könnten. t-online erklärt die Hintergründe.

Wie schlimm ist die Lkw-Krise in Großbritannien?

Schätzungen zufolge fehlen in Großbritannien aktuell mehr als 100.000 Fahrer. Zuerst wurde das im Lebensmitteleinzelhandel spürbar. Bereits im Juli blieben hier – verstärkt durch die Ausbreitung der Delta-Variante des Coronavirus' – erste Regale leer. In den vergangenen Tagen wurde dann das Benzin an den Tankstellen knapp, sodass neben Taxis und Lieferdiensten auch Notärzte Probleme hatten ihre Fahrten anzutreten.

Das Problem liegt dabei einerseits an der Branche selbst: Brummifahrer bekommen kaum gesellschaftliche Anerkennung, wenig Geld und die Arbeitsbedingungen sind schlecht – besonders auf den Raststätten. Diese Probleme kennen auch Logistikunternehmer in Deutschland. Doch nirgendwo sind die Folgen so gravierend wie in Großbritannien.

Was tut die britische Regierung gegen die Krise?

Zur Lösung des Lkw-Problems präsentierte die britische Regierung unlängst eine Reihe von Vorschlägen. Besonders kurios mutete dabei der Vorstoß von Vize-Premier und Justizminister Dominic Raab an. Er schlug vor, Straftäter als Fahrer einzusetzen. "Wir haben Gefangene und Straftäter bislang ehrenamtlich und unbezahlt arbeiten lassen", sagte Raab dem "Spectator". "Warum sollte man sie nicht, wenn es Engpässe gibt, bezahlte Arbeit machen lassen, wenn es einen Nutzen für Wirtschaft und Gesellschaft hat?"

Zuvor hatte Verkehrsminister Grant Shapps angekündigt, dass das Militär bereitstehe, um die Engpässe abzudecken (mehr dazu lesen Sie hier).

Was hat der Brexit mit der Krise zu tun?

In Großbritannien wird die Lage andererseits durch den Brexit verschärft. Die britische Regierung hat dies in den vergangenen Tagen immer wieder bestritten, doch für Expertin Flach liegt die Sache klar auf der Hand: "Sicherlich hat Corona einen Einfluss, denn die Krise hat zu erheblichen Verschiebungen in der Logistik geführt. Aber auch der Brexit und die damit verbundenen höheren nicht-tarifären Barrieren für die Überquerung der britischen Grenze spielen eine wichtige Rolle."

Durch den EU-Austritt ist Großbritannien auch nicht mehr Teil des Schengenraums und es fallen Kosten und Wartezeiten beim Grenzübertritt an. Das mache den britisch Markt "weniger attraktiv im Verhältnis zu EU-Märkten", so Flach.

Zumindest teilweise scheint die britische Regierung dieser Realität ins Auge zu blicken. Denn in der vergangenen Woche kündigte sie an, insgesamt 10.500 Fachkräfte mit Ausnahmegenehmigungen ins Land zu holen. Darunter sind neben 5.000 Lkw-Fahrern auch 5.500 Facharbeiter für die Geflügelverarbeitung. Auch hieran zeigt sich: Das Problem betrifft nicht nur den Logistiksektor.

Welche Branchen könnte es als nächstes treffen?

Sowohl beim Reinigungspersonal als auch unter Lagerarbeitern gibt es große Lücken. Der Bedarf ist so groß, dass selbst mit drastisch gesteigerten Löhnen nicht alle Stellen besetzt werden können. Clare Bottle vom Branchenverband UK Warehousing Association berichtet Reuters von Gehaltserhöhungen von 25 bis 30 Prozent für Lagermitarbeiter.

Das alles kommt kurz vor den beiden kaufstärksten Zeiten im Jahr: Black Friday und das Weihnachtsgeschäft. Große Supermarktketten wie Tesco und Iceland warnen bereits davor, dass die Vorräte für die Feiertage knapp werden könnten. Vor allem der traditionelle Truthahn könnte schwer zu bekommen sein, denn auch in der fleischverarbeitenden Industrie hat sich durch den Brexit der Fachkräftemangel verschärft. Der Branchenverband TFTA warnte bereits davor zu lange mit Vorbestellungen zu warten, dann könne es zum Fest eng werden.

Wie wirkt sich das auf den Handel mit Deutschland aus?

Die Folgen des Brexits sind in Großbritannien stark zu spüren – sowohl für Arbeitskräfte als auch beim Handel. Außenhandelsexpertin Flach erklärt: "Es ist wichtig zu betonen, dass die britische Wirtschaft sehr stark von Gütern aus der EU abhängig ist: 46 Prozent der britischen Exporte gehen in die EU27 und die Hälfte der Importe kommen aus EU-Mitgliedstaaten."

Besonders Produkte mit komplexen Lieferketten oder einer starken Abhängigkeit vom EU-Markt seien betroffen. Vor allem Maschinen, elektronische Produkte, aber auch Lebensmittel könnten daher für die Briten knapp und teuer werden.

Auch in Deutschland kann das für Preiserhöhungen sorgen. Allerdings in deutlich geringerem Maße. Deutschland profitiere von einer stark differenzierten Lieferkette, so Flach. Nur fünf Prozent des deutschen Imports kommen aus Großbritannien, bei diesen Produkten könnten sich sowohl die Lieferprobleme als auch die gestiegenen Preise in den kommenden Wochen und Monaten bemerkbar machen. "Auch Deutschland könnte die Folgen spüren, insbesondere in diesen Sektoren, die in hohem Maße vom Vereinigten Königreich abhängig sind", sagt Flach.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Interview mit Lisandra Flach
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