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Ex-Bundesbank-Vorstand warnt: "Gefahr der Stagflation ist da"


Experte warnt: "Die Inflation rennt uns davon"


Aktualisiert am 31.03.2022Lesedauer: 4 Min.
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Einkaufen (Symbolbild): Die Verbraucherpreise ziehen in Deutschland an.
Einkaufen (Symbolbild): Die Verbraucherpreise ziehen in Deutschland an. (Quelle: Geisser/imago-images-bilder)

Steigende Preise, stagnierendes Wachstum: Diese Mischung ist explosiv. Manch ein Experte spricht bereits von einer Stagflation. Mit Andreas Dombret schaltet sich ein ehemaliger Bundesbank-Vorstand ein.

Es ist ein Schreckgespenst, das die Γ„lteren unter uns noch gut in Erinnerung haben dΓΌrften: die Stagflation – ein Szenario, das die 1970er Jahre in Deutschland und vielen anderen Industrienationen prΓ€gte.

Gemeint ist damit: Eine hohe Inflation gepaart mit einem sehr niedrigen Wirtschaftswachstum, einer Stagnation. Damals wurde sie ausgelΓΆst, weil das Γ–lfΓΆrderkartell Opec die RohΓΆlfΓΆrderung verknappte. Das ließ wiederum den Γ–lpreis in die HΓΆhe schießen.

Jetzt mehren sich die Γ–konomen, die sagen, dass Deutschland und die Eurozone in eine solche Situation steuern. Schuld daran ist der Angriffskrieg von Putin, der Γ–l und Gas verteuert und Lieferketten beeintrΓ€chtigt. Einer der prominentesten Stimmen ist Andreas Dombret, bis 2018 Vorstand der Bundesbank.

"Das muss EZB einsehen"

Im GesprÀch mit t-online warnt Dombret jetzt: "Die wirtschaftliche Unsicherheit ist immens. In einem pessimistischen Szenario müssen wir uns auf eine Stagflation einstellen." Aktuell lasse sich das zwar kaum vorhersagen, aber: "Die Gefahr einer Stagflation ist da und sie wird immer grâßer. Das bereitet mir große Sorgen."

Den Grund sieht Dombret vor allem in den hohen Inflationsraten. "Die Inflation rennt uns davon, das kann niemand leugnen. Das muss auch die EZB einsehen." Im MΓ€rz dΓΌrften sich die Verbraucherpreise um 7,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat nach oben geschraubt haben, schΓ€tzt das Statistikamt. So stark wie zuletzt 1981.

Andreas Dombret: Der Wirtschaftswissenschaftler war von Mai 2010 bis April 2018 Vorstand der Bundesbank.
Andreas Dombret: Der Wirtschaftswissenschaftler war von Mai 2010 bis April 2018 Vorstand der Bundesbank. (Quelle: tagesspiegel/imago-images-bilder)

Wie es mit der Inflation weitergeht, hΓ€nge etwa davon ab, ob die Energie weiter teurer werde – und, ob es zu einer sogenannten Lohn-Preis-Spirale komme. Im Herbst stehen Tarifverhandlungen an, "und die Gewerkschaftler werden sich sicher nicht mit einem Plus von zwei Prozent zufriedengeben", so Dombret.

Die Folge: Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer fordern hΓΆhere LΓΆhne und um diese zu bezahlen, erhΓΆhen Unternehmen die Preise fΓΌr ihre Produkte, was weitere Lohnforderungen nach sich zieht. FΓΌr die Wirtschaft wΓΌrde es angesichts der stΓ€ndig steigenden Preise dann immer schwieriger, zu investieren.

Schrumpft die Wirtschaft?

Gleichzeitig gehen Deutschlands fΓΌhrende Γ–konomen davon aus, dass sich die wirtschaftliche Erholung nach Corona weiter verzΓΆgert. Erst am Mittwoch halbierten die Wirtschaftsweisen ihre Prognose fΓΌrs Wirtschaftswachstum (mehr dazu lesen Sie hier).

Die große Frage, von der eine Stagflation abhÀnge, sei daher, ob die Wirtschaft schrumpfe. "Aktuell sehe ich das noch nicht. Aber wer weiß, wie sich der Krieg entwickelt", sagt Dombret. "In keinem Modell lÀsst sich das sicher voraussagen." Mâglich daher, dass es zu einer Situation wie in den 1970er Jahren komme, so der Ex-Bundesbanker.

Angebotsschock in den 1970er Jahren

Ausschlaggebend war damals ein sogenannter Angebotsschock, ein extremer Preisanstieg auf der Angebotsseite bei jenen Unternehmen, die GΓΌter herstellen oder eine Dienstleistung anbieten. Da es sich in den 1970er Jahren um Γ–lfΓΆrderfirmen handelte, ist auch von einem Γ–lpreisschock die Rede.

Die Folge damals: Die Energiepreise auf der Welt stiegen deutlich an. Die Firmen, die jetzt mehr fΓΌr den Betrieb ihrer Fabriken zahlen mussten, gaben die hΓΆheren Produktionskosten an die Verbraucher weiter. Das trieb die Inflation hoch.

Neben Dombret sehen auch weitere Experten Anzeichen fΓΌr eine Stagflation, so etwa der Wirtschaftsweise Volker Wieland. "Weitere starke Γ–l- und Gaspreisanstiege, ein Lieferstopp oder ein Embargo wΓΌrden uns in eine Rezession mit noch hΓΆheren Inflationsraten werfen, was der Situation nach dem Jom-Kippur-Krieg und dem Γ–lembargo in den 1970er Jahren ziemlich nahekommen wΓΌrde", sagte er dem "Handelsblatt".

Lagarde sieht keine Stagflation

Christine Lagarde, Chefin der EuropΓ€ischen Zentralbank (EZB), winkt indes ab. Sie sieht aktuell nicht das Risiko einer Stagflation in der Eurozone. Weder eine nachhaltige Rezession noch eine immer hΓΆhere Inflation zeichneten sich ab, sagte sie am Mittwoch.

Zwar gebe es Inflationstreiber wie Energie- und Nahrungsmittelkosten. Doch sei nicht davon auszugehen, dass diese sich weiter "hΓΆher und hΓΆher" bewegten.

FΓΌr Notenbanken ist eine Stagflation ohnehin eine unangenehme Situation. Denn sie befinden sich dann in einer ZwickmΓΌhle. ErhΓΆhen sie die Zinsen – in der Regel ein probates Mittel, um die Inflation zu bekΓ€mpfen –, schadet das der Wirtschaftserholung.

Denn Kredite fΓΌr Unternehmen werden dadurch plΓΆtzlich sehr teuer. Auch Staaten, die hohe Schulden haben, wΓΌrde eine Zinsanhebung empfindlich treffen. BelΓ€sst die Zentralbank die Zinsen aber auf niedrigem Niveau, steigt die Inflation weiter.

EZB will gegensteuern

Die EZB hat bereits angekΓΌndigt, etwas gegen die Inflation zu unternehmen. Im dritten Quartal wollen die WΓ€hrungshΓΌter ihre milliardenschweren AnleihenkΓ€ufe beenden, wenn es die Inflationsaussichten erlauben. Mit diesen hatten sie in der Pandemie versucht, die Konjunktur zu stΓΌtzen.

Das Abschalten dieses Programms gilt als Vorstufe einer ZinserhΓΆhung, die laut EZB "einige Zeit" nach dem Ende der Anleihen-ZukΓ€ufe vollzogen werden soll. Wann, ist offen.

Dombret plΓ€diert dafΓΌr, bereits im Sommer den Einlagenzins anzuheben. Aktuell liegt er bei minus 0,5 Prozent. Den Einlagenzins mΓΌssen Banken zahlen, wenn sie ΓΌberschΓΌssige Gelder bei der EZB parken wollen. Verbraucher spΓΌren ihn vor allem in Strafzinsen, die sie beim Girokonto zahlen mΓΌssen.

"EZB muss glaubwΓΌrdig bleiben"

"Wir mΓΌssen schnellstmΓΆglich der Negativzinsspirale entkommen", so Dombret. "Erst wenn die Zinsen wieder auf Nullniveau sind, hat die EZB MΓΆglichkeiten, um im Falle einer Stagflation zu reagieren."

Ob die EZB danach den Leitzins anheben müsste, ließe sich aktuell nicht seriâs beantworten, sagt der Wirtschaftswissenschaftler. Die EZB müsse vorsichtig agieren und: "Die Notenbank muss glaubwürdig bleiben und die hâchste PrioritÀt auf die BekÀmpfung der Inflation legen."

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • GesprΓ€ch mit Andreas Dombret, Ex-Bundesbank-Vorstand
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