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Russland-Wahlen: Olaf Scholz will Putin nicht gratulieren


Reaktionen auf russische Scheinwahl
"Weder frei noch fair": Scholz will Putin nicht gratulieren

Von t-online, dpa, afp, csi

Aktualisiert am 18.03.2024Lesedauer: 6 Min.
imago images 0420376317Vergrößern des BildesOlaf Scholz (Archivbild): Die Kontakte zu Russland seien "sehr heruntergefahren", sagt eine Regierungssprecherin. (Quelle: IMAGO/Kira Hofmann/imago)
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Nach seinem Sieg bei der von Vorwürfen der Wahlmanipulation überschatteten Präsidentschaftswahl in Russland bekommt Wladimir Putin Glückwünsche aus autoritären Staaten – und Kritik aus Demokratien.

Bundeskanzler Olaf Scholz hat Wladimir Putin zu dessen Sieg bei der russischen Präsidentschaftswahl nicht gratuliert. Das sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Christine Hoffmann am Montag in Berlin. Die Bundesregierung erkenne den Wahlsieg von Amtsinhaber Wladimir Putin bei der russischen Präsidentschaftswahl "nicht als rechtmäßig" an, so Hoffmann weiter. Die Bundesregierung sehe die Wahl als "weder frei noch fair" an. "Es ist keine demokratische Wahl gewesen."

Das Ergebnis habe eindeutig bereits vorher festgestanden und der Wahlkampf sei von einem "Klima der Einschüchterung" geprägt gewesen. Zur Frage, ob die Bundesregierung Putin dennoch als Präsident ansprechen wolle, sagte Hoffmann, die Frage stelle sich derzeit nicht. Die Kontakte zu Russland seien "sehr heruntergefahren", auch wenn von deutscher Seite grundsätzlich Gesprächsbereitschaft bestehe.

Als "äußerst problematisch" sehe Deutschland die Abhaltung der Wahl in den von Russland besetzten Gebieten in der Ukraine, sagte Hoffmann. "Wir erkennen das natürlich in keiner Weise an." Nur die Ukraine habe das Recht, Wahlen auf diesem Territorium abzuhalten.

Auch Steinmeier gratuliert nicht

Zuvor hatte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bereits vor der Verkündung der russischen Wahlergebnisse erklärt, Wladimir Putin nicht wie in solchen Fällen üblich zu seiner weiteren Amtszeit gratulieren zu wollen. "Es wird kein Schreiben an Putin geben", erklärte Steinmeiers Sprecherin Cerstin Gammelin am Sonntagabend auf Anfrage des "Tagesspiegel". Mehr dazu lesen Sie hier. Kritik an der Wahl kam vor allem aus demokratischen Ländern und Parteien.

Die Europäische Union hat der Wahl in Russland die Rechtmäßigkeit abgesprochen. Präsident Wladimir Putin sei aufgrund von "Unterdrückung und Einschüchterung" wiedergewählt worden, sagte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell am Montag vor einem Außenministertreffen in Brüssel. "Dies waren keine freien und fairen Wahlen", sagte er.

Video | Anti-Putin-Proteste mit Nawalnys Witwe in Berlin
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Quelle: reuters

Nach Ansicht von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) war die Abstimmung eine "Wahl ohne Wahl". Vor dem Treffen in Brüssel sagte Baerbock am Montag: "Der Wahlvorgang zeigt nicht nur das ruchlose Vorgehen Putins gegenüber seinem eigenen Volk, sondern auch gegen die Charta der Vereinten Nationen." Zugleich würdigte die Ministerin die russischen Bürger, die während der Wahl ihren Protest gegen Putin zum Ausdruck gebracht hatten.

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Michael Roth, sagte dem Berliner "Tagesspiegel": "Es handelt sich um die unfreiesten Fake-Wahlen seit Ende der Sowjetunion". Dem Regime warf er Wahlmanipulation vor, außerdem seien die Wahlen in Teilen völkerrechtswidrig gewesen. "In den vorübergehend besetzten und annektierten ukrainischen Gebieten dürfen die Wahlen und auch das Ergebnis nicht anerkannt werden", erklärte der SPD-Politiker.

CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen betonte im "Tagesspiegel": "87 Prozent ist das von Putin festgelegte Ergebnis in einer reinen Farce." Sie diene der Scheinlegitimierung des Krieges gegen die Ukraine. Neue Rekrutierungen von Soldaten und die Entbehrungen der Kriegswirtschaft in Russland würden nun als angeblicher Wille des Volkes dargestellt.

Frankreich verurteilt Wahlen in besetzten Gebieten

Auch die französische Regierung hat die Umstände der russischen Präsidentenwahl kritisiert. Man nehme das erwartete Ergebnis zur Kenntnis, hieß es in einer Mitteilung des Außenministeriums in Paris am Montag. "Die Bedingungen für eine freie, pluralistische und demokratische Wahl sind ein weiteres Mal nicht erfüllt worden", hieß es darin weiter. Die Wahl habe in einem Kontext verstärkter Unterdrückung der Zivilgesellschaft sowie jeder Form der Opposition stattgefunden.

Das Außenministerium begrüßte den Mut zahlreicher russischer Bürger, die friedlich gegen diesen Angriff auf ihre politischen Grundrechte protestiert hätten. Frankreich verurteilte zudem die Organisation von angeblichen Wahlen auf ukrainischem Boden: "Die illegale Organisation angeblicher 'Wahlen' in den temporär von Russland besetzten ukrainischen Gebieten stellt eine neue Verletzung internationalen Rechts und der Charta der Vereinten Nationen dar." Frankreich werde das Abhalten und die Ergebnisse der Scheinwahlen niemals anerkennen. Auch die Einrichtung von Wahllokalen in separatistischen Gebieten in Georgien und der Republik Moldau ohne die Zustimmung der dortigen Behörden verurteilte das Ministerium.

Glückwünsche aus autoritären Staaten

Erste Glückwünsche bekam Putin offiziellen Angaben zufolge aus mehreren autoritär regierten Ländern. Gratulationen hätten zuerst die Staatschefs von Nicaragua, Tadschikistan und Venezuela übermittelt, teilte die staatliche russische Nachrichtenagentur Tass am Montagmorgen mit. "Mit mehr als 87 Prozent (der Stimmen) hat Putin den Krieg gegen das Imperium des kollektiven Westens völlig gewonnen", zitierte sie dabei den venezolanischen Staatschef Nicolás Maduro.

Maduro, der Venezuela seit 2013 autoritär regiert und sich im Sommer wiederwählen lassen will, bezeichnete den Sieg des "älteren Bruders" als gutes Vorzeichen für die ganze Welt.

Auch China hat den russischen Präsidenten Wladimir Putin zum Wahlsieg beglückwünscht. Die chinesische Seite gratuliere dazu, sagte der am Montag neu vorgestellte Außenamtssprecher Lin Jian in Peking. China und Russland seien "strategische Partner in der neuen Ära". Unter der Führung von Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping und Russlands Präsident Putin würden die Beziehungen der beiden Länder weiter voranschreiten, sagte er.

Peking ist Moskaus wichtigster Verbündeter. Im Angriffskrieg gegen die Ukraine gibt sich China nach außen hin neutral, stärkt Russland allerdings den Rücken. Xi Jinping nannte Putin im Herbst vergangenen Jahres bei einem Treffen einen "alten Freund". Zudem blüht der Handel zwischen dem von westlichen Sanktionen betroffenen Land und der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt. Chinas Autokonzerne exportieren etwa zahlreiche Fahrzeuge in das Nachbarland, während zum Beispiel in chinesischen Haushalten russisches Gas fließt.

Tadschikistans Präsident spricht von überzeugendem Sieg Putins

Putin wurde am Sonntagabend offiziellen russischen Angaben zufolge mit 87 Prozent der Stimmen als Präsident wiedergewählt. Die Wahlbeteiligung soll bei mehr als 70 Prozent gelegen haben, dem höchsten Wert jemals bei einer russischen Präsidentenwahl. Das soll dem Ergebnis zusätzlich Legitimität verschaffen. Allerdings wiesen unabhängige Wahlbeobachter auf systematischen Betrug hin, der hinter diesem hohen Wert für Putin stecke. Mehr dazu lesen Sie hier.

Auch Nicaraguas Präsident Daniel Ortega sprach von einem Triumph, der zur Stabilität und einer besseren Zukunft der Menschheit beitragen werde. Die Wahlen selbst seien vorbildlich und ruhig verlaufen, sagte Ortega demnach.

Tadschikistans Präsident Emomali Rachmon wiederum sprach von einem überzeugenden Sieg Putins. Er hoffe auf die weitere Entwicklung der bilateralen Beziehungen, heißt es in einer Mitteilung des Pressedienstes von Rachmon. Der tadschikische Staatschef ist noch länger als Putin selbst im Amt und führt die zentralasiatische Ex-Sowjetrepublik bereits seit Anfang der 1990er-Jahre.

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"Independent": Westliche Länder müssen Flagge zeigen

Laut der US-Zeitung "New York Times" (NYT) haben die Präsidentschaftswahlen in Russland lange Zeit dazu gedient, das gesamte System legitim erscheinen zu lassen. Der bei dieser Wahl sehr große Vorsprung für Putin untergrabe diese Legitimationserscheinung allerdings. "Es könnte in einem zunehmend autoritären Kreml Fragen darüber aufwerfen, warum Russland eine solche Scheinübung braucht", so die "NYT".

Die britische "Financial Times" schrieb im Nachgang, eine fünfte Amtszeit für Putin sei eine Bedrohung für Europa und die Welt. "Nicht zum ersten Mal in der Geschichte Russlands geht die Unterdrückung im Inland Hand in Hand mit einer aggressiveren Politik im Ausland." Die jüngste Wahl sei eine noch größere Farce als ihre Vorgänger, "da die meisten echten Konkurrenten entweder im Exil leben, inhaftiert oder tot sind."

Der Londoner "Independent" meint am Montag, "mit diesem erwartungsgemäß eindeutigen Ergebnis im Rücken würden Putin und der Kreml die Wahl als Zeichen der Unterstützung für den Krieg in der Ukraine werten." Deshalb müssten auch die westlichen Länder Flagge zeigen, indem sie Kiew die Waffen, die Munition und die Mittel zur Verfügung stellen, die seine Streitkräfte zur Verteidigung gegen die russischen Truppen benötigen, so die britische Zeitung.

"NZZ": Triumph bedeutet nichts Gutes

Die kremlnahe Zeitung "Iswestija" schrieb am Montag hingegen: "Die Präsidentenwahl in Russland verlief unter einer Rekordbeteiligung: Vorläufigen Angaben nach haben sich 2024 mehr als 74 Prozent der Bürger dafür entschieden, ihre Stimme abzugeben." Das würde für die Konsolidierung der russischen Gesellschaft vor dem Hintergrund äußerer Bedrohungen sprechen.

Die Rekordergebnisse erklären Experten der "Iswestija" zufolge mit dem "Phänomen des 'Zusammenhalts um die Flagge' – wenn die Bürger eines Landes, das Seite eines militärischen Konflikts ist, sich um die herrschende Führung konsolidieren" – eine Argumentation, vor der sowohl Röttgen im "Tagesspiegel" als auch "The Independent" warnte.

In der Schweizer "Neuen Zürcher Zeitung" (NZZ) heißt es am Montag: "Der Umgang mit den Gegenkandidaten, die Repression und die Choreografie der Wahl durch die Präsidialverwaltung zeigten trotz der zur Schau gestellten Selbstgewissheit des Regimes, dass ein großer Aufwand nötig war, um dessen Glanz noch greller strahlen zu lassen." Putins Gegner seien mit dem "nun absehbaren Resultat von fast 90 Prozent" bewusst zerschmettert worden. Für alle Andersdenkenden im Land bedeute dieser Triumph der Machthaber nichts Gutes.

Verwendete Quellen
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