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Stefan Homburg: CDU-Rat lädt Schwurbel-Professor zum Vortrag


Im Heimatland von Biontech
CDU-Wirtschaftsrat irritiert mit pikanter Einladung


Aktualisiert am 06.04.2024Lesedauer: 5 Min.
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Quelle: imago stock&people

Der Wirtschaftsrat der CDU lädt zu einem Vortrag mit einem Professor, der berüchtigt ist für Desinformation und Lügen rund um Corona. Plötzlich soll es aber um etwas anderes gehen.

Erst in dieser Woche verkündete er, er wolle lieber Krebs haben als die "Plörre von Biontec", und schrieb dabei den Namen des Unternehmens prompt falsch. Jetzt soll der in der Coronapandemie mit Verzerrungen, Desinformation und Lügen aufgefallene Ruhestands-Professor Stefan Homburg beim Wirtschaftsrat der CDU sprechen.

Eingeladen hat ihn der Landesverband in Rheinland-Pfalz. Ausgerechnet in dem Bundesland hat Biontech seinen Sitz, weshalb das Land durch die Forschungsleistungen und Steuerzahlungen des Unternehmens erstmals zu einem Nettozahler im Länderfinanzausgleich wurde. Trotz Kritik am Plan hält die Lobbygruppe aus der Wirtschaft am Termin fest. Der Inhalt soll aber anders sein als angegeben, heißt es.

Stefan Homburg war einstmals gefragter Experte, ein Volkswirt mit Bilderbuchkarriere. Bereits mit 29 Jahren trat er an der für Ökonomie renommierten Universität Bonn seine erste Professur an, er ist Autor eines Standardwerks und saß in den 2000er-Jahren zeitweise an aufeinanderfolgenden Tagen als Gast in Talkshows von Johannes B. Kerner und Maybrit Illner. Homburg war zudem von 2004 bis 2007 Mitglied des Rates für nachhaltige Entwicklung der Bundesregierung unter Gerhard Schröder und Angela Merkel und gehörte der Kommission von Bundestag und Bundesrat zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung an.

Lockdown-Zweifel machten Homburg zu Galionsfigur

Schon in jener Zeit fiel er aber auch mit einer eigenwilligen Interpretation von Fakten auf: Als er mit einem vermeintlich krassen Beispiel Probleme beim Planverfahren zum Hochschulbau belegen wollte, zerlegte ihn anschließend die damalige Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD). Grundlagen seiner Darstellung stimmten nicht, sie seien "nicht nachvollziehbar".

Längere Zeit wurde es dann stiller um Homburg. Zu Beginn der Corona-Pandemie im Jahr 2020 bekam er unter anderem in der "Welt" ein großes Forum, als er vermeintlich belegte, dass es wegen zurückgehender Infektionszahlen keinen Grund mehr für einen Lockdown gebe. Homburg wurde damit zum Hoffnungsträger derjenigen, die die Maßnahmen ablehnten. Er lieferte ihnen Belege mit wissenschaftlichem Anstrich, gewann so auch 140.000 Follower auf X, von denen ihn bis heute viele energisch gegen jede Kritik verteidigen.

Schon im Mai 2020 distanzierte sich die Spitze der Universität Hannover von Homburg, wo er Direktor des Instituts für Öffentliche Finanzen war: Senat, Präsidium und Hochschulrat warfen ihm in einer gemeinsamen Stellungnahme "eine unerträgliche Verharmlosung der Geschehnisse im Jahr 1933" vor, weil er entsprechende Parallelen zu den Corona-Maßnahmen gezogen hatte. Darüber sagt Homburg heute verächtlich, was "ein paar Funktionäre" gesagt hätten, die "auf den Pandemieschwindel hereingefallen sind", interessiere nur "Impfnarzissen" (sic!). Seriöse Medien gaben Homburg kein Forum mehr.

Umso größer ist Verwunderung, weil seit am Mittwoch der Termin des Wirtschaftsrats im Netz Kreise zieht. Im Kurznachrichtendienst X warf Ruprecht Polenz, früher CDU-Generalsekretär, ironisch ein, demnächst gebe es dann in dieser Reihe beim Wirtschaftsrat der CDU auch Veranstaltungen wie "Chemtrails und ihre Auswirkungen auf unsere Gesundheit". Aufhänger für den lustigen Spruch war der Gastredner, der den Wirtschaftsrat demnach am 23. April besuchen soll: Stefan Homburg.

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Krebspatienten empört über Homburg-Äußerung

Beim Wirtschaftsrat handelt es sich um eine Lobbyorganisation für Unternehmen, die mit Duldung der Partei den Zusatz "der CDU" im Namen führt. Dem Wirtschaftsrat geht es vor allem darum, Wirtschaftsinteressen in die CDU zu tragen – die CDU wiederum profitiert umgekehrt vom Wirtschaftsrat, weil sich in ihm zahlungskräftige Unterstützer und Spender organisieren.

Zwar hat der Verein nicht den Status einer Vereinigung oder Sonderorganisation innerhalb der Union. Auf X schrieben Nutzer dennoch hochrangige CDU-Politiker und sogar Parteichef Friedrich Merz an, wieso Homburg eine Bühne gegeben werde.

Und Homburg goss am Donnerstag Öl ins Feuer: Er schrieb nicht nur, er wolle lieber Krebs als die Impfung von Biontech gegen Krebs – die zur Behandlung von an Krebs erkrankten Patienten nach einer Analyse des jeweiligen Tumors gedacht ist. Er löste so auch empörte Reaktionen von Menschen aus, die an Krebs erkrankt sind oder Angehörige durch Krebs verloren haben.

Am selben Tag erklärte er zudem, die Coronatoten seien nicht "echt", weil es sonst vor der "Zwangsimpfung" eine Übersterblichkeit habe geben müssen. Das Statistische Bundesamt hat ihm bereits mehrfach direkt öffentlich widersprochen, seine Darstellungen als "falsch" und "äußert suggestiv" kritisiert. Sie würden tatsächliche Verläufe von Pandemie und Impfkampagne und damit den tatsächlichen Hintergründen erhöhter Sterbefallzahlen nicht gerecht. Bei der zweiten Welle um den Jahreswechsel 2020/2021* mit hohen Sterbezahlen war kaum jemand geimpft. Homburg hält an seiner falschen Darstellung fest.

Klimawandel "Legende wie Coronapandemie"

In der Vergangenheit hatte der Volkswirt auch schon Viren und Bakterien verwechselt und Zweifel daran geäußert, dass das HI-Virus Aids auslöst. Nach dem Abflauen von Corona hat er sich zunehmend zum menschengemachten Klimawandel geäußert und etwa die These vertreten, der sei "eine ähnliche Legende wie die 'Coronapandemie'". Bei seinen früheren Kollegen in der Wissenschaftsgemeinde ist er völlig isoliert.

Homburg selbst erkannte früh, in welchen Kreisen er unterwegs ist. Er bat Fernsehreporter bei einer Demonstration, darauf zu achten, dass keine extremistischen Symbole mit im Bild seien. Tatsächlich entstand auch ein Foto, das ihn im vertrauten Gespräch mit dem früheren Polizisten Michael Fritsch zeigt. Fritsch ist einer der Hauptangeklagten im Prozess um die Gruppe von Heinrich XIII. Prinz Reuss, der Putschpläne vorgeworfen werden.

Inzwischen spricht er als "Experte" etwa beim Corona-Symposium der AfD und bei Veranstaltungen, die unter Geheimhaltung von Ort und Zeit geplant werden. In Rheinland-Pfalz gab ihm die örtliche Werteunion im vergangenen Jahr in Koblenz im Schloss eine prominente Bühne, die er mit dem früheren Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen teilte – Thema: "Drei Jahre Coronakrise – Aufarbeiten statt Abhaken!"

Nun also der geplante Auftritt beim Wirtschaftsrat in Rheinland-Pfalz, ein Vortrag mit dem Titel: "Krisenmodus: Corona, Klima, Rezession". Die Überschrift sei von ihm gekommen, erklärt Kerstin Raclet, Geschäftsführerin des Wirtschaftsrat-Landesverbands Rheinland-Pfalz und Saarland auf Nachfrage. Intern soll es nach t-online-Informationen auch Kritik und Bedenken gegen die Veranstaltung gegeben haben.

RLP-CDU-Chef Christian Baldauf kommentiert nicht

Der rheinland-pfälzische CDU-Landesvorsitzende Christian Baldauf, durch sein Amt auch im Vorstand des Wirtschaftsrats, ließ t-online über eine Sprecherin erklären: In dem Gremium sei der Termin nicht behandelt worden, er könne dazu nichts sagen. Pressesprecherin Stefanie Bach erklärte nach Erscheinen des Textes aber auf X: "Die CDU Rheinland-Pfalz goutiert die Einladung von Stefan Homburg des Wirtschaftsrat|s ausdrücklich nicht." Biontechs Impfstoff sei eine große Errungenschaft.** Der Bundesverband des Wirtschaftsrats wollte sich nicht äußern – er habe mit der Veranstaltung nichts zu tun.

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Aus Sicht des Wirtschaftsrats ist Unverständnis und Kritik verfrüht, Homburg eine Bühne zu geben. Die Veranstaltung habe ja noch nicht stattgefunden, so Geschäftsführerin Raclet. Mit Homburg sei abgesprochen, dass er "zu volkswirtschaftlichen Themen mit Fokus Finanzen" spreche. Die Geschäftsführerin ließ offen, wie das zum Titel passt, und antwortete nicht auf die Frage, ob bei der Veranstaltung Experten zugegen sein werden, die mögliche Falschdarstellungen kompetent widerlegen können. Die Annahme, dass Mitglieder bestimmte Aussagen eines Redners nicht kompetent einordnen könnten, sei unzutreffend.

*Wir hatten an dieser Stelle zunächst versehentlich vom Jahreswechsel 2021/2022 geschrieben.

**Der Text wurde mit dem Statement der CDU-Sprecherin ergänzt.

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