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Ampelkoalition: Beim Thema Flüchtlinge bahnt sich ein Kurswechsel an


Städte erhöhen Druck
Beim Thema Flüchtlinge bahnt sich ein Kurswechsel an


Aktualisiert am 23.10.2021Lesedauer: 3 Min.
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Eine wachsende Zahl an Flüchtlingen in Deutschland stellt nicht nur die Politik vor Herausforderungen.Vergrößern des Bildes
Eine wachsende Zahl an Flüchtlingen in Deutschland stellt nicht nur die Politik vor Herausforderungen. (Quelle: imago-images-bilder)

Die Flüchtlingszahlen steigen in der EU wieder rapide an. Eine gemeinsame Lösung gibt es aber nicht. Während Städte ein Mitspracherecht fordern, berät die mögliche Ampelkoalition über eine neue Strategie.

Tausende Menschen kommen über die belarussische Grenze nach Polen und Litauen. Auf dem Mittelmeer haben Seenotretter allein in den vergangenen fünf Tagen Hunderte Schiffbrüchige gerettet. Und auf Zypern sind die Flüchtlingscamps überfüllt, weil zahlreiche Menschen von der Türkei aus übersetzen.

Die Frage, wie Europa mit Flüchtlingen umgeht, stellt sich wieder drängender. Noch im vergangenen Jahr kamen vor allem wegen der Corona-Krise nur vergleichsweise wenig Geflüchtete in der EU an. Doch jetzt steigt die Zahl rapide – auch in Deutschland.

Gegen- statt miteinander

Der scheidende Innenminister Horst Seehofer will auf mehr Grenzkontrollen setzen – an der Grenze zu Polen, aber auch an Flughäfen. Sein Ministerium prüft derzeit die Möglichkeit, die Flüge aus Griechenland zu kontrollieren. "Das wäre eine sehr wirksame Maßnahme, die ich auch ergreife, wenn es nicht zu einem gemeinsamen Vorgehen mit Griechenland kommt", sagte Seehofer am Mittwoch.

Seehofers Kurs wäre, falls es so weit kommt, erneut ein Gegeneinander statt ein Miteinander. Überraschend ist das nicht: Seit Langem ist die Suche nach einer gemeinsamen Lösung in der EU festgefahren. Es gibt noch immer keinen Mechanismus, wie etwa Asylbewerber von den Ankunftsländern auf alle Mitgliedstaaten umverteilt werden können. Und das sogenannte Dublin-Verfahren, nach dem die Menschen dort bleiben müssen, wo sie zuerst angekommen sind, funktioniert in weiten Teilen nicht mehr.

In vielen Städten wächst der Unmut

Blockiert wurde eine Lösung bisher vor allem von Polen und Ungarn, die nicht zu einer Aufnahme verpflichtet werden wollen. Mittlerweile ist der Kreis der ablehnenden Staaten größer geworden. Auch Tschechien und die Slowakei zählen dazu, Österreich und Dänemark äußerten sich in der Vergangenheit kritisch. Die Position der deutschen Regierung war bisher, dass es einen gerechten Verteilungsmechanismus für alle Staaten geben müsse.

In vielen Städten ist der Unmut über die europäische und auch nationale Flüchtlingspolitik schon lange groß. Berlin etwa klagt derzeit gegen den Bund, um selbstständig Geflüchtete aufnehmen zu dürfen. Innenminister Seehofer hat solche Forderungen bislang zurückgewiesen.

"Die Situation an den Grenzen wird immer schlechter"

Wie groß diese Bewegung auch europaweit ist, zeigt nun eine neue Plattform, die am Donnerstag veröffentlicht worden ist. "Moving cities" (übersetzt etwa: "Städte in Bewegung") vernetzt fast 750 europäische Gemeinden, die zusätzlich Geflüchtete aufnehmen wollen. Ein Großteil liegt innerhalb der EU, aber auch Orte in Großbritannien oder eine Stadt aus Albanien ist dabei.

Einig sind sich die Initiatoren der Heinrich-Böll-Stiftung, der Rosa-Luxemburg-Stiftung und der Hilfsorganisation Seebrücke darin, dass die EU mitsamt ihren Mitgliedsstaaten sich bisher unwillig zeigt, das Problem tatsächlich zu lösen. "Die Situation an den Grenzen wird immer schlechter", sagte etwa Liza Pflaum von der Seebrücke bei der Eröffnungskonferenz der Plattform.

Bürgermeisterin fordert mehr Unterstützung vom Bund

Mit dabei war auch Katja Dörner, Bonner Oberbürgermeisterin und Grünen-Politikerin. Ihre Stadt sei bereit, auch über den Königsteiner Schlüssel hinaus Menschen aufzunehmen, sagte sie. Dieser Schlüssel regelt die Verteilung von Asylbewerbern in Deutschland.

Allerdings brauche es dafür auch mehr Unterstützung vom Bund. Schon jetzt habe die Stadt Probleme, genug bezahlbaren Wohnraum bereitzustellen, sagt sie. Von der kommenden Bundesregierung erhoffe sie sich mehr Hilfe.

Ampelkoalition könnte Richtungswechsel bringen

Tatsächlich deutet sich ein Richtungswechsel unter einer möglichen Ampelkoalition an. FDP und Grüne fordern, dass Deutschland mit einer "Koalition der Willigen" vorangeht. Der Plan der Liberalen: Staaten, die sich nicht beteiligen, soll Geld aus dem EU-Haushalt gestrichen werden. Die Grünen sprechen sich für einen EU-Fonds aus, aus dem die aufnahmewilligen Staaten unterstützt werden. Die SPD fordert in ihrem Wahlprogramm ein "arbeitsteiliges Modell", das nicht von allen Mitgliedsländern das Gleiche verlangt. Heißt: Die einen nehmen mehr Menschen auf, dafür schaffen die anderen einen Ausgleich.

Uneinig sind sich allerdings vor allem FDP und Grüne darüber, welche Rolle die Städte künftig spielen sollen. Die Liberalen fordern eine strikte Kompetenztrennung: Der Bund entscheidet über die politische Richtung, die unteren Ebenen kümmern sich um die Integration. Die Grünen hingegen wollen mehr Mitspracherecht der Kommunen, auch bei der Aufnahme.

Ob nun "Koalition der Willigen" oder "arbeitsteiliges Modell": Alle drei Parteien setzen auf ein System, in dem einige Staaten mehr Menschen aufnehmen und dafür durch die anderen Staaten entschädigt werden. Sollte sich diese Regelung in der EU durchsetzen, wäre sie ein Novum – und auch eine Abkehr von der Idee, dass die Mitgliedstaaten immer weiter zusammenwachsen.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Nachrichtenagentur dpa
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