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Rentenpaket II: Hubertus Heil will die Rente sichern – es gibt ein Problem


Tagesanbruch
Das wäre Sprengstoff für den sozialen Frieden


Aktualisiert am 12.02.2024Lesedauer: 6 Min.
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Menschen in einer Fußgängerzone (Symbolbild): Schon im Januar stiegen die Kosten für die gesetzliche Krankenversicherung.Vergrößern des Bildes
Immer mehr Rentner, immer weniger Beitragszahler: Das Rentensystem muss reformiert werden. Doch reichen die Pläne der Ampel? (Quelle: Michael Gstettenbauer/imago-images-bilder)

Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,

wer ein Paket verschickt, um jemandem eine Freude zu machen, legt in der Regel ein gewisses Maß an Sorgfalt an den Tag. Schließlich soll der Inhalt dem Empfänger gefallen und die Verpackung den ein oder anderen Stoß abkönnen. Das gilt im Privaten genauso wie für Gesetzespakete, die wohlüberlegt und juristisch sauber sein sollten, um nach dem Auspacken nicht direkt wieder kassiert zu werden.

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Einer scheint es damit besonders genau zu nehmen: Schon im April 2022 ließ Arbeitsminister Hubertus Heil wissen, dass er ein Rentenpaket II schnüren wolle. "Noch in diesem Jahr" sollten damit zwei zentrale Vorhaben der Ampelkoalition umgesetzt werden, hieß es damals – die Sicherung des Rentenniveaus und die Einführung der Aktienrente, später umgetauft in Generationenkapital.

Doch offenbar gab es Lieferprobleme, denn als Ende 2022 noch immer kein Paket in Sicht war, änderte Heil den Sendungsstatus auf "wird zeitnah zugestellt". Ich weiß nicht, was Sie darunter verstehen, liebe Leserinnen und Leser, aber für mich bedeutet "zeitnah" nicht ein Jahr und zwei Monate später. Doch selbst wenn das Rentenpaket II wirklich diesen Februar geliefert wird, wie es der Arbeitsminister nun in der Haushaltsdebatte im Bundestag ankündigte: Damit ist es noch nicht getan.

Steigen bald die Rentenbeiträge?

Ja, das Paket wird gute Ansätze enthalten. So dürfte sich die Bundesregierung von der Haltelinie verabschieden, die den Beitragssatz zur gesetzlichen Rentenversicherung begrenzt. Das ist richtig, denn an irgendeiner Stellschraube muss man drehen, wenn künftig immer mehr Rentner auf immer weniger Einzahler kommen. Dass sie das Renteneintrittsalter ganz sicher nicht antastet, hat die Ampel mehrfach deutlich gemacht.

Bisher ist geregelt, dass der Rentenbeitrag bis 2025 nicht über 20 Prozent steigen darf. Aktuell liegt er bei 18,6 Prozent, wovon Arbeitnehmer und Arbeitgeber jeweils 9,3 Prozent tragen. Nach einer Modellrechnung der Deutschen Rentenversicherung hätte es auch nach einem Wegfall der Haltelinie zunächst bei diesem Wert bleiben sollen – doch das war, bevor die Ampel im Haushalt sparen musste.

Jetzt will die Regierung den Bundeszuschuss an die Rentenversicherung um jährlich 600 Millionen Euro kürzen und das schon ab diesem Jahr. Die Rentenkasse warnte bereits, dass der Beitragssatz dadurch früher und schneller steigen dürfte als bisher angenommen (mehr dazu hier). Ein Hoffnungsschimmer ist jedoch die Lohnentwicklung. Steigen die Löhne weiter, bedeutet das auch mehr Einnahmen für die Rentenversicherung – und ein höherer Beitragssatz könnte noch warten.

Aktienrente: mindestens eine Chance vertan

Gleichzeitig dürfte ein anderes Vorhaben im Rentenpaket zumindest perspektivisch helfen, die Beiträge nicht sprunghaft steigen zu lassen: Die Aktienrente soll das bisher rein umlagefinanzierte Rentensystem, bei dem das Geld für die Renten aus den Beiträgen der Arbeitnehmer stammt, als neue Einnahmequelle ergänzen. Dafür sollen 2024 zunächst 12 Milliarden Euro neue Schulden aufgenommen und über einen Fonds am Kapitalmarkt angelegt werden. Die Erträge dürften aber erst ab Mitte der 2030er-Jahre groß genug ausfallen, um eine echte Entlastung zu sein. Das funktioniert zudem nur, wenn sich zu den 12 Milliarden jedes Jahr weitere und größere Beträge gesellen. Sollte das Rentenpaket das nicht vorschreiben, hätte die Ampel die nächste Chance vertan.

Die erste hat sie verpasst, als sie beim Aufsetzen der Aktienrente nicht komplett auf die FDP gehört hat (ja, richtig gelesen). Die wollte ursprünglich auch einen kleinen Teil des Bruttoeinkommens in die Aktienrente fließen lassen, statt sie allein über Schulden zu finanzieren. So geschieht es beispielsweise bei den Schweden, die schon seit Jahren 2,5 Prozent des Beitrags zur gesetzlichen Rente in einen Aktienfonds stecken (mehr dazu hier). Doch wenn man liest, wie etwa die Co-Vorsitzende des Vorstands der Rentenversicherung, die Gewerkschafterin Anja Piel, die Aktienrente entgegen aller wissenschaftlichen Erkenntnisse als reine Zockerei abtut, wird klar, warum sich das nicht durchsetzen ließ.

Hier braucht es künftig mehr Offenheit, damit Deutschland wirklich nennenswert Kapital bilden kann. Das wird umso wichtiger, da zwar die Haltelinie beim Beitragssatz verschwindet, jene für das Rentenniveau aber bleiben soll. Auch nach 2025 soll es nicht unter 48 Prozent fallen – notfalls eben mit Geld aus dem Bundeshaushalt. Das Rentenniveau gibt an, wie sich die durchschnittliche Rente im Vergleich zum durchschnittlichen Einkommen eines Arbeitnehmers verhält. Je stärker es sinkt, desto stärker fällt die Rentensteigerung hinter die Entwicklung der Löhne zurück (mehr dazu hier). Das wäre Sprengstoff für den sozialen Frieden.

Freiwillig länger arbeiten? Da liegt das Problem

Dass die Ampel gegensteuert, ist nachvollziehbar, aber teuer. Und bei allem Vertrauen in die langfristige Rendite der Aktienrente – kurzfristig kann sie nicht helfen. Schnell mehr Geld ins System brächten nur mehr Beitragszahler. Die Ampel setzt dabei auf Freiwilligkeit statt auf ein höheres Renteneintrittsalter oder das Aus der "Rente mit 63", wie es etwa die Union fordert. Man wolle Anreize setzen, sagte Heil, damit Menschen, die das können, freiwillig länger arbeiten. Doch da liegt das wahre Problem der Rente: Die Arbeitsbedingungen scheinen so schlecht zu sein, dass die Deutschen das entweder gesundheitlich gar nicht schaffen oder es schlicht nicht einsehen, länger als nötig für einen Arbeitgeber zu schuften, der sie nicht wertschätzt.

Laut einer repräsentativen Umfrage im Auftrag des Versicherungsunternehmens HDI aus dem Jahr 2022 würden 56 Prozent der Arbeitnehmer ihren Job sofort aufgeben, wenn sie es sich leisten könnten. Kein Wunder also, dass auch die Rentenversicherung immer mehr Anträge auf Frührente bewilligt. Sowohl bei denen, die nach 45 Arbeitsjahren abschlagsfrei in Rente gehen, als auch bei denen, die nach mindestens 35 Beitragsjahren Kürzungen in Kauf nehmen, steigen die Zahlen. Hinzu kommt ein genereller Wertewandel vor allem in der jungen Generation. Sie fragt sich stärker als frühere Jahrgänge, was ein gutes Leben ausmacht. Arbeit ist dabei nur noch ein Aspekt unter vielen, der Wunsch nach Teilzeit stark ausgeprägt.

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Unternehmen müssen besser werden

Wer die Rente langfristig sichern will, muss diesen Wandel mitdenken – und Arbeit kompatibler und erfüllender machen. Dabei geht es gar nicht so sehr um ein höheres Gehalt. Wichtig sind vor allem Wertschätzung und ein Gefühl der Zugehörigkeit, unterstützende Chefs und der Eindruck, mit seiner Arbeit etwas Sinnvolles beizutragen. Auch flexiblere Arbeitszeiten könnten zumindest in manchen Berufen dazu führen, dass Menschen bereit sind, mehr oder länger zu arbeiten. Und warum betreiben eigentlich nicht viel mehr Unternehmen eine Betriebskita?

Hier muss die Wirtschaft dringend die Kurve kriegen. Andernfalls kann die Bundesregierung schon mal beginnen, das Rentenpaket III zu packen.


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Zum Schluss

Kommen Sie gut in die neue Woche! Morgen schreibt wieder Florian Harms für Sie.

Herzliche Grüße

Ihre

Christine Holthoff
Redakteurin Finanzen
X: @c_holthoff

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Mit Material von dpa.

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