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Ukraine-Verhandlungen in Istanbul: Putin kommt nicht – was folgt?


Ukraine-Verhandlungen in Istanbul
Putin legt seine Karten auf den Tisch


Aktualisiert am 15.05.2025 - 09:59 UhrLesedauer: 6 Min.
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Wladimir Putin (Archivbild): Der Kremlchef hat seine Teilnahme an Verhandlungen in Istanbul abgesagt. (Quelle: IMAGO/Alexander Kazakov/imago)
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Wladimir Putin wird nicht kommen. Die ersten direkten Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine seit Kriegsbeginn finden ohne den Kremlchef statt. Was können die Gespräche bringen?

Die Hoffnungen auf einen baldigen Frieden in der Ukraine haben einen schweren Rückschlag erlitten. Die ersten direkten Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine seit rund drei Jahren finden laut russischen Angaben ohne Beteiligung von Wladimir Putin statt – und das, obwohl der Kremlchef das Treffen selbst vorgeschlagen hatte. Doch mehr noch: An diesem Donnerstag reist kein einziger hochrangiger russischer Politiker in die Türkei.

Das Treffen in Istanbul, das in den vergangenen Tagen wegen einer möglichen Zusammenkunft zwischen Putin und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj einigen Wirbel ausgelöst hatte, hat damit deutlich an Schwung verloren. Der Kremlchef zeigt mit seiner Absage, dass er sich in seinem Angriffskrieg weiterhin am längeren Hebel wähnt. Einmal mehr suggerierte er Verhandlungsbereitschaft, ohne diese mit Taten zu untermauern. Mit seiner Absage legt er nun endgültig seine Karten offen: Ein Interesse, den Krieg zu beenden, hat Putin bisher nicht. Das könnte sich für ihn rächen.

Putins eigenes Angebot für direkte Gespräche in Istanbul ab Donnerstag galt als Antwort auf Selenskyjs Forderung nach einer bedingungslosen Waffenruhe, die am Montag hätte beginnen sollen. Allerdings hatte Putin am Sonntag noch offengelassen, ob er persönlich anreisen werde. Sein Vorhaben hatte er auch mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan besprochen, der seit Beginn des russischen Angriffskriegs im Februar 2022 ein für beide Seiten wichtiger Vermittler ist.

Video | Russischer Kampfjet dringt in NATO-Luftraum ein
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Quelle: t-online

Putin schickt einen alten Unbekannten nach Istanbul

Die ukrainische Seite nahm das Angebot aus dem Kreml dankend an: Selenskyj erklärte, selbst nach Istanbul zu reisen, wenn Putin auch kommt. Nun bleibt es wohl bei einer Reise nach Ankara, wo sich dieser Tage die Nato-Außenminister treffen. Darüber hinaus aber hatte sich sogar US-Präsident Donald Trump bereit erklärt, in die türkische Metropole zu reisen, falls das für die Gespräche zuträglich wäre. Und er schickte seinen Außenminister Marco Rubio sowie die Sondergesandten Steve Witkoff und Keith Kellogg nach Istanbul.

Die russische Antwort in Form einer Teilnehmerliste für die eigene Delegation wirkt angesichts dessen fast wie ein Affront. Putin schickt nicht einmal seinen Außenminister Sergej Lawrow, sondern ausschließlich Politiker der zweiten Reihe. Die Delegation wird von Wladimir Medinski angeführt, der bereits die ersten Verhandlungen in Istanbul zu Kriegsbeginn – die ergebnislos blieben – für Russland leitete. Diese Politiker vertreten Putins Position in Istanbul:

  • Wladimir Medinski, ehemals Kulturminister, Leiter der Delegation der ersten Friedensverhandlungen in Istanbul 2022, gilt als Geschichtsrevisionist auf Linie der Kremlpropaganda
  • Michail Galusin, Vize-Außenminister
  • General Igor Kostjukow, Chef des Militärgeheimdienstes GRU, Mitglied des russischen Generalstabs
  • Alexander Fomin, Vize-Verteidigungsminister
  • vier Experten aus Generalstab, Außen- und Verteidigungsministerium sowie der Präsidialverwaltung

Wie die russische Nachrichtenagentur Interfax am Donnerstagmorgen berichtete, ist die Delegation bereits in Istanbul auf dem Flughafen Atatürk gelandet. Wann die Gespräche beginnen sollen, ist noch unklar, bisher steht 10 Uhr (Ortszeit) im Raum. Das Treffen soll hinter verschlossenen Türen stattfinden – wenn überhaupt. Die Ukraine könnte die Gespräche angesichts der russischen Vertreter noch absagen. Außerdem sollte die Linie des Kreml bereits bekannt sein.

Putin bleibt bei seinen Maximalforderungen

Russland will die Protokolle der Verhandlungen in Istanbul aus den ersten Kriegsmonaten als Grundlage der neuen Gespräche nutzen. Darin stellte der Kreml Maximalforderungen an die Ukraine: Das Land sollte neutral bleiben, seine Armee einschrumpfen, die aktuelle Regierung durch eine russlandfreundliche ersetzen und die russischen Ansprüche auf ukrainische Gebiete anerkennen. Moskau hätte so beste Voraussetzungen für eine erneute militärische Aggression in wenigen Jahren, um sich die Ukraine endgültig einzuverleiben. Für Kiew aber ist Zustimmung keine Option, es wäre eine Kapitulation.

Putins Fernbleiben setzt nun bereits vor Beginn den Ton der Gespräche. Russland wird aller Voraussicht nach nicht von dieser Position abrücken. Dass mit Medinski derselbe Mann wie 2022 die Delegation leitet, unterstreicht dies. Auch Äußerungen von russischen Beamten und Propagandisten im Staatsfernsehen gehen in diese Richtung. Manch ein Kreml-Scharfmacher kritisiert, dass überhaupt verhandelt wird. Die meisten Sicherheitsexperten blicken deshalb am Donnerstag resigniert nach Istanbul.

Experten erwarten keine Ergebnisse der Gespräche

Der ehemalige Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz, Christoph Heusgen, etwa hat das Fernbleiben von Putin als Verhandlungsverweigerung Russlands gewertet. Putin schicke "Beamte der zweiten Reihe. Damit können keine Fortschritte erzielt werden. Das ist ein Feigenblatt", sagte Heusgen am Mittwoch im ZDF-Morgenmagazin ("Moma"). Es werde klar, dass der russische Präsident "nicht auf Verhandlungen setzt, sondern auf Stärke", fügte Heusgen hinzu. Putin habe mit seinem Vorschlag zu Direktverhandlungen gegenüber den USA zeigen wollen, dass er verhandlungsbereit sei, "aber in der Sache bewegt er sich keinen Zentimeter". Damit zeige sich, "dass das Einzige, was gegenüber Russland funktioniert, eine Politik der Stärke ist", sagte Heusgen weiter.

Der Sicherheitsexperte Nico Lange weist auf X darauf hin, dass die russische Delegation dermaßen niedrigrangig sei, dass sie kein Mandat habe, Entscheidungen zu treffen. "Einen Friedens-Showdown gibt es nicht", schrieb Lange am Mittwochabend. "Bewegung wird es nur geben, wenn der Druck auf Putin erhöht wird."

Thomas Jäger, Professor für Internationale Politik und Außenpolitik an der Universität zu Köln, erklärte auf X, dass Putin die Verhandlungen als "Kriegswaffe" nutze. Er äußerte jedoch Zweifel daran, dass US-Präsident Donald Trump verstehe.

Anders Åslund, schwedischer Ökonom und ehemaliger Berater der russischen Regierung unter Boris Jelzin, sieht ebenfalls Trump unter Zugzwang. Dass der US-Präsident im Gegensatz zu Putin hochrangige Politiker schickt, zeige, dass Trump "keine Ahnung" von Putin oder Russland habe. "Wenn Trump jetzt keine wirklich harten Sanktionen gegen Russland verhängt, hat er bewiesen, dass er nur ein gehorsamer Diener Putins ist."

Selenskyj reist in einer Position der Stärke in die Türkei

Tatsächlich sind nun die USA und die Europäer unter Zugzwang, auf die russische Volte zu reagieren. Die Ukrainer sind auf Trumps Aufforderung eingegangen, an dem Treffen in Istanbul teilzunehmen. Selenskyj selbst soll auf dem Weg in die Türkei sein. Der ukrainische Präsident reist in einer Position der Stärke an. Die ukrainische Bevölkerung scheint geeinter denn je hinter ihm zu stehen: Laut einer aktuellen Befragung des Kyiv International Institute of Sociology liegen seine Zustimmungswerte bei 74 Prozent, im März waren es noch 69 Prozent.

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Fraglich bleibt, wie eine Reaktion der Ukraine-Unterstützer ausfallen wird. Mit seiner Anreise in die Türkei könnte Selenskyj Putin ein Schnippchen geschlagen haben. Denn Trump hatte bereits Ende März mit Sanktionen gegen russische Ölexporte und deren Käufer gedroht, sollte Putin bei Verhandlungen nicht einlenken. Auch Bundeskanzler Friedrich Merz drohte am Wochenende in Kiew mit neuen Sanktionen, ruderte dann jedoch zurück.

Bundesaußenminister Johann Wadephul (CDU) unterstrich dies am Donnerstag beim Nato-Treffen in Ankara nochmals. Putin sei dabei, "seine Karten zu überreizen", sagte Wadephul. "Die Welt wartet darauf, dass er endlich der Aufforderung folgt, an den Verhandlungstisch zu kommen, und zwar mit einer Delegation, die auch der Notwendigkeit der aktuellen Situation gerecht wird." Wadephul begrüßte die Bereitschaft Selenskyjs zu direkten Verhandlungen mit Putin. Russland hingegen wolle offenbar "zum jetzigen Zeitpunkt keine ernsthaften Verhandlungen", sagte der Minister und fügte hinzu: "Das wird Folgen haben." Es gebe in Europa eine "große Entschlossenheit (…), dann auch über weitere Sanktionen zu entscheiden.

Kommen nun schärfere Sanktionen?

Die Zeit für neue und schärfere Sanktionen könnte nun also gekommen sein, bisher hat sich Trump jedoch nicht dazu geäußert. Er hielt sich am Donnerstag lediglich offen, am folgenden Tag doch noch in die Türkei zu reisen, sollten die ersten Gespräche der ukrainischen und russischen Delegationen Fortschritte zeigen.

Laut dem Wirtschaftswissenschaftler Janis Kluge von der Stiftung Wissenschaft und Politik wäre der Zeitpunkt für Sanktionen angesichts aktuell ohnehin niedriger Ölpreise günstig. "Die relativ hohen Ölpreise waren für Russland in den letzten drei Jahren wie eine Lebensversicherung, denn sie bedeuteten, dass es immer eine Grenze für westliche Sanktionen gab und sie den größten Teil der russischen Exporteinnahmen nie wirklich berühren konnten, weil einfach das Risiko einer Verunsicherung der Weltmärkte zu groß war", sagte Kluge Mitte April der "Washington Post".

Die EU-Staaten haben sich bereits auf ein neues Paket mit Russland-Sanktionen verständigt. Es sieht unter anderem eine weitere Verschärfung des Vorgehens gegen die sogenannte russische Schattenflotte für den Transport von Öl und Ölprodukten vor, wie Diplomaten nach einer Abstimmung im Ausschuss der ständigen Vertreter der 27 Mitgliedstaaten berichteten. Zudem ist geplant, Dutzende weitere Unternehmen ins Visier zu nehmen, die an der Umgehung bestehender Sanktionen beteiligt sind oder die russische Rüstungsindustrie unterstützen.

Die Ukraine selbst behält sich weitere Schritte noch vor. Selenskyj wird nach Angaben aus Regierungskreisen in Ankara den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan treffen. Erst danach werde Selenskyj "über die nächsten Schritte" in Bezug auf die Waffenruhe-Gespräche mit Russland entscheiden, sagte ein ukrainischer Regierungsvertreter der Nachrichtenagentur AFP am Donnerstag.

Verwendete Quellen
  • Mit Material der Nachrichtenagenturen AFP und dpa
  • wsj.com: "Refusing to Meet Zelensky, Putin Sends Junior Team for Talks With Ukraine" (englisch)

Quellen anzeigenSymbolbild nach unten

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