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"Es geht um den Kampf gegen die Altersarmut in Deutschland"


"10 Milliarden Euro sind nur ein Tropfen auf dem heißen Stein"


22.01.2023Lesedauer: 6 Min.
Interview
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Der GesprÀchspartner muss auf jede unserer Fragen antworten. Anschließend bekommt er seine Antworten vorgelegt und kann sie autorisieren.

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Ansturm bei der MΓΌnchner Tafel (Symbolbild): Auch viele Γ€ltere Menschen zΓ€hlen zu den BedΓΌrftigen. (Quelle: IMAGO/Frank Hoermann/SVEN SIMON)

Wie geht's weiter mit der privaten Altersvorsorge? Und was wird aus der Riester-Rente? R+V-Chef Norbert Rollinger im Interview.

Die Inflation und steigende Zinsen gehen auch an der Versicherungswirtschaft nicht spurlos vorΓΌber. Die BeitrΓ€ge steigen, zugleich fΓ€llt es den Versicherern leichter, die Gelder ihrer Kunden anzulegen.

Im Interview mit t-online erklΓ€rt Norbert Rollinger, Chef der genossenschaftlichen Versicherung R+V, was das fΓΌr die Branche bedeutet – und was aus seiner Sicht mit der Riester-Rente geschehen sollte.

t-online: Herr Rollinger, der vorherigen Bundesregierung haben Sie vorgeworfen, die Rentenreform zu verschleppen. Macht die Ampel da aktuell einen besseren Job?

Norbert Rollinger: Ja, in der kommenden Woche startet eine entsprechende Renten-Arbeitsgruppe, an der wir als Versicherungswirtschaft teilnehmen. Wir hoffen auf einen konstruktiven Austausch, denn es geht um nichts Geringeres als den Kampf gegen die Altersarmut in Deutschland.

Kern der Reform ist die Aktienrente. Mit 10 Milliarden Euro "Generationenkapital" will die Ampel nun Geld an den FinanzmΓ€rkten erwirtschaften. Macht der Staat Ihnen damit Konkurrenz?

Das kann man so noch nicht sagen, denn 10 Milliarden Euro sind nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Aktuell muss der Bund jÀhrlich eine Lücke von rund 100 Milliarden Euro bei der Rente mit Steuergeldern schließen. Berechnungen zeigen: Bis 2050 wird diese Summe auf mehr als 200 Milliarden Euro ansteigen. Das heißt: Selbst, wenn die kommenden 28 Jahre jÀhrlich 10 Milliarden Euro gespart werden, dann wÀren das etwa 300 Milliarden Euro. Doch egal wie gut diese Summe angelegt wird, kann sie niemals jÀhrlich 200 Milliarden Euro Rendite abwerfen.

Eine andere Idee des Wirtschaftsweisen Martin Werding lautet, die AbschlΓ€ge fΓΌr FrΓΌhrentner zu erhΓΆhen, damit mehr Menschen lΓ€nger arbeiten. Zudem schlΓ€gt er vor, die Rente mit 63 abzuschaffen. Was halten Sie davon?

Fakt ist, dass die Deutschen immer Àlter werden. Welche Maßnahmen daraus abgeleitet werden, ist eine politische Entscheidung. Als Vorstandsvorsitzender einer großen deutschen Versicherung ist mir aber besonders wichtig: Es sollte gemeinsame Anstrengung aller sein, die Eigenvorsorge der Bundesbürger weiter zu stÀrken, damit sie spÀter im Alter ihren Lebensstandard durch ein lebenslang garantiertes, planbares Zusatzeinkommen sichern kânnen. Beispielsweise mit einer betrieblichen oder privaten Rente. Wir bieten hier attraktive Lâsungen.

Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft, dem Sie als PrΓ€sident vorstehen, schlΓ€gt hingegen die sogenannte BΓΌrgerrente vor. Dieser Vorschlag wurde vor Kurzem in der Presse bekannt. Was hat es damit auf sich?

Die gefΓΆrderte private Altersvorsorge muss und kann verbessert werden. Zum Beispiel mit einer stark vereinfachten FΓΆrderung. HierfΓΌr haben wir eine Reihe von VorschlΓ€gen. Sobald es ein abgestimmtes Konzept gibt, werden wir es zeitnah vorstellen.

Im Raum steht ein Nachfolger fΓΌr die Riester-Rente. Ist Riester gescheitert?

Die Riester-Rente ist ein wichtiger Baustein der Altersvorsorge. Immerhin haben mehr als 10 Millionen Menschen einen solchen Vertrag abgeschlossen. Das ist fast ein Viertel der ErwerbstΓ€tigen in Deutschland. Diese Riester-Rentner dΓΌrfen wir nicht im Regen stehen lassen – das ist, denke ich, auch der Regierung klar.

Aber?

Wir sagen schon lange, dass Riester reformiert werden muss und kann. Doch trotz gegenteilig lautendem Koalitionsvertrag hat die vorherige Bundesregierung das Thema nicht angepackt.

Norbert Rollinger, Jahrgang 1964, stammt aus Luxemburg. Er studierte Rechtwissenschaften und Betriebswirtschaft in München. 2009 wurde er in den Vorstand der genossenschaftlichen R+V-Versicherung berufen, seit Januar 2017 ist er dessen Chef. Die R+V-Versicherung mit Sitz in Wiesbaden zÀhlt mit 8,9 Millionen Kunden zu den grâßten Versicherern Deutschlands. Seit 2022 ist er zudem PrÀsident des Gesamtverbands der Versicherungswirtschaft.

Im vergangenen Sommer hat die EZB die Zinswende eingelΓ€utet. Was bedeutet das fΓΌr die Altersvorsorge?

Das ist gut fΓΌr die Lebensversicherung, denn der Zinseszins – das achte Weltwunder – gewinnt wieder an Bedeutung. Das heißt, derjenige, der vorsorgt und Geld zur Seite legt, bekommt am Ende mehr heraus. Aktuell verhindert allerdings die hohe Inflation, dass die Menschen ΓΌberhaupt genug Geld zum Sparen haben.

Wichtig bei der Lebensversicherung ist der Garantiezins. 2021 lag dieser noch bei 0,9 Prozent. Seit vergangenem Jahr steht er nun bei 0,25 Prozent. Womit rechnen Sie fΓΌr die kommenden Jahre?

Das kann ich nicht sagen, die Hâhe des Garantiezinses ist eine politische Entscheidung. Als Versicherer haben wir lediglich Einfluss auf die Überschussbeteiligung. Bei der R+V haben wir diese zum Jahresbeginn 2023 um bis zu 0,75 Prozentpunkte erhâht.

Das konnten Sie sich als R+V-Versicherung auch deshalb leisten, weil Sie trotz Inflation, Corona-Pandemie und den Nachwirkungen der Ahrtal-Katastrophe ein gutes GeschΓ€ft gemacht haben.

Stopp, das mit dem guten GeschΓ€ft kann ich so nicht ganz stehen lassen. Durch den schnellen Zinsanstieg haben wir stille Lasten in den BΓΌchern. Jahrelang mussten wir unsere Gelder zu sehr niedrigen Zinsen anlegen. Diese Anlagen haben nun an Wert verloren. Aber die Neuanlage bringt jetzt wieder hΓΆhere Zinsen – auch fΓΌr unsere Kundinnen und Kunden.

Auf Kundenseite sind zuletzt die Preise bereits deutlich gestiegen. Bei WohngebΓ€udeversicherungen sogar im zweistelligen Bereich. Woran liegt das?

Das hΓ€ngt mit der Inflation zusammen. Um Unterversicherung zu vermeiden, sind unsere Preise im GebΓ€udebereich an den Baupreisindex gekoppelt, mit dem das Statistische Bundesamt die Preisentwicklung ausweist. Dieser Index ist im vergangenen Jahr um fast 15 Prozent angestiegen, was die hohe Nachfrage nach Handwerkern und Baumaterialien bei gleichzeitig geringem Angebot widerspiegelt. In manchen Regionen ist dieser Mangel schon vor dem Ukraine-Krieg und der hohen Inflation durch Naturkatastrophen ausgelΓΆst worden, etwa im Ahrtal.

Klimaforscher sind sich sicher, dass Extremwetter in den kommenden Jahren hΓ€ufiger auftreten werden. Welche SchlΓΌsse ziehen Sie fΓΌr die Versicherungsbranche daraus?

Wir setzen alles daran, dass die Menschen sich versichern. Mittlerweile sind mehr als 50 Prozent der Kunden gegen ElementarschΓ€den versichert. Bei der R+V sind es sogar fast 70 Prozent und im Ahrtal sogar 75 Prozent der Kunden. Daran sieht man: Mit einer guten Beratung ist eine Pflichtversicherung nicht nΓΆtig. Gleichzeitig stellen wir fest, dass die SchΓ€den zunehmen, das treibt neben den direkten Erstattungskosten auch die Preise fΓΌr die RΓΌckversicherung in die HΓΆhe. Der Klimawandel schlΓ€gt sich also in steigenden Kosten nieder. Die Folge sind auch hΓΆhere BeitrΓ€ge.

Halten diese hohen Kosten auch Menschen davon ab, sich fΓΌr entsprechende Policen zu entscheiden?

Natürlich kommen hâhere VersicherungsbeitrÀge zu den ohnehin schon steigenden Kosten für Bau, Energie und Lebensmittel hinzu. Um Geld zu sparen, kânnen Kunden aber hâhere Selbstbehalte im Schadensfall vereinbaren und ergÀnzend selbst Vorsorge treffen, um das Schadenausmaß zu begrenzen.

Nimmt die Anzahl der Menschen zu, die solche LΓΆsungen wΓ€hlen?

In unserer WohngebΓ€udeversicherung sehen wir bei der R+V aktuell noch keinen Trend zu gΓΌnstigeren Varianten oder vermehrten Selbstbehalten. Wir gehen aber davon aus, dass dies kΓΌnftig der Fall sein wird. Entscheidend bleibt, dass unsere Versicherten in der GebΓ€udeversicherung vernΓΌnftig gegen Naturgefahren abgesichert werden kΓΆnnen.

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Auch das Gesundheitswesen befindet sich weiter im Krisenmodus: FachkrΓ€ftemangel, steigende Personal- und Materialkosten. Was bedeutet das fΓΌr die KrankenversicherungsbeitrΓ€ge?

Die R+V hat die BeitrÀge in der Krankenversicherung insgesamt sehr moderat erhâht. In der privaten Pflegepflichtversicherung für Nicht-Beihilfeberechtige gab es dagegen branchenweit zum Teil deutliche Steigerungen. Dabei handelte es sich um die erste Anpassung seit drei Jahren, sodass es diverse Nachholeffekte gab. Hier spielten vor allem die letzten Pflegereformen eine große Rolle: Mit der neuesten wurden beispielsweise der Eigenanteil im Pflegeheim deutlich reduziert und erstmals die generelle Bezahlung von PflegekrÀften nach Tarif vereinbart. Das alles führte, wie auch die Inflation, zu erhâhten Mehrausgaben.

Haben die Deutschen dafΓΌr VerstΓ€ndnis?

Der Staat hat die BevΓΆlkerung mit Milliardenpaketen entlastet, um vor allem im Energiebereich die Preisspitzen abzufedern. Die Frage ist: Wie lange geht das? DarΓΌber hinaus glaube ich, dass die Menschen durchaus bereit sind, fΓΌr existenzielle Dinge mehr zu bezahlen. Das sehen wir aktuell auch bei den knappen Medikamenten fΓΌr Kinder. Gleichzeitig stellen viele Deutsche auch fest: Preissteigerungen sind Luxusprobleme verglichen damit, was die Menschen in der Ukraine erleben. Insofern glaube ich auch, dass wir aus dieser Krise etwas lernen kΓΆnnen.

Was meinen Sie damit konkret?

Viele SelbstverstÀndlichkeiten werden gerade infrage gestellt, sei es billige russische Energie oder auch der Schutz durch die amerikanische Großmacht. Ich hoffe, wir führen uns dadurch vor Augen, welche Dinge uns wirklich wichtig sind, und strengen uns dafür auch wieder mehr an. Ich sage immer: Zum Optimismus gibt es keine Alternative.

Viele Menschen sehen aktuell allerdings wenig Anlass fΓΌr Optimismus.

Dabei zeigen die Krisen auch, was mΓΆglich ist: Der Ausbau von LNG-Terminals ging auf einmal rasend schnell, Biontech hat es in kurzer Zeit geschafft, einen Corona-Impfstoff zu entwickeln. Von diesem Ideenreichtum und der KreativitΓ€t brauchen wir mehr.

Herr Rollinger, vielen Dank fΓΌr dieses GesprΓ€ch.

Verwendete Quellen
  • Video-Interview mit Norbert Rollinger
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