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Corona-Krise: Nach dem Winter wird es schmutzig auf dem deutschen Arbeitsmarkt


Jobverluste häufen sich
Nach diesem Winter wird es schmutzig auf dem Arbeitsmarkt

MeinungEine Kolumne von Ursula Weidenfeld

Aktualisiert am 17.11.2020Lesedauer: 3 Min.
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Ein Auszubildender arbeitet an einem Waschbecken (Symbolbild): Berufseinsteiger schrauben ihre Ansprüche wegen der Corona-Krise bereits herunter.Vergrößern des Bildes
Ein Auszubildender arbeitet an einem Waschbecken (Symbolbild): Berufseinsteiger schrauben ihre Ansprüche wegen der Corona-Krise bereits herunter. (Quelle: Sebastian Kahnert/dpa)

Noch ist der Stellenabbau in Deutschland nicht dramatisch, doch die Lage täuscht: Vor allem zwei Gruppen müssen sich wegen der Corona-Krise auf harte Gespräche mit ihren Chefs einstellen.

Machen wir uns nichts vor: Die Lage auf dem Arbeitsmarkt ist in diesem Herbst beunruhigend. Die Daten zeigen das zwar noch nicht, doch die Nervosität, mit der sich Talkshow-Gäste wie Friedrich Merz (CDU) und Olaf Scholz (SPD) über Sinn und Verlängerung der Kurzarbeitsregelung streiten, steigt.

Sie wird deutlich in dem gewundenen Satz von Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing, man dürfe den Strukturwandel nicht dauerhaft aufhalten. Und sie begegnet den Über-55-Jährigen täglich, denen in diesen Tagen das Vorruhestandsprogramm der Firma angepriesen wird.

Die Wahrheit ist: Nach diesem Winter wird es schmutzig auf dem Arbeitsmarkt. Besonders betroffen sind die Alten und die ganz Jungen. Sie sollten sich schon jetzt warm anziehen – und eine Strategie überlegen.

Jobverluste häufen sich – und zwei Dinge fallen auf

Noch ist die Bundesarbeitsagentur optimistisch. Die Jobverluste seien gar nicht so hoch, die Kurzarbeit wirke ganz prima, und der Arbeitsmarkt stabilisiere sich seit dem Herbst wieder deutlich. Doch alle Zuversicht kann nicht verdecken, dass sich die Jobverluste häufen.

30.000 Stellen werden bei der Lufthansa gestrichen, 7.500 Leute sollen bei ZF in Friedrichshafen gehen, 5.000 Mitarbeiter sind es bei EON. Jeder zweite Automobilzulieferer plant weiteren Personalabbau, jeder dritte Textilhandelsbetrieb, hinzu kommen Tourismus-Unternehmen, Restaurants und Hotels, die nun wieder geschlossen sind.

Nicht alle Pläne haben etwas mit der Corona-Pandemie zu tun, doch den meisten ist etwas gemeinsam: Sie enthalten auf den ersten Blick üppig dotierte Vorruhestandsregelungen. Und sie erteilen Neueinstellungen eine klare Absage.

Wer in den ersten Jahren arbeitslos wird, leidet ein Leben lang darunter

Normalerweise werden im Jahr rund sieben Millionen Stellen neu besetzt – entweder, weil der vorherige Beschäftigte den Arbeitsplatz verlassen hat, oder weil ein Job neu geschaffen wurde. Dieser Umschlag ist in der Pandemie deutlich verlangsamt. Menschen wechseln ihre Stellen nicht mehr, offene Positionen werden nicht mehr besetzt, Arbeitsplätze abgebaut. Wer jetzt arbeitslos wird oder erstmals auf der Suche ist, hat viel weniger Auswahl.

Die Jüngsten, die gerade mit ihrer Ausbildung oder dem Studium fertig sind, haben große Probleme, eine erste Anstellung zu finden. Europaweit steigt die Jugendarbeitslosigkeit wieder deutlich an, und auch in Deutschland verdüstern sich die Chancen der Jungen auf dem Arbeitsmarkt, berichtet eine Studie des Prognos-Instituts.

Wer in den ersten Berufsjahren arbeitslos wird, leidet ein Leben lang darunter: Die jungen Erwachsenen verdienen dauerhaft deutlich weniger als die Nichtkrisen-Einsteiger, sie ziehen später zu Hause aus, und gründen auch nur zögernd eine Familie. Die Lage in Deutschland sieht jetzt noch einigermaßen entspannt aus, doch das täuscht.

Personalberater berichten, dass die Ansprüche der Jungen auf dem Arbeitsmarkt deutlich gesunken sind. Damit sie überhaupt eine Stelle finden, machen Akademiker Abstriche beim Gehalt, bei der Arbeitszeit und bei dem Wunscheinsatzort. Diese Zugeständnisse sind vernünftig – doch nur die wenigsten können die Einbußen in ihrem weiteren Berufsleben aufholen.

Ältere Beschäftigte sollen zügig vom Hof

Noch schlimmer trifft es die älteren Arbeitnehmer. In den vergangenen Jahren wurden sie als die Stütze des betrieblichen Know-how-Transfers gefeiert, und wegen des Facharbeitermangels überredet, länger zu bleiben, als sie wollten. Jetzt sollen sie zügig vom Hof. Kaum eine Firma, in der es keine Betriebsvereinbarung gibt, die das vorzeitige Ausscheiden älterer – und teurer – Beschäftigter vorsieht.

Für diejenigen, die sich das leisten können und wollen, ist es eine schöne Sache, mit einer dicken Abfindung in die vorzeitige Rente zu gehen. Wer eine gute Idee für eine Selbstständigkeit, einen neuen Job, oder eine reiche Erbschaft in Aussicht hat, soll den goldenen Handschlag akzeptieren und in Frieden gehen. Alle anderen sollten sich wehren.

Die richtige Strategie ist gefragt

Wer jetzt als 55-Jährige in den Ruhestand soll, hat noch zwölf Jahre bis zur gesetzlichen Rente vor sich. Für einen 60-Jährigen sind es noch sieben Jahre. Das ist viel Zeit, wenn man keine neue Arbeit findet, oder sehr genügsam leben muss. Deshalb sollte sich niemand unter Druck setzen lassen.

Es ist kein Gebot der Solidarität mit den Jüngeren, jetzt zu gehen. Im Gegenteil: Beide Gruppen brauchen unterschiedliche Strategien. Während die Alten ihren Arbeitsplatz mit Zähnen und Klauen verteidigen sollten, müssen die Jungen sich auf den Weg machen, wenn die Zeiten wieder besser sind – entweder ins Lohnbüro oder gleich zu einem neuen Arbeitgeber.

Ursula Weidenfeld ist Wirtschaftsjournalistin in Berlin. Gemeinsam mit t-online.de und der Leibniz-Gemeinschaft produziert sie den Podcast .

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