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Rentenbesteuerung: Die Gerichte treiben die Politik vor sich her


Bundesfinanzhof-Urteil
Die Gerichte treiben die Politik in der Rentenfrage vor sich her


31.05.2021Lesedauer: 3 Min.
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"Klare Kriterien für die Zukunft": Olaf Scholz erklärt, wie er das Urteil zur Rentenentscheidung sieht und stellt seine Pläne für eine Steuerreform vor. (Quelle: t-online)

Richter zwingen die Politik zu gerechten Entscheidungen in der Altersversicherung. Der Spielraum für eine umfassende Rentenreform wird kleiner. Die aber ist dringend nötig.

Wieder einmal ist es ein Gericht, das die Rentenpolitik lenkt: Die Entscheidung des Bundesfinanzhofs zur Besteuerung von Renten und Rentenbeiträgen wird nach der Wahl in zwei wichtigen Politikbereichen zu deutlichen Änderungen führen müssen.

Das Einkommensteuerrecht muss angepasst werden, und eine große Rentenreform steht ohnehin im Pflichtenheft einer neuen Regierung. Für beide Vorhaben haben die höchsten Bundesgerichte den Rahmen eng gesteckt.

Längst sitzt die Politik nicht mehr am Steuerrad, wenn es um die gesetzliche Rentenversicherung geht. Das Bundesverfassungsgericht und der Bundesfinanzhof urteilen über die Gerechtigkeitslücken der aktuellen Rentenregelungen und verlangen Abhilfe. Sie machen den Finanz- und Sozialpolitikern konkrete Vorschläge, in welcher Weise die Probleme geheilt können.

Der Spielraum für Reformen ist klein

Viel Spielraum für eine umfassende Reform der Sozialversicherungen haben die Politiker nicht mehr. Das ist fatal: Denn das Rentenversicherungssystem lässt sich nach 2025 nur mit einschneidenden Veränderungen stabilisieren. Ob eine solche Großreform vor den Gerichten Bestand haben wird, muss nach derzeitigem Stand bezweifelt werden.

Im konkreten Fall ging es um die Frage, ob es durch die Umstellung der Rentenbesteuerung zu ungerechtfertigten Doppelbelastungen kommt. Der Bundesfinanzhof wies die aktuelle Klage ab, befürchtet aber für die Zukunft Probleme.

  1. Doppelbesteuerung: Der Bundesfinanzhof sieht für künftige Rentnergenerationen tatsächlich die Gefahr, dass Rentenbeiträge aus zuvor versteuertem Einkommen gezahlt werden, der Rentner später aber noch einmal Steuern auf seine Altersbezüge zahlen muss. Das darf nicht passieren, weil jedes Einkommen nur einmal besteuert werden darf.
  2. Existenzminimum: Ein zweites Problem moniert der Bundesfinanzhof, weil nicht sichergestellt ist, dass das Existenzminimum von derzeit rund 9.000 Euro im Jahr auf jeden Fall steuerfrei bleibt.
  3. Betroffene: Freiwillig versicherte Selbstständige und Alleinstehende zahlen überproportional viel in die Versicherung ein, Männer haben wegen ihrer geringeren Lebenserwartung eine kürzere Rentenbezugsdauer. Vor allem in diesen drei Gruppen kann es also passieren, dass am Ende weniger Rente steuerfrei ausgezahlt wird, als in der Übergangszeit an versteuerten Beiträgen gezahlt wurde. Dann läge eine Doppelbesteuerung vor.

Die Idee war ja richtig: Bis zum Jahr 2005 zahlten Arbeitnehmer ihren Teil der Rentenbeiträge aus Einkommen, das vorher besteuert wurde. Anders war das bei Beamten, die in ihrem Berufsleben in keine Alterskasse einzahlen, deren Pensionen aber schon immer besteuert wurden. Die Beamten zahlten in der Regel weniger Steuern als die Arbeitnehmer, weil man im Ruhestand normalerweise weniger Geld bekommt als im aktiven Erwerbsleben.

Immer wieder formen die Gerichte die Politik

Damit fällt auch die steuerliche Belastung in der Summe niedriger aus. Heute zahlt von 21 Millionen Rentnern nur ein Viertel Steuern. Übrigens: Nicht die Politiker selbst kamen auf die Idee, die Sache gerecht zu regeln. Das Verfassungsgericht forderte sie dazu auf.

Eine Übergangsregelung sollte 35 Jahre lang dafür sorgen, dass für den Staat die Steuerausfälle durch die Umstellung nicht zu hoch werden: Nach und nach sollte die Einzahlung von der Steuer befreit werden, und im Gegenzug die Renten schrittweise steuerpflichtig werden. 2040 sollte der Prozess abgeschlossen sein.

Dass es für Neurentner zu ungerechtfertigten Verzerrungen kommen würde, war eigentlich allen klar. Denn der steuerfreie Betrag für die Rentner schrumpft zügig: Erst ab 2025 werden die Beiträge in die Rentenversicherung von der Steuer befreit sein, schon ab 2040 sollen die Renten voll versteuert werden. Weil aber die meisten der künftigen Rentner deutlich mehr als 15 Jahre in die Rentenversicherung einzahlen, ergibt sich schon hier ein erster Ansatzpunkt, eine ungerechtfertigte Doppelbesteuerung zu vermuten.

Die Ministerien müssen sorgfältiger arbeiten

Auch wenn mit der nun fälligen Neuregelung kaum jemand reich werden wird, ist die Mahnung des Bundesfinanzhofs unüberhörbar: Die Ministerien müssen sorgfältiger arbeiten, die Politiker genauer hinschauen, bevor sie entscheiden.

Die eigenen Aufgaben an die höchsten Gerichte weiterzureichen, ist keine gute Idee. Denn erstens schrumpft so auf die Dauer der Spielraum für politische Entscheidungen. Und zweitens verlieren die Bürger das Vertrauen in die Politik.

Ursula Weidenfeld ist Wirtschaftsjournalistin in Berlin. Im August erscheint ihr neues Buch: Die Kanzlerin. Portrait einer Epoche. Sie können es jetzt schon vorbestellen.

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