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Streit um Stromautobahn: Bayern drohen mit "zweitem Wackersdorf"


Streit um Stromautobahn
Bayern drohen mit "zweitem Wackersdorf"

Von t-online, dpa
16.02.2014Lesedauer: 3 Min.
Vor allem in Bayern wollen viele Bürger nicht, dass die geplante Stromautobahn durch ihre Region führtVergrößern des BildesVor allem in Bayern wollen viele Bürger nicht, dass die geplante Stromautobahn durch ihre Region führt (Quelle: dpa-bilder)
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Die Debatte um das Kernprojekt der Energiewende, eine riesige Stromautobahn quer durch Deutschland, verschärft sich weiter. Besonders in Bayern trifft der Plan der Trasse auf enormen Widerstand. Aufgebrachte Bürger kritisieren die angeblich hinterwäldlerische Technik und drohen sogar mit einem "zweiten Wackersdorf".

Geplante Trasse "unerträglich"

Hans-Jürgen Wehner blickt zornig über sein Grundstück in der Oberpfalz - kilometerweit unzerstörte Natur mit Feldern und Wäldern. Der 56-Jährige aus Berg (Landkreis Neumarkt) ist wütend auf die Bundes- und Landesregierung wegen der Pläne, eine Stromtrasse von Sachsen-Anhalt nach Augsburg zu führen: "Der geplante Korridor für die 75 Meter hohen Strommasten verläuft direkt an unserem Grundstück entlang. Aus Naturschutz und vor allem gesundheitlichen Gründen ist das unerträglich."

Vor einem Jahr hat der gelernte Fernmeldehandwerker das veraltete Elternhaus abgerissen, um ein energiesparsames, ökologisches Haus zu bauen. Eine Solaranlage auf dem Dach, ein Holzheizherd in der Küche sorgen für Strom und Wärme.

Betroffene: Idyll in Gefahr

"Wir sind energieautark, brauchen nur noch etwa acht Raummeter Holz pro Jahr", sagt Ehefrau Renate stolz. Dieses Idyll sieht das Ehepaar Wehner nun durch die geplante Stromtrasse in Gefahr. Sie soll direkt vor ihrem Haus entlanggeführt werden. "Hätten wir das gewusst, hätten wir niemals hier gebaut. Dann wären wir weggezogen", schimpft die 56-Jährige.

Sie fürchtet auch konkret um ihre Gesundheit. "Seit einiger Zeit habe ich einen Herzschrittmacher. Daher verzichten wir in der Küche sogar auf eine Mikrowelle. Und jetzt sollen die riesigen Stromleitungen direkt vor unserem Grundstück herführen. Das ist doch Wahnsinn."

Die Pläne für die 450 Kilometer lange Gleichstrompassage Süd-Ost des Netzbetreibers Amprion haben die Betroffenen regelrecht elektrisiert. Dutzende Bürgerinitiativen (BI) in Franken und der Oberpfalz schossen wie Pilze aus dem Boden. Informationsveranstaltungen des Betreibers sowie Auftritte des bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer und seiner Energieministerin Ilse Aigner (beide CSU) werden mit minutenlangen Pfeifkonzerten torpediert.

Nordbayern sehen Nieder- und Oberbayern in der Pflicht

Vor allem im Landkreis Neumarkt ist der Unmut groß. Der Landkreis habe seine Hausaufgaben gemacht und liefere bereits 60 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien, sagt der Bürgermeister von Berching, Ludwig Eisenreich (CSU). Nun seien auch andere Bezirke wie Nieder- und Oberbayern sowie Schwaben gefordert. "Es kann nicht sein, dass nur Nordbayern die Belastung tragen soll."

Auch in Unterfranken ist die Lage aufgeheizt. In der Rhön lockt das Unesco-Biosphärenreservat im Dreiländereck von Bayern, Hessen und Thüringen als "Land der offenen Fernen" Wanderer und Naturliebhaber. Nun fürchtet die Region, dass die hohen Masten der Stromautobahn "SuedLink" in einem Teil des Naturparks künftig die Aussicht vermiesen und Touristen abschrecken werden.

"Schlag ins Gesicht"

"Wir haben uns mit viel Engagement dafür eingesetzt, das Biosphärenreservat zu vergrößern", sagt Thomas Bold, CSU-Landrat von Bad Kissingen. Die Pläne für die Trassenführung seien "ein Schlag ins Gesicht". Noch beschränke sich der Protest auf die Politik. Aber das werde sich ändern, falls die Pläne konkreter werden. "Es gibt ein klares Meinungsbild: Die Menschen im Landkreis wollen diese Trasse nicht."

Dass die Oberpfälzer mit langem Atem Widerstand leisten können, haben sie 1986 gezeigt: Monatelang demonstrierten mehr als 100.000 Menschen gegen die geplante atomare Wiederaufarbeitungsanlage Wackersdorf - mit Erfolg. Seitdem steht die Gemeinde wie kaum eine andere in Deutschland für den erbitterten Widerstand der Bevölkerung. "Wenn es sein muss, gibt es ein zweites Wackersdorf", betont Wehner.

Nach der von Seehofer geforderten Planungspause für neue Leitungen nach Bayern hatte Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) eine Überprüfung der Netzausbaupläne bis zum Sommer angekündigt. Der bayerischen Staatsregierung sind rechtlich jedoch die Hände gebunden, da die Länder die Planungshoheit für länderübergreifende Leitungen an den Bund abgegeben haben.

Vorgesehene Technik "veraltet"

Die betroffenen Menschen in Nordbayern trauen den Ankündigungen nicht. Sie fordern, wenn überhaupt, eine unterirdische Trasse. "Es kann doch nicht sein, dass ein innovatives Land wie Deutschland nur zu einer veralteten überirdischen Leitungstechnik in der Lage ist", sagt Wehner.

Er befürchtet auch dramatische Beeinträchtigungen für die kommenden Generationen. "Viele junge Familien sind zu uns aufs Land gezogen, um mit ihren Kindern die Natur zu genießen. Das wäre auf jeden Fall vorbei." Das von Seehofer angekündigte Moratorium hält der 56-Jährige nur für eine Verzögerungstaktik vor der anstehenden Kommunalwahl. Dabei werde es die Quittung geben, davon ist er überzeugt.

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