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Sonst sinkt der Wohlstand der deutschen Rentner


Sonst sinkt der Wohlstand der deutschen Rentner

Eine Kolumne von Ursula Weidenfeld

Aktualisiert am 20.12.2022Lesedauer: 3 Min.
Meinung
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Eine Rentnerin beim Einkauf (Symbolbild): Für die vielen Älteren, die aus dem Berufsleben ausscheiden, braucht es Ersatz. (Quelle: IMAGO/Ute Grabowsky/photothek.de)

Eine Mehrheit der Deutschen lehnt mehr Einwanderung ab. Warum das ein Fehler ist.

Widersprüchlicher könnten die Signale nicht sein. 400.000 Migranten müssten jährlich nach Deutschland kommen (und bleiben), um die demografische Lücke auszugleichen, die sich auf dem Arbeitsmarkt und in den Sozialkassen auftut. Rund die Hälfte der Deutschen aber lehnt noch mehr Zuwanderung offen ab, ein knappes Viertel ist unentschieden.

Das ist das Resultat einer neuen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov. Eine "wirkliche Willkommenskultur" vermisst auch die frühere Bundesarbeitsministerin und heutige Chefin der Bundesagentur für Arbeit, Andrea Nahles, im t-online-Interview. Frau Nahles hat recht.

Die Deutschen sind nicht sicher, was sie schärfer ablehnen: dauerhaft mehr Einwanderung oder dauerhaft weniger Lebensstandard. Zwischen diesen beiden Polen aber müssen sie sich entscheiden.

Viel Luft nach oben ist nicht mehr

Rund 13 Millionen Babyboomer gehen in den kommenden 15 Jahren in den Ruhestand. Fehlen werden nicht nur Facharbeiter, sondern Lehrerinnen, Beamte, Hilfskräfte, Lastwagenfahrer, Unternehmensgründer, Nachfolgerinnen in Kanzleien und Fabriken. Einen Teil davon könnte man aus eigener Kraft ausgleichen – wenn man wollte:

Wenn die Älteren tatsächlich bis zum regulären Renteneintrittsalter arbeiten würden, wie das Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) vorschlägt. Wenn vor allem Frauen ihren Teilzeitjob auf 30 oder mehr Stunden aufstockten. Wenn mehr Langzeitarbeitslose für den Arbeitsmarkt zurückgewonnen werden könnten.

Doch aufgehen würde die Rechnung damit noch lange nicht. Etwas mehr als 47 Millionen Bürger dieses Landes könnten arbeiten – etwas mehr als 45 Millionen tun es heute schon. Das Potenzial der stillen Reserve schätzen Experten vom Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung auf weniger als eine Million Personen. Viel Luft ist da nicht mehr.

Von wegen "Wohlstandsverlust"

Würde man auf Einwanderer verzichten, würde das Bruttoinlandsprodukt in den kommenden Jahrzehnten stagnieren oder schrumpfen. Die Preise aber würden weiter steigen, weil die Rentnergeneration gleichzeitig entsparen wird: Nicht nur die Ruheständler müssten vermutlich immer höhere Löhne für die wenigen Hilfskräfte finanzieren, die sie für den Haushalt, die Pflege oder eine Betreuung gewinnen wollen.

Auch die Unternehmen würden mit höheren Gehältern um die knappen Arbeitskräfte konkurrieren und natürlich auch versuchen, höhere Preise für ihre Produkte aufzurufen. Der Wohlstand würde sinken, wobei Rentner schärfer getroffen wären als die übrige Bevölkerung. Denn: Ihre Bezüge würden angesichts der wachsenden Zahl der Alten kaum mehr im selben Maße wie die Löhne steigen können.

Um diesen Effekt zu mildern, ist Einwanderung nicht nur sinnvoll, sondern notwendig. Das heißt nicht, dass die Löhne für die Arbeitskräfte sinken, die schon im Land sind. Die meisten Studien, die sich mit den Auswirkungen von Einwanderung auf den Arbeitsmarkt beschäftigen, sehen keine oder nur wenige negative Effekte für den Wohlstand und den Status der einheimischen Beschäftigten, im Gegenteil.

Wer schon hier arbeitet, steigt schneller auf

Weil die Neuen auf dem Arbeitsmarkt angelernt und integriert werden müssen, steigen die Chancen für die bereits Beschäftigten aufzusteigen. Weil die Arbeitsmigranten einkaufen, konsumieren, wohnen, ihre Kinder in die Schule schicken, zum Arzt gehen und verreisen, bringen sie neue Dynamik in Wirtschaft und Gesellschaft, das Wirtschaftswachstum könnte wieder Fahrt aufnehmen.

Auch die Sozialversicherungen werden entlastet. Vor allem die Rentenversicherung lebt von möglichst vielen aktiven Beschäftigten. Ihre Beiträge finanzieren die Renten der Alten. Je mehr sozialversicherungspflichtig Beschäftigte es gibt, desto mäßiger fällt die Pro-Kopf-Belastung für den Einzelnen aus – und desto eher sind die Jungen wahrscheinlich bereit, die Rentenansprüche der älteren Generation ohne Murren zu befriedigen.

Natürlich: Geplante Einwanderung ist etwas anderes als ungesteuerte Migration. Die meisten derjenigen, die in der YouGov-Befragung gegen mehr Einwanderung votiert haben, sorgen sich wegen unkontrollierter Zuwanderung wenig qualifizierter und integrationswilliger Menschen. Auch hier könnte ein Einwanderungsgesetz zumindest ein bisschen helfen.

Wer willkommen ist, bleibt länger hier

Je mehr Menschen die Chance sehen, regulär ins Land zu kommen, desto weniger müssen sich auf Schleuser verlassen und sich auf gefährliche Fluchtrouten begeben.

Wenn es aber keine vernünftige Alternative zur Einwanderung gibt, darf man sich nicht nur widerwillig damit abfinden, dass das Land in den kommenden Jahrzehnten wahrscheinlich diverser wird. Wer freundlich begrüßt wird, kommt schneller an als diejenige, die im Ausländeramt gemobbt, bei der Wohnungssuche benachteiligt und bei der Anerkennung ihrer Qualifikation nach hinten geschoben wird.

Wer sich willkommen fühlt, wird länger bleiben und sich wirklich einleben. Darauf hat Andrea Nahles noch einmal hingewiesen. Auch da hat sie recht.

Ursula Weidenfeld ist Wirtschaftsjournalistin in Berlin. Ihr neues Buch heißt:

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