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Peter Altmaier schlägt "Corona tötet"-Hinweis bei Impfeinladung vor


Wirtschaftsminister
Peter Altmaier schlägt "Corona tötet"-Hinweis bei Impfeinladung vor


Aktualisiert am 15.08.2021Lesedauer: 8 Min.
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"Mit dem Ende der Pandemie ist die Not vieler Betroffener noch nicht vorbei", sagt Peter Altmaier.Vergrößern des Bildes
"Mit dem Ende der Pandemie ist die Not vieler Betroffener noch nicht vorbei", sagt Peter Altmaier. (Quelle: Sven Simon/imago-images-bilder)

Wirtschaftsminister Altmaier war während der Pandemie eine der wichtigsten politischen Figuren. Im Interview erklärt er, warum die Krise noch nicht überstanden ist – und wie er das Impftempo beschleunigen will.

Bis zur Bundestagswahl sind es noch sechs Wochen und der Wahlkampf ist in vollem Gange. Einer, der an vorderster Front mitmischt, ist Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier.

Der CDU-Politiker war in der Corona-Krise mit die wichtigste Figur der Bundesregierung, er orchestrierte die Corona-Hilfen – und musste sich Kritik von Unternehmen anhören, bei denen kein Geld ankam.

Jetzt, gegen Ende der Krise, ist auch das Ende seiner Amtszeit gekommen. Und noch ist völlig offen, welche Rolle er in der nächsten Bundesregierung einnehmen wird. Im Interview mit t-online blickt Altmaier auf seine Amtszeit zurück, und warnt davor, die Pandemie frühzeitig als beendet zu erklären. Auch für seinen Parteikollegen und Unions-Kanzlerkandidaten Armin Laschet hat er einen Tipp für die heiße Phase des Wahlkampfes.

t-online: Herr Altmaier, Bund und Länder haben die Corona-Hilfen bis Jahresende verlängert. Reicht das wirklich aus?

Peter Altmaier: Wir haben seit Beginn der Pandemie deutlich über 300 Milliarden Euro für Kurzarbeitergeld, Hilfszahlungen, Kredite und Konjunkturmaßnahmen zur Verfügung gestellt. Damit sichern wir Arbeitsplätze, bewahren die Substanz unserer mittelständischen Wirtschaft und finanzieren trotz Corona sogar noch Investitionen in die Zukunft. Das ist eine ungeheuer große Summe. Wir werden auch künftig handeln, wo immer es erforderlich ist.

Von vielen Unternehmen hören wir derweil, dass sie ihre Rücklagen aufgebraucht haben, dass sie trotz der staatlichen Hilfen weiter in Existenznot sind. Was ist mit denen?

Das stimmt. Viele Unternehmen, die nicht von Schließungen betroffen waren, konnten auch während der Pandemie weiter gut arbeiten. Aber es gab und gibt auch viele Unternehmen, besonders unter Mittelständlern und Familienbetrieben, die wegen der Pandemie sogar ihre Altersvorsorge und Lebensversicherung angreifen mussten. Diese Firmen, deren Eigenkapitaldecke sehr dünn geworden ist, dürfen und werden wir nicht vergessen. Denn: Unternehmen, die eigentlich gesund sind und wegen Corona in eine schwere Lage gekommen sind, brauchen Klarheit darüber, wie es langfristig weitergeht. Dazu werde ich konkrete Vorschläge für die Koalitionsverhandlungen einbringen.

Und wie werden die aussehen?

Jetzt werden erst mal die Überbrückungshilfen für Firmen in Not bis Ende des Jahres verlängert. Langfristig muss es aber leichter werden Eigenkapital neu aufzubauen. Besonders hart getroffene Unternehmen und Branchen könnten steuerliche Vorteile bekommen. Für die Gastronomie haben wir zum Beispiel bereits den ermäßigten Mehrwertsteuersatz auf Speisen und Getränke eingeführt und werden ihn beibehalten. Ähnliches könnte ich mir auch in anderen Bereichen vorstellen. Ebenso andere Maßnahmen, die die Eigenkapitaldecke der Unternehmen stärken.

Welche Branchen könnten davon profitieren?

Ich denke dabei zum Beispiel vor allem an Unternehmen im Messegeschäft, Veranstalter, an Betreiber von Diskotheken, aber auch an Frisöre oder auch Einzelhändler oder andere Bereiche, die seit Längerem im ersten Halbjahr kaum Erträge erwirtschaften konnten. Die Diskussion über die richtigen Maßnahmen wird in den nächsten Monaten Fahrt aufnehmen, denn klar ist: Mit dem Ende der Pandemie ist die Not vieler Betroffener noch nicht vorbei.

Peter Altmaier, geboren 1958, ist seit März 2018 Bundesminister für Wirtschaft und Energie. Zuvor war er seit Ende 2013 Bundesminister für besondere Aufgaben und Kanzleramtschef, kurze Zeit war er übergangsweise auch Finanzminister. Von 2012 bis 2013 war Altmaier Bundesumweltminister. Der gelernte Jurist sitzt seit 1994 für die CDU im Deutschen Bundestag.

Wann wird das denn der Fall sein – wann wird die Wirtschaft das Vorkrisenniveau wieder erreicht haben?

Wir werden in diesem Jahr einen kräftigen Aufschwung erleben. Der wird sich auch im nächsten Jahr fortsetzen. Anfang 2022 werden wir unsere alte Wirtschaftskraft, das Vor-Corona-Niveau, wieder erreichen.

Das Impftempo lahmt, die Delta-Variante lässt die Inzidenz wieder ansteigen. Wie sehr kann das Ihre Prognose ins Wanken bringen?

Ich bin der festen Überzeugung: Die Delta-Variante wird den Wirtschaftsaufschwung nicht gefährden. Für Geimpfte und Genesene wird es durch Delta nach den heutigen Erkenntnissen keinen neuen Lockdown geben. Und das wiederum heißt auch: Restaurants und Geschäfte können auch im Winter offenbleiben.

Dennoch: Ein Lockdown für Ungeimpfte, wie ihn Kanzlerin Merkel nicht ausgeschlossen hat, würde die Wirtschaft sicherlich weitere Milliarden kosten.

Richtig. Wir müssen daher der Impfkampagne neuen Schwung verleihen.

Und wie?

Wir müssen die grausame Realität von Corona deutlicher zum Ausdruck bringen. Jedem muss klar sein: Wenn ich mich nicht impfen lasse, bin ich in Lebensgefahr. Es gibt viele Bürger, denen diese Gefahr nach wie vor nicht ausreichend bekannt ist.

Was könnte die Bundesregierung da konkret besser machen?

Ich will dem Bundesgesundheitsminister hier keine Vorschläge machen. Aber ich denke, so ähnlich, wie dies auch auf Zigarettenpackungen schon heute der Fall ist, sollten wir deutlich die Risiken benennen. Zum Beispiel mit einem Hinweis wie "Corona tötet", den man mit der Impfeinladung verschicken könnte. Damit jedem die möglichen Konsequenzen klar sind, wenn er sich nicht impfen lässt.

Wenn Corona nicht gewesen wäre, hätten Sie vor allem mit der Bewältigung der Klimakrise zu tun gehabt. Wie schockiert waren Sie, als Sie den IPCC-Bericht diese Woche gelesen haben?

Der Bericht des Weltklimarats von dieser Woche ist ein dringender Appell an die Weltgemeinschaft und an jedes einzelne Land. Wir haben in Deutschland bereits im Frühjahr reagiert, als wir unsere Klimaziele erneut verschärft haben. Die EU hat die strengsten Klimaschutzvorgaben in der ganzen Welt, und immer mehr Länder schließen sich unserem Kurs an. Dennoch müssen wir folgende Frage beantworten: Was folgt daraus, dass die Erderwärmung nun noch schneller voranschreitet als wir gedacht haben? Wir brauchen hier möglichst eine globale Übereinkunft.

Die gibt es mit dem Pariser Klimaabkommen aber doch schon. Was muss in Deutschland geschehen?

Wir müssen den Klimawandel bekämpfen, aber auch seine Folgen im Blick haben: Jede Stadt in Deutschland sollte eine Risikoanalyse mit Blick auf mögliche Extremwetterereignisse vornehmen. Es ist wichtig zu klären, durch welche Extremereignisse, so unwahrscheinlich sie vielleicht auch sind, eine Gemeinde gefährdet werden könnte. Nur so kann man die notwendigen Anpassungen dann auch durchführen.

Klingt, als ob Sie vor der Klimakrise kapitulierten.

Ganz im Gegenteil: Denn selbst wenn Deutschland jetzt schon klimaneutral wäre und wir unter dem Strich kein CO2 mehr ausstießen, würde es noch Jahrzehnte dauern, bis sich Extremwetterereignisse wieder normalisieren, zumal der CO2-Ausstoß weltweit in vielen Ländern weiter zunimmt.

Ein Hebel dabei ist auch der Ausbau der erneuerbaren Energien, der auch in Ihre Verantwortung fällt. Zuletzt sagten Sie, dass der Anteil der Erneuerbaren in Deutschland bis 2030 um ein Drittel steigen muss. Wie kann das gelingen?

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Es gibt zwei große Bereiche, in denen wir schneller vorankommen können und müssen. Das sind einerseits Offshore-Windparks und andererseits Photovoltaikanlagen. Windräder auf hoher See in Nord- oder Ostsee produzieren besonders viel Strom, deshalb muss ihr Ausbau deutlich vorgezogen und ausgeweitet werden. Notfalls müssen dann auch konkurrierende Interessen zurückstehen. Und wir brauchen mehr Solardächer. Noch vor zehn Jahren waren PV-Anlagen eine der teuersten Varianten für den Ausbau der erneuerbaren Energien. Heutzutage ist aber gerade die Solarkraft eine der günstigsten Arten, um grünen Strom zu produzieren.

Etwas konkreter bitte.

Auf allen neuen öffentlichen Gebäuden müssen Solaranlagen, also entweder Photovoltaik oder Solarthermie, oder ein Mix aus beidem installiert werden. Bestehende Gebäude sollen so schnell wie möglich, spätestens aber bis 2028 nachgerüstet werden. Ähnliches sollte auch für Gewerbebauten gelten. Wir müssen in Gewerbegebieten auf den Dächern viel mehr Photovoltaikanlagen installieren.

Wie viele Windräder, wie viele Photovoltaikanlagen werden wir denn zusätzlich brauchen?

Ein Drittel mehr erneuerbare Energien ist die Richtschnur. Wie viel davon in welcher Energieart und wo ausgebaut werden, müssen wir mit den Bundesländern klären. Ich werde mich nach der Bundestagswahl im Rahmen der Energieministerkonferenz mit den Bundesländern zusammensetzen. Ich erwarte, dass jedes Bundesland konkrete, realistische Ausbauziele nennen wird. Es ist wichtig, dass alle Länder einen vergleichbaren Beitrag zur Erzeugung von erneuerbarer Energie leisten. Da muss es einen überparteilichen Konsens geben.

Das würde in der Folge bedeuten, dass die Deutschen über die Ökostrom-Umlage noch mehr als ohnehin schon für Energie ausgeben müssen.

Das darf auf gar keinen Fall geschehen. Deshalb gilt für mich: Wenn wir die erneuerbaren Energien ausbauen, müssen wir parallel die EEG-Umlage abschaffen – und zwar spätestens bis 2025. Ich gehe davon aus, dass die EEG-Umlage 2022 spürbar unter dem politischen Zielwert von 6 Cent je Kilowattstunde liegen wird. Das aber wird nicht reichen und darf nicht als Einmaleffekt verpuffen: Die Bürger und die Firmen, vor allem die Mittelständler, brauchen die Zusage, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien ohne einen Anstieg der EEG-Umlage gelingt. Die Strompreise dürfen nicht explodieren.

Blicken wir direkt auf die Bundestagswahl in sechs Wochen. Um Inhalte, so scheint es momentan, geht es im Wahlkampf kaum. Wie nehmen Sie das wahr?

Bei über 20 Wahlkampfterminen, die ich bislang absolviert habe, habe ich vor allem gesehen: Es gibt ein großes Verlangen nach inhaltlicher Führung und nach Klarheit, was die großen Leitentscheidungen angeht, die wir nach der Bundestagswahl zu treffen haben. Hier müssen alle Parteien noch mehr ihre Hausaufgaben machen. Die Grünen reden beispielsweise vor allem über Klimaschutz. Das ist prinzipiell auch richtig. Sie haben aber kein Konzept, wie das gelingen soll, ohne dass im großen Stil Arbeitsplätze verloren gehen.

Inhaltliche Führung bietet, so der Vorwurf selbst aus den eigenen Reihen, auch Ihr Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet nur selten. Wo muss er noch zulegen?

Ich selbst schiele nicht auf Umfragen. Aber ich lege großen Wert darauf, mit möglichst vielen Menschen ins Gespräch zu kommen, vor allem mit Wechselwählern und Unentschlossenen.

Und was sagen die Ihnen?

Zum Beispiel, dass es nach wie vor eine große Zustimmung für die Union als Partei gibt. Gleichzeitig verlangen viele von uns aber auch, dass wir deutlich machen, wie wir unsere Führungsverantwortung wahrnehmen. Das ist jetzt auch die wichtigste Aufgabe für unseren Spitzenkandidaten: Armin Laschet wird in der entscheidenden Phase des Wahlkampfes in den wichtigen inhaltlichen Fragen deutlich Position beziehen. Das ist der dringende Wunsch unserer Mitglieder und Wähler. Wir müssen und können bis zum Beginn der entscheidenden Wahlkampfphase eine deutliche Trendwende in der Stimmung schaffen.

Mit der Bundestagswahl endet allmählich auch Ihre aktuelle Amtszeit. Wie blicken Sie auf die Zeit als Wirtschaftsminister zurück?

Wir alle hätten sicher gerne auf die Corona-Pandemie und den damit verbundenen Wirtschaftseinbruch verzichtet. Trotzdem kann man auch mit Befriedigung feststellen: Die Wirtschaftspolitik hat seit dem Wirtschaftsaufschwung in den 1950er-Jahren noch nie so im Zentrum gestanden wie in den vergangenen vier Jahren. Das hat drei Gründe. Erstens die Corona-Krise. Zweitens die Transformationen, vor denen wir in ganz vielen Bereichen stehen, beispielsweise bei den Energiemärkten oder in der Autoindustrie.

Und der dritte Grund?

Dass wir den Mut hatten, eine aktive Industriepolitik zu betreiben. Wir haben in Hochtechnologien investiert, um gegen Wettbewerber aus Asien zu bestehen und so Arbeitsplätze in Deutschland und Europa gesichert.

Offen ist, ob Sie in der künftigen Regierung vertreten sein werden. Wo sehen Sie sich nach der Bundestagswahl?

Ich habe seit 27 Jahren, seitdem ich im Deutschen Bundestag sitze, ein eisernes Prinzip: Ich setze mich dafür ein, dass meine Partei den Regierungsauftrag erhält. Das wird am Wahltag entschieden. Wir haben eine Situation, bei der zur Überraschung aller, SPD, Grüne und CDU/CSU in den Umfragen ziemlich gleichauf sind. Das muss ein Alarmruf für meine Partei sein. Wir müssen mit deutlichem Abstand im September siegen, damit keine Regierung gegen uns gebildet werden kann. Den Rest entscheiden die Wählerinnen und Wähler und die Koalitionsverhandlungen.

Verwendete Quellen
  • Videointerview mit Peter Altmaier
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