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Chef von Gaffel-Kölsch: "Kronkorken sind um 65 Prozent teurer als 2021"


Brauerei-Chef
Warum Kölsch bald teurer wird

InterviewVon Mauritius Kloft, Frederike Holewik

Aktualisiert am 04.03.2022Lesedauer: 7 Min.
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Stangen Kölsch in einem Gaffel-Brauhaus (Symbolbild): Unternehmenschef Becker ist optimistisch.Vergrößern des Bildes
Stangen Kölsch in einem Gaffel-Brauhaus (Symbolbild): Unternehmenschef Becker ist optimistisch. (Quelle: Winfried Rothermel/imago-images-bilder)

Neben Dom und Karneval ist Köln vor allem für Bier bekannt, das in 0,2-Liter-Gläsern serviert wird: Kölsch. t-online hat mit dem Chef der Brauerei Gaffel gesprochen – über Corona, steigende Preise und die Aussicht der Branche.

Nach zwei Jahren Corona-Krise mit geschlossenen Kneipen und Verlusten in Milliardenhöhe schöpft die Gastronomie in Deutschland neue Hoffnung. Am 4. März nämlich läutet der Bund den zweiten Öffnungsschritt in der Corona-Politik ein.

Künftig gilt in Restaurants nur noch die 3G-Regelung, am 20. März sollen dann fast alle Beschränkungen fallen. Was sich sonst noch ändern soll, lesen Sie hier.

Auch in Köln ist man optimistisch, trotz der Schrecken, die derzeit vom russischen Angriffskrieg in der Ukraine ausgehen. t-online hat mit Heinrich Philipp Becker gesprochen, dem Chef der 114 Jahre alten Brauerei Gaffel: über die Pandemie, steigende Preise – und die Zukunft des Kölsch.

t-online: Herr Becker, ab Freitag gilt für Gastronomie und Hotels wieder die 3G-Regel. Ab dem 20. März werden tiefgreifende Corona-Beschränkungen fallen. Sind Sie optimistisch?

Heinrich Philipp Becker: Wir freuen uns, insbesondere auch für unsere Partner in der Gastronomie, dass es nach Corona wieder losgeht und blicken sehr optimistisch in die Zukunft.

Warum das?

Wir haben das Gefühl, dass die Menschen wieder rausgehen wollen. Es wird auch extreme Nachholeffekte geben. Schon jetzt haben wir viele Reservierungen für Weihnachtsfeiern im Gaffel am Dom.

Können Sie diese Nachholeffekte denn überhaupt bedienen?

Das können wir auf jeden Fall. Im Normalfall brauen wir insgesamt 500.000 Hektoliter, das sind 250 Millionen Gläser Kölsch.

Wie ist denn Gaffel insgesamt durch die Krise gekommen?

Unser starkes Fassbiergeschäft ist zeitweise komplett wegen der Zwangsschließung der Gastronomie eingebrochen. Wir sind eine der größten Fassbierbrauereien Deutschlands. Das hat uns natürlich sehr getroffen. Doch wir konnten zum Glück einen Teil durch das Flaschengeschäft kompensieren.

Auch für Mitarbeiter war die Pandemie herausfordernd. Wie viele Ihrer Kellner, die in Köln ja Köbes genannt werden, mussten Sie denn entlassen?

Ich kann nur für unser eigenes Brauhaus "Gaffel am Dom" sprechen. Wir mussten keinen einzigen entlassen, zum Glück. Insgesamt leidet die Branche aber extrem unter fehlendem Fachpersonal.

Wie ist Ihnen das gelungen?

Wir sind ein Familienunternehmen. Das überträgt sich auch auf die Strukturen im Brauhaus. Ein Arbeitsplatz mit sehr guten Arbeitsbedingungen wird nicht so einfach aufgegeben. Zudem gab es Kurzarbeitergeld. Doch eine Sache war für die Köbesse und Köbinen, so die weibliche Form, deutlich schlimmer.

Und zwar?

Dass sie ihrer Leidenschaft nicht mehr frönen konnten. Viele sind seit Jahren bei uns im Brauhaus. Sie haben ihre Stammkunden, kommen mit den Gästen in engen Kontakt und haben am Arbeitsplatz ein soziales Miteinander. Das fiel komplett weg.

Heinrich Philipp Becker, geboren 1976, ist seit Ende 2013 geschäftsführender Gesellschafter der Privatbrauerei Gaffel, in der vierten Generation. Er übernahm das Familienunternehmen nach einem gerichtlichen Streit zwischen seinem Vater und seinem Onkel. Nach einer Lehre als Bankkaufmann studierte Becker BWL und schloss das Studium mit einem Master of Science Entrepreneurship ab. 2008 trat er ins Familienunternehmen ein.

Hat das denn funktioniert? In vielen Gastronomiebetrieben haben sich die Mitarbeiter Jobs in anderen Branchen gesucht.

Grundsätzlich ist es natürlich so: Das Vertrauen in die Zukunft der Gastronomie als Arbeitgeber muss wieder aufgebaut werden. Als Familienunternehmen mit einer starken Marke bieten wir einen attraktiven Arbeitsplatz. Unsere Mitarbeiter arbeiten gerne bei uns.

Das müssen Sie als Chef aber auch sagen.

Im Zweifel können Sie gerne unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fragen.

Dann glauben wir Ihnen das mal. Wie wird Gaffel denn den Freedom Day am 20. März feiern?

Normalerweise ist nach Karneval Fastenzeit. Das wird dieses Jahr sicher nicht so sein. Da das Feiern den Rheinländern im Blut liegt, wird bestimmt vieles nachgeholt.

Doch die Feierlust könnte vergehen, schaut man sich ein weiteres Problem an: extreme Kostensteigerungen. Preise für Transportpaletten, für Malz als wichtiger Braurohstoff sowie für Strom und Gas haben sich vervielfacht. Sie haben bereits angekündigt, die Preise ab April erhöhen zu wollen. Wie teuer wird das Kölsch im Brauhaus jetzt?

Prinzipiell ist unsere Prämisse, ein Kölsch mit der bestmöglichen Qualität herzustellen. Darum machen wir keine Kompromisse und verwenden nur die allerbesten Rohstoffe. Grundsätzlich kommt diese Entwicklung für uns nicht plötzlich, sondern wir beobachten sie schon seit längerer Zeit. Dennoch haben wir versucht, unsere Abgabepreise stabil zu halten. Unsere letzte Preiserhöhung liegt vier Jahre zurück. Das Thema ist aber mehrschichtig, weil wir als Brauer nicht allein den Preis bestimmen.

Erklären Sie das bitte.

Bis das Kölsch beim Gast ist, gibt es Zwischenschritte. Zunächst geht es zum Getränkegroßhändler und von dort in die Gastro, die dann das Kölsch zapft. Und auf allen Ebenen sind die Kosten gestiegen, beispielsweise beim Personal. Wir können nur bestimmen, wie hoch unser Rampenpreis ist, für den das Kölsch an die Großhändler geht. Am Ende entscheidet der Gastronom, für welchen Preis er unser Kölsch anbietet.

Die Privatbrauerei Gaffel wurde 1908 gegründet, sie ist damit eine der ältesten Kölsch-Brauereien in Köln. Das Unternehmen hat die sogenannte Kölsch-Konvention unterzeichnet, die verbindliche Regeln für Brauereien festschreibt, die Kölsch produzieren möchten. Gaffel ist der Marktführer in der Kölner Gastronomie, im Einzelhandel liegt das Unternehmen auf Platz zwei hinter der Reissdorf-Brauerei. Mittlerweile beschäftigt Gaffel rund 260 Mitarbeiter. Gaffel ist unter anderem Sponsor des 1. FC Köln oder der Kneipenturniere "Schnick Schnack Schluck", bei denen Schere, Stein, Papier gespielt wird.

Können Sie denn trotzdem eine Schätzung abgeben?

Wir schätzen, dass das Kölsch demnächst zwischen 1,90 und 2,10 Euro liegen wird, pro 0,2-Liter-Glas beziehungsweise Stange, wie wir in Köln sagen.

Das kann sich aber läppern.

Wir sprechen insgesamt über Kostensteigerungen von zehn Prozent. Aber Kronkorken sind beispielsweise um 65 Prozent teurer als noch vergangenes Jahr. Wir in Deutschland sind aber auch sehr preissensibel, was den Bierpreis angeht. In anderen Ländern kostet Bier schon immer deutlich mehr. Und wenn alles teurer wird, geht das leider nicht an uns vorbei.

Man könnte auch an anderen Kostenschrauben drehen. Sie bei Gaffel geben beispielsweise extrem viel für Marketing und Sponsoring aus. Warum?

Wir sind eine regionale Kölner Brauerei und unterstützen das, was den Kölschen am Herzen liegt. Dazu gehören kölsche Bands, kleinere und größere Vereine wie der 1. FC Köln oder eben Veranstaltungen. Natürlich ist Sponsoring nicht Selbstzweck, sondern ein Teil des Marketings.

Und das, obwohl vieles wegen Corona nicht möglich war?

Gerade deshalb.

Wieso?

Ich sag mal: wie in guten, so auch in schlechten Zeiten. Wegen Corona hat das Sponsoring an Bedeutung gewonnen. Wir wollen zeigen, dass wir auch in diesen Zeiten für die Region da sind. Wir lassen unsere Partner nicht allein.

Klingt etwas pathetisch. Ganz uneigennützig sind solche Gelder sicherlich nicht.

Nein. Wir wählen die Marketingmaßnahmen gut aus, beim 1. FC Köln wird ja auch viel Kölsch getrunken. Und wir können auch neue Zielgruppen ansprechen, zum Beispiel durch die Förderung bestimmter Events in der Gastronomie.

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Planen Sie denn die Eröffnung weiterer Brauhäuser in der City?

Ja, sicherlich. Das gilt auch bundesweit. Kölsch-Kultur hat Konjunktur. In Berlin ist das "Gaffel-Haus" und die "Ständige Vertretung" sehr erfolgreich. Sogar in der Altbierhochburg Düsseldorf gibt es mit dem "Eigelstein" ein gut funktionierendes Gaffel-Brauhaus.

Wie sieht es denn in anderen Städten aus, zum Beispiel München?

Ausgeschlossen ist das nicht.

Wie wollen Sie denn die Leute vom Kölsch überzeugen, die zum bayrischen Bier neigen?

Es ist schön, dass wir als Spezialität in Deutschland gehandelt werden. Kölsch passt perfekt zum gerade angesagten Trend nach hellen, milden Bieren. Die Biervielfalt in Deutschland ist herrlich. Und doch ist Kölsch besonders.

Inwiefern?

Es ist eine Säule der Kölner Kultur. Kölsch ist das flüssig gewordene Lebensgefühl der Stadt Köln. Das gibt es nicht bei vielen Bieren. Kölsch ist Teil der DNA, ähnlich wie der Dom, der 1. FC Köln oder der Karneval.

Die Kölsch-Marken unterscheiden sich nur in Nuancen. Trotzdem gibt es viele Menschen, die eine bestimmte Marke am liebsten trinken – und keine andere. Woran liegt das?

Ich sage immer: Es gibt in Köln eine Million Trainer des FC, und so gibt es auch eine Million Kölsch-Kenner. Sie haben recht. Mit geschlossenen Augen wird es für viele schwer, einen Unterschied zu erkennen, obwohl er da ist. Die Menschen entscheiden sich für eine Marke, mit der man etwas Bestimmtes verbindet, wie beim Fußballverein auch.

Schon jetzt wird weniger Bier getrunken, alkoholfreies Bier ist dagegen voll im Trend. Macht Ihnen das nicht Angst?

Neben dem Gaffel Kölsch alkoholfrei haben wir unser Portfolio um alkoholfreie Produkte erweitert. Sicher ist der Verzicht auf Alkohol ein Thema, aber das Jahr hat 365 Tage. Da gibt es viele Anlässe, Kölsch zu trinken. Und durch die mittlerweile drei Sorten Fassbrause konnten wir ganz neue Zielgruppen erschließen. Gerade haben wir Gaffel Lemon und Gaffel Wiess sehr erfolgreich auf den Markt gebracht ...

… ein unfiltriertes, naturtrübes Kölsch?

Kein Kölsch. Wiess war der Vorläufer des filtrierten Kölsch. Bei Gaffel probieren wir viel aus, haben eine eigene Versuchsbrauerei. Wir haben den Anspruch, aktuelle Trends zu antizipieren, da wir uns stets den Konsumenten anpassen müssen.

Ist das nicht anstrengend?

Na ja, das gehört zu unserer Unternehmenskultur. Innovationen sind da ein wesentlicher Bestandteil. Wir haben die komplette Wertschöpfungskette selbst im Griff. Man muss auch mal den unternehmerischen Mut haben, einfach mal was wagen und ein kalkuliertes Risiko eingehen. Ein Viertel unseres Umsatzes wollen wir mit Produkten machen, die nicht älter sind als zehn Jahre.

Testen Sie denn gerade was Neues?

Aktuell planen wir die Erweiterung unserer Spirituosenlinie. Unsere Kunden können sich auf einen neuen Likör freuen. Und Gaffel Lemon kommt in die Flasche.

Wir sind gespannt. Ursprünglich gab es mal rund 100 Kölsch-Marken, mittlerweile sind es nur noch eine Handvoll. Gaffel zählt zu den letzten eigenständigen: Aktuell führen Sie den Betrieb in der vierten Generation. Wie lange wird Gaffel denn noch in Familienhand bleiben?

Wir tun alles, damit es so bleibt. Ich bin mir sicher, dass sich das in Zukunft nicht ändern wird.

Steht denn ein Nachfolger bereit?

Na, hören Sie mal: Ich bin erst 45 Jahre alt! (lacht)

So meinten wir das gar nicht.

Alles gut. Wir investieren fortlaufend, und als Familienunternehmen denken wir in längeren Zeitperioden als das Konzerne tun. Gerade haben wir eine der modernsten Brauereien Europas errichtet. Das ist eine Investition in die Zukunft, damit der Fortbestand der Privatbrauerei langfristig gesichert ist. In Köln bestimmen die Privatbrauereien das Geschäft und eben nicht die Braukonzerne, daher schauen wir optimistisch in die Zukunft.

Herr Becker, vielen Dank für das Gespräch!

Verwendete Quellen
  • Videointerview mit Heinrich Philipp Becker am 22.02.2022
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