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Delta-Variante in Asien: Es droht die nächste Corona-Katastrophe


Delta-Variante in Asien
Es droht die nächste Corona-Katastrophe

Von Patrick Diekmann

Aktualisiert am 02.07.2021Lesedauer: 7 Min.
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Die Corona-Lage spitzt sich auch in Indonesien zu: Die Zahl der Todesopfer steigt.Vergrößern des Bildes
Die Corona-Lage spitzt sich auch in Indonesien zu: Die Zahl der Todesopfer steigt. (Quelle: Reuters-bilder)

Im Kampf gegen die Delta-Variante rächt sich das globale Ungleichgewicht bei der Impfstoffverteilung. In Asien steigen erneut die Infektionszahlen, vielen Ländern bleibt nur eine Maßnahme: Abschottung.

Bislang erlebt Deutschland trotz Corona-Pandemie den "super Sommer", den Politiker wie Karl Lauterbach (SPD) vorausgesagt hatten. Die Impfquote steigt und bei einer Sieben-Tage-Inzidenz von knapp über fünf kehrt in vielen Bereichen Normalität ein. Doch spätestens bei der Urlaubsplanung wird die Bevölkerung daran erinnert, dass die Corona-Krise nicht überwunden ist.

Am Horizont braut sich erneut ein Sturm zusammen, der andere Länder – auch in Europa – längst getroffen hat. Die ansteckendere Delta-Variante des Coronavirus breitet sich global in rasantem Tempo aus, Staaten wie Portugal entwickeln sich in kürzester Zeit wieder zu Risikogebieten. Die einzige Hoffnung, auch für Deutschland, ist Herdenimmunität durch Impfungen.

Ungleiche Impfstoffverteilung rächt sich

Diese Hoffnung haben jedoch nur die reicheren Staaten in Europa und Nordamerika, die über viel Impfstoff verfügen. Im Rest der Welt können sich neue Varianten entwickeln und ausbreiten.

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So wie in Asien. Dort kämpfen viele Länder aktuell mit steigenden Inzidenzen, Experten warnen vor der nächsten Corona-Katastrophe. Wegen fehlenden Impfstoffs bleibt vielen Regierungen nur die Abschottung. Dort rächt es sich, dass vor allem Entwicklungs- und Schwellenländer kaum Vakzine erhalten. Die Patente verhindern außerdem, dass sie selber Impfstoff herstellen können.

Vor allem die steigenden Fallzahlen in Ländern wie Indonesien, Thailand und Malaysia sind besorgniserregend. Aber auch Russland, das geografisch größtenteils auf dem asiatischen Kontinent liegt, meldet einen dramatischen Anstieg der Infektionen und mehr Todesopfer.

Ein Überblick über die Situation in einigen asiatischen Ländern:

Indien (Sieben-Tage-Inzidenz: 23,8, vollständig geimpft: 4,2 Prozent)

In Indien wurde die Delta-Variante zuerst entdeckt, die im Zusammenhang mit einer heftigen zweiten Welle im April und Mai steht. Inzwischen nehmen dort die Fälle aber seit Wochen stark ab. Laut dem bekannten indischen Virologen T. Jacob John dürfte das hauptsächlich eine natürliche Ursache haben: So habe sich das Virus schnell verbreitet, wodurch immer weniger empfängliche Menschen übrig blieben. Dadurch sei die Welle abgeflaut. Offiziell meldet das Land bisher 30 Millionen Infizierte. John geht basierend auf seinen Berechnungen aber davon aus, dass während der beiden bisherigen Wellen in Indien insgesamt mindestens eine Milliarde der mehr als 1,3 Milliarden Menschen im Land Corona gehabt und dadurch einen gewissen Schutz hätten. Offiziell meldeten die Behörden allerdings bislang 30,4 Millionen Infektionen.

Bislang sind etwas mehr als vier Prozent der mehr als 1,3 Milliarden Inderinnen und Inder vollständig geimpft – und dies obwohl das Land massenhaft Impfstoff herstellt und im April den Export von Corona-Impfstoff gestoppt hat.

Indonesien (Sieben-Tage-Inzidenz: 48,1, vollständig geimpft: 4,8 Prozent)

Indonesien steuert nach Auffassung von Experten auf einen Kollaps des Gesundheitssystems zu. Seit Tagen meldet das Land Rekordwerte von über 20.000 Neuinfektionen. "Jeden Tag sehen wir, wie diese Delta-Variante Indonesien näher an den Rand einer Covid-19-Katastrophe bringt", sagte Jan Gelfand, der Leiter der Internationalen Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmond-Gesellschaften (IFRC) in dem südostasiatischen Inselstaat.

"Wir brauchen weltweit blitzschnelle Maßnahmen, damit Länder wie Indonesien Zugang zu Impfstoffen haben und so Zehntausende Todesfälle vermieden werden können", hieß es am Dienstag in einer Mitteilung. Der Ärzteverband des Landes hatte zuletzt bereits gewarnt, dass das Gesundheitssystem auf der Hauptinsel Java völlig überlastet sei und Patienten mittlerweile abgewiesen werden müssten.

Deshalb plant Indonesien Notfallbeschränkungen, um den alarmierenden Anstieg an Corona-Neuinfektionen zu bekämpfen. Wie Präsident Joko Widodo am Donnerstag in einer Ansprache bekannt gab, sollen die neuen Bestimmungen von diesem Samstag an bis zum 20. Juli in Kraft bleiben. Die Zahl der Ansteckungen ist in dem südostasiatischen Land auf mehr als 21.000 Fälle pro Tag gestiegen. "Diese Lage hat uns gezwungen, striktere Maßnahmen zu ergreifen", sagte Widodo.

Betroffen von der Ausbreitung des Coronavirus sind insbesondere die Hauptstadt Jakarta, die gesamte Insel Java und die Urlaubsinsel Bali. Die örtlichen Behörden warnen vor der Ausbreitung hochansteckender Virusvarianten und befürchten einen Zusammenbruch des überlasteten Gesundheitssystems. Nach Regierungsangaben müssen Schulen und Moscheen schließen. Zudem sollen Arbeit im Homeoffice und Online-Unterricht die Corona-Neuinfektionen auf weniger als 10.000 pro Tag senken.

Der indonesischen Regierung wird vorgeworfen, unzureichend auf die Pandemie reagiert zu haben. Widodo hatte zuvor erklärt, dass begrenzte Maßnahmen notwendig seien, um der Wirtschaft des Landes nicht zu schaden.

Nach offiziellen Zahlen hat Indonesien mehr als 2,1 Millionen Ansteckungen mit dem Virus verzeichnet. Es wird allerdings eine hohe Dunkelziffer vermutet. Indonesien plant, bis Anfang nächsten Jahres 180 Millionen seiner 270 Millionen Einwohner gegen Covid-19 zu impfen. Die aktuelle Impfquote liegt allerdings erst bei fünf Prozent.

Indonesien hofft, bis Anfang 2022 eine Herdenimmunität zu erreichen. Bislang sind aber nur 4,8 Prozent der Bevölkerung vollständig geimpft. "Indonesien sieht sich mit einer globalen Impf-Ungleichheit konfrontiert, wenn es um die Beschaffung von 360 Millionen Dosen geht, die erforderlich sind, um mindestens 70 Prozent der Bevölkerung zu impfen", so das Rote Kreuz.

Thailand (Sieben-Tage-Inzidenz: 44,1, vollständig geimpft:4 Prozent)

Einer der wichtigsten Wirtschaftsmotoren des Landes ist der Tourismus. Seit die Regierung die Grenzen im März 2020 wegen des Virus geschlossen hat, liegt der bedeutende Industriezweig am Boden. Derzeit versuchen die Behörden, zumindest einige beliebte Regionen wieder für Touristen zugänglich zu machen. Den Anfang macht die Urlaubsinsel Phuket, wo vollständig Geimpfte im Rahmen des sogenannten "Sandbox"-Projekts ab Juli wieder quarantänefrei Ferien machen dürfen. Jedoch gelten strenge Regeln, was viele Reisende weiter abschrecken dürfte.

Während Phuket seit Donnerstag wieder für Touristen offen ist, steigen auch in dieser Woche die Corona-Zahlen in Thailand wieder. Die Behörden meldeten am Donnerstag über 5.500 Neuinfektionen innerhalb von 24 Stunden, ein Rekord. "Die Fallzahlen in Thailand steigen jetzt schneller als in jedem europäischen Land außer Großbritannien", schrieb die Zeitung "Bangkok Post".

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Die Einschränkungen in der Hauptstadt Bangkok und fünf weiteren Provinzen wurden erneut verschärft. So wird das Essen in Restaurants wieder verboten, nur noch Speisen zur Mitnahme oder Lieferung sind erlaubt. Einkaufszentren müssen um 21 Uhr schließen, Treffen werden auf maximal 20 Personen begrenzt. Die Maßnahmen sollen zunächst für 30 Tage gelten.

Das südostasiatische Land galt lange als Vorzeigestaat in der Bekämpfung der Pandemie, erlebt aber seit April seine bisher schwerste Welle. Insgesamt wurden bislang fast 260.000 Fälle bestätigt. Mehr als 2.000 Menschen sind in Verbindung mit Covid-19 gestorben.

Im Angesicht der Delta-Variante hat Thailand weitere Maßnahmen angekündigt.

Malaysia (Sieben-Tage-Inzidenz: 126,6, vollständig geimpft: 7,1 Prozent)

Malaysia kämpft weiter gegen seine bisher schwerste Corona-Welle. Deshalb hat die Regierung in Kuala Lumpur den Anfang Juni verhängten "totalen Lockdown" erst um zwei Wochen, Ende Juni auf unbestimmte Zeit verlängert. Verteidigungsminister Ismail Sabri Yaakob erklärte, dass die Bedingungen für Lockerungen nicht erfüllt seien. Die Infektionszahlen gingen nicht ausreichend zurück.

Ursprünglich sollten die strikten Maßnahmen nur zwei Wochen gelten. Die meisten Unternehmen sind ebenso wie Einkaufszentren und nicht wesentliche Geschäfte geschlossen. Zudem dürfen sich die Menschen nur noch in einem Umkreis von zehn Kilometern von ihren Häusern bewegen.

Das 32-Millionen-Einwohner-Land war zunächst glimpflich durch die Pandemie gekommen. Seit Oktober steigen die Zahlen jedoch. Zuletzt hatten die Behörden teilweise 9.000 Neuinfektionen pro Tag gemeldet – damit lag Malaysia gemessen an der Einwohnerzahl an der Spitze der Region. Am Donnerstag waren es knapp 7.000 Neuinfektionen binnen 24 Stunden.

Die Bettenbelegung der Intensivstationen ist an der Kapazitätsgrenze und nur 7,1 Prozent der Bevölkerung haben zwei Dosen eines Impfstoffs erhalten. Damit ist Malaysia in der Region allerdings in der Spitzengruppe beim Impftempo.

Schuld für den rasanten Anstieg der Infektionen habe auch der Westen, meinen malaysische Medien. "Es ist auch traurig, wenn reiche Länder wie die Europäische Union (EU) und die USA die Versorgung mit Covid-19-Impfstoffen monopolisieren", schreibt die englischsprachige Nachrichtenseite "theSundaily". Das würde dazu führen, dass andere Länder, einschließlich Malaysia, nur langsam versorgt werden. Malaysia hat nun eine eigene Impfstoffentwicklung angekündigt.

Russland (Sieben-Tage-Inzidenz: 98,3, vollständig geimpft: 11,9 Prozent)

Mit "Sputnik V" hat Russland schon lange einen eigenen Impfstoff, trotzdem steigen die Corona-Fallzahlen. Russland hat außerdem zum dritten Mal in Folge einen Rekord an täglichen Corona-Todesfällen verzeichnet. Die Behörden im größten Land der Erde registrierten am Donnerstag 672 Tote binnen 24 Stunden – so viele wie noch nie seit Beginn der Pandemie. Die täglich gemeldeten Neuinfektionen erreichten mit mehr als 23.000 einen Höchstwert seit Mitte Januar. Auch in Russland, wo viele Menschen einer Impfung skeptisch gegenüberstehen, verbreitet sich vor allem die besonders ansteckende Delta-Variante des Coronavirus rasant.

Die Delta-Variante macht laut dem Moskauer Bürgermeister Sergej Sobjanin mittlerweile 90 Prozent der Ansteckungen in der russischen Hauptstadt aus. Der russische Präsident Wladimir Putin hatte am Mittwoch die Bevölkerung im Fernsehen dazu aufgerufen, sich impfen zu lassen.

Offiziell haben die Behörden nun schon mehr als 132.000 Todesfälle registriert – die Dunkelziffer ist wahrscheinlich deutlich höher. 151.000 Menschen werden aktuell aufgrund einer Covid-19-Erkrankung in russischen Krankenhäusern behandelt (Stand: Montag).

Insgesamt haben sich jüngsten Angaben zufolge erst 11,9 Prozent der Russen beide Spritzen verabreichen lassen. In Moskau verkündete Sobjanin am Donnerstag den Start von Auffrischimpfungen für Menschen, deren Immunisierung sechs Monate oder länger her ist.

Das Ziel des Kremls, bis zum Herbst 60 Prozent der Bevölkerung zu impfen, ist damit nicht mehr zu erreichen, wie Sprecher Dmitri Peskow einräumte. Erst seit dieser Woche nehme die Zahl der Impfwilligen zu, sagte er. Kein Wunder: Mehrere russische Regionen haben aufgrund der dramatischen Lage einen Impfzwang für Angestellte vieler Berufsgruppen verhängt. Moskau ordnete zudem als erste russische Stadt teilweise eine Impfpflicht an. Dienstleistungsunternehmen müssen künftig nachweisen, dass 60 Prozent ihrer Belegschaft geimpft sind.

Auch eine Gefahr für Europa

Der Blick auf diese asiatischen Länder zeigt, dass vor allem eine niedrige Impfrate dazu beiträgt, dass die Delta-Variante schnell über den Kontinent rollen kann. Die große Unbekannte dabei ist China. Peking veröffentlicht schon lange nur sehr niedrige Inzidenzwerte, Experten bezweifeln die Glaubwürdigkeit dieser Zahlen. Außerdem scheint der chinesische Impfstoff Sinovac nur unzureichend gegen die Delta-Variante zu wirken, eine Gefahr für China, aber auch für die Länder, die das Vakzin importieren.

Eine Gefahr ist die Entwicklung aber auch für Europa. Bislang zeigen die in der EU zugelassenen Vakzine eine ausreichende Wirkung gegen die bekannten Corona-Varianten, aber das könnte sich bei weiteren Mutationen ändern. Dann müssten auch die europäischen Impfkampagnen wieder von vorne beginnen. Auch in Deutschland würde aus Freiheitsfreude wieder Ernüchterung. Auch Karl Lauterbach spricht aktuell nicht mehr über einen "super Sommer", sondern über ein "Super-Coronavirus", das alle bekannten Impfungen überwinden kann. Ein düsteres Szenario.

Verwendete Quellen
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