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Merz trifft Trump im Weißen Haus: Der Druck ist groß | USA


Der erste Kontakt zwischen Trump und Merz
Jetzt bloß nicht provozieren lassen


Aktualisiert am 04.06.2025Lesedauer: 7 Min.
Donald Trump und Friedrich Merz: Kann der Kanzler den Präsidenten überzeugen?Vergrößern des Bildes
Donald Trump und Friedrich Merz: Kann der Kanzler den Präsidenten überzeugen? (Quelle: IMAGO/Future Image, ZUMA Press Wire, Wirestock (Collage t-online))
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Ein Quartier direkt gegenüber vom Weißen Haus und eine Mission voller Risiko: Friedrich Merz trifft Donald Trump zum ersten Mal. Der Druck ist immens. Schon der kleinste Fehler könnte große Folgen für ganz Europa haben.

Selbst wo Friedrich Merz schlafen wird, ist seit Tagen ein großes Thema. Wenn der Bundeskanzler am Mittwoch in Washington ankommt, befindet sich sein Bett nur etwa 200 Meter entfernt vom Schlafplatz des US-Präsidenten. Donald Trump will sich für den Gast aus Deutschland offenbar nicht lumpen lassen. Der Kanzler darf im "Blair House" übernachten, direkt gegenüber vom Weißen Haus.

Es ist das offizielle Gästehaus des US-Präsidenten. Staatsoberhäupter, Mitglieder von Königshäusern und andere hochrangige Würdenträger dürfen hier schlafen. Immer dann, wenn der Präsident einem ausländischen Staatsgast seinen besonderen Respekt und seine Gastfreundschaft erweisen möchte. Zuletzt schlief dort Israels Premierminister Benjamin Netanjahu. Olaf Scholz wurde von Joe Biden hingegen im Hotel einquartiert.

Dementsprechend stolz ist man in der Union, schon bevor Friedrich Merz am Mittwochabend in den Regierungsflieger steigt. Trump und Merz, das sei "ein Verhältnis auf Augenhöhe, ein partnerschaftliches, ein freundschaftliches Verhältnis", sagt CSU-Landesgruppenchef Alexander Hoffmann. "Das zeigt schon die Geste, dass er auch in das Gästehaus eingeladen ist."

Klingt gut, doch in Wahrheit ist die Nervosität in Berlin groß. Alle wissen: Friedrich Merz hat diese eine Chance für einen ersten persönlichen Eindruck bei Donald Trump – und er darf sie nicht vermasseln. Auch in der Union ist klar: In diesen Zeiten hängt nicht weniger als das sicherheitspolitische Schicksal Deutschlands und Europas von einem guten Draht ins Weiße Haus ab.

Bloß nicht provozieren lassen

In der Union weiß man natürlich auch, dass ein schönes Bett im Gästehaus noch keine schönen Gespräche garantiert. Die Schwierigkeit: Es hängt nicht allein vom Bundeskanzler ab, wie dieser Donnerstag im Oval Office verläuft. Maßgeblich wird sein, welches Setting Donald Trump, sein Vizepräsident JD Vance und ihre Berater sich für ihn ausgedacht haben. An einen Eklat wie beim ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj mag zwar niemand glauben. Die Bundesregierung muss aber mit jedem Szenario rechnen.

Nicht nur Merz selbst hat deshalb in den vergangenen Wochen ausgelotet, was von Trump im persönlichen Gespräch zu erwarten ist. Auch seine Mitarbeiter haben das auf ihrer Arbeitsebene getan. Vor allem mit den Europäern, die Trump zuletzt getroffen hat, und mit denen es zumindest immer mal wieder ganz gut lief. Mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron etwa, mit Italiens Ministerpräsidentin Georgia Meloni, dem britischen Premierminister Keir Starmer oder dem finnischen Präsidenten Alexander Stubb.

Die oberste Regel, so heißt es aus Kreisen der Union, laute für Merz deshalb: Nicht provozieren und nicht provozieren lassen. Obwohl das Themenspektrum für die deutsch-amerikanischen Beziehungen aktuell kaum größer sein könnte, finden einige in der Union, der Bundeskanzler solle jeglichen Dissens möglichst vermeiden. Zu wichtig sei das allem übergeordnete, sicherheitspolitische Ziel, die bisherige Nato-Schutzmacht Amerika nicht aus Europa zu vergraulen.

Positiv formuliert: Merz dürfte versuchen, das Gemeinsame zu betonen – große Interessenüberschneidungen herauszustellen oder Trump in manchen Fällen davon zu überzeugen, dass es so etwas noch gibt: gemeinsame Vorstellungen mit Europa. So könnten sich dann auch schwierige Themen ansprechen lassen, etwa die Ukraine oder die Nato. Denn in beiden Fällen fürchten die Europäer, dass Trump sich zurückzieht.

Da öffentlich bekannt ist, dass Trump Komplimente mag, dürfte Merz deshalb auch betonen, wie "great" es ist, wie viel die USA für die Sicherheit der Welt tun und wie engagiert sie sich in den Ukraine-Friedensprozess einbringen. Das hat Merz schon in den vergangenen Wochen auffällig oft getan. Natürlich mit einem offensichtlichen Ziel: Trump dazu zu bringen, es weiter zu tun und sich eben nicht zurückzuziehen.

Sie nennen sich "Donald" und "Friedrich"

In der Union betonen sie dieser Tage oft, dass Trump und Merz persönlich gut miteinander können. Telefoniert haben sie ja schon mehrfach. Sie nennen sich inzwischen beim Vornamen: Donald und Friedrich. Darauf lasse sich im ersten persönlichen Kontakt vor Ort aufbauen, so jedenfalls die Hoffnung. Etwa eine Stunde lang werden Trump und Merz zunächst miteinander sprechen, bei einem Mittagessen im kleinen Kreis.

Im besten Fall, so hofft man in der Union, entsteht dabei eine Männerfreundschaft mit gemeinsamen, privaten Interessen. Immerhin ist die Reise formell ein Antrittsbesuch, kein Krisentreffen. Es geht ums erste Kennenlernen und um eine belastbare Arbeitsbeziehung für die nächsten Jahre.

"Das Minimalziel ist es, ein erstes gutes persönliches Verhältnis aufzubauen", sagt CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter t-online, und liefert gleich eine Idee: "Als versierter Golfspieler kann das auch für Merz ein erster Anknüpfungspunkt sein."

Das gemeinsame Interesse könnte eine gute Atmosphäre schaffen für den besonders heiklen Teil der Reise: die inzwischen berühmt-berüchtigte Pressekonferenz bei Trump im Oval Office. Früher war das ein Minuten-Termin für Fernsehbilder, bei dem es galt, höfliche Floskeln auszutauschen. Heute ist es das Format, in dem Trump nicht nur Selenskyj, sondern kürzlich auch seinen südafrikanischen Amtskollegen Cyril Ramaphosa vor den Augen der Weltöffentlichkeit zurechtgewiesen hat.

Bei Unionspolitikern, die sich in Washington gut auskennen, heißt es deshalb hinter vorgehaltener Hand: "Wenn die beiden am Donnerstag gemeinsam nett in die Kameras lächeln, ist das schon ein Riesengewinn." Der Kanzler, so die Hoffnung, werde selbstbewusst auftreten, ohne zu belehren, Angebote machen, aber auch Interessen vertreten und Forderungen stellen.

Worüber Merz mit Trump sprechen wird

Doch milde zu lächeln reicht kaum als Ziel. Die Erwartungen in Deutschland und Europa sind natürlich größer. Das wissen sie im Kanzleramt. Ein gutes Verhältnis allein reicht nicht, um komplexe Probleme zu lösen, die sich gerade bei mehreren Themen aufdrängen:

  • 1. Ukraine: Der russische Angriffskrieg wird wohl einen großen Teil des Trump-Gesprächs bestimmen. Mancher in der Union findet, Merz solle sich nur darauf konzentrieren. Das zweite "technische Treffen" der Ukraine mit Russland in Istanbul ist gerade zu Ende gegangen – mit den üblichen Maximalforderungen Russlands, also ohne Fortschritte. Europa will den Druck in den Friedensbemühungen deshalb mit Sanktionen gegen Russland erhöhen. Wirklich schmerzhaft würden diese aber wohl erst, wenn auch die USA neue Sanktionen erlassen. Trump ist da skeptisch, er sorgt sich um seine Wirtschaft. Im Kongress arbeitet zwar auch der einflussreiche Republikaner Lindsey Graham an einem Sanktionspaket. Doch ob es wirklich kommt, wenn Trump es partout nicht will – daran zweifelt mancher in Berlin. Selbst wenn es im Kongress formell eine Mehrheit gäbe, den Präsidenten zu überstimmen. Merz dürfte deshalb im Kern wiederholen, was er auch öffentlich mehrfach gesagt hat: dass die Ukraine die Sicherheit des gesamten Westens verteidigt – und eben nicht nur Europas, wie Trump offenbar glaubt.
  • 2. Nato: Eng mit der Ukraine-Frage verbunden ist die europäische Sorge um die Zukunft des Verteidigungsbündnisses. Es gab eine Zeit, in der Trump die Nato offen in Frage gestellt hat. Ohne Nato und die USA aber hat Europa gegen die Bedrohung aus Russland ein echtes Problem, da macht sich niemand Illusionen. Entsprechend ernst nehmen Deutschland und die Europäer Trumps Forderung, Europa müsse mehr Geld in seine Sicherheit investieren. Eigentlich wollte die Bundesregierung erst beim Nato-Gipfel Ende des Monats über Zahlen sprechen, doch Merz hat seine Strategie geändert: Schon vor knapp zwei Wochen in Litauen ließ er erkennen, dass Deutschland mittelfristig 3,5 Prozent seiner Wirtschaftskraft in Verteidigung und 1,5 Prozent in dafür relevante Infrastruktur investieren könne: das berühmte Fünf-Prozent-Ziel. Trumps Verteidigungsminister Pete Hegseth lobte kürzlich Deutschland ausdrücklich dafür, was in Berlin natürlich registriert wurde. Merz dürfte versuchen, Trump damit auch persönlich von sich und Deutschland einzunehmen.
  • 3. Zölle: Die Handelspolitik ist das dritte große Thema, das sich aufdrängt. Trump droht immer wieder mit exorbitanten Zöllen. Die Verhandlungen dazu führt eigentlich die Europäische Union. Aber Merz hat ankündigen lassen, dass er auch darüber mit Trump sprechen will. Das Thema ist wohl zu wichtig, um es ganz auszusparen, weil die Zölle besonders der exportorientierten deutschen Wirtschaft massiv schaden würden. Auch hier dürfte sich Merz’ Argumentation an die der letzten Wochen anschließen: Niemand gewinnt, wenn sich Partner mit Zöllen überziehen, außer gemeinsame Gegner wie China. Freier Handel hingegen schafft Jobs, Investitionen und Wohlstand – auf beiden Seiten des Atlantiks.

Der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter spricht sich dafür aus, die eigenen Interessen in Washington deutlich zu artikulieren. "Deutschland wird selbstbewusst und mit Stärke auftreten und ein Paket dabeihaben, das Donald Trump bei sich zu Hause als 'Gewinn' präsentieren kann", sagt er t-online. Im Anschluss an das Treffen im Weißen Haus gibt Friedrich Merz darum auch Interviews in den amerikanischen Fernsehsendern CNN und Fox News. Seine Botschaft soll in den USA möglichst breit verfangen.

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Die fünf Prozent für Verteidigung könnten ein sinnvoller Teil eines solchen Pakets sein, findet Kiesewetter. "Für die Ukraine wäre zumindest die Zusage wichtig, dass die USA weiter Waffensysteme und Munition insbesondere für Patriot an die Ukraine oder die Europäer verkaufen, was auch im Sinne der dortigen Industrie liegen dürfte und was Trump als Gewinn verkaufen kann." Ein Erfolg wäre es aus Kiesewetters Sicht auch, wenn Merz die Kooperation der Nachrichtendienste aufrechterhalten und Trump von einer Unterstützung des US-Sanktionspakets überzeugen könnte.

"Trump wird gemäß seiner transaktionalen Politik und seiner Deal-Mentalität deshalb genau schauen, welches Paket Deutschland bietet", sagt Kiesewetter. "Ich habe allerdings keine großen Erwartungen an das Treffen, weil sich Trump bisher nicht für Europa oder die Nato interessiert, sondern vielmehr auf Seiten Russlands agiert." Es sei deshalb "große diplomatische Kunst, wenn Merz zu konkreten Zusagen an Europa und die Ukraine beitragen kann".

In der Bundesregierung ist man aber wohl schon froh, wenn die ganze Sache im Oval Office nicht aus dem Ruder läuft. Und Merz und Trump am Ende gemeinsam freundlich in die Kameras lächeln.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
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