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Bürgerkrieg in Libyen: Kann Donald Trump den großen Knall verhindern?


Ägypten steht vor Offensive
Kann Trump den großen Knall in Libyen verhindern?


Aktualisiert am 24.07.2020Lesedauer: 6 Min.
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US-Präsident Donald Trump: Zeigt wenig Interesse für den Konflikt in Libyen und spielt damit Russland in die Karten.Vergrößern des Bildes
US-Präsident Donald Trump: Zeigt wenig Interesse für den Konflikt in Libyen und spielt damit Russland in die Karten. (Quelle: Carlos Barria/reuters)

Ägypten bereitet sich auf einen Einmarsch in Libyen vor. Die Lage in dem Bürgerkriegsland droht zu eskalieren. US-Präsident Trump schaltet sich derweil am Telefon ein. Was ist davon zu erwarten?

In Libyen bahnt sich eine dramatische Verschärfung des Bürgerkriegs an. Der Präsident des benachbarten Ägypten, Abdel Fattah al-Sisi, hat sich am Montag von seinem Parlament das Einverständnis für einen Militäreinsatz in dem Bürgerkriegsland geben lassen. In einer geschlossenen Sitzung stimmte das Abgeordnetenhaus für "Kampfeinsätze außerhalb Ägyptens, um die nationale Sicherheit in westlicher Richtung gegen kriminelle und bewaffnete Milizen sowie ausländische terroristische Elemente" zu verteidigen.

Die Gefahr, die sich aus der Sicht Kairos im Westen zusammenbraut, ist der Vormarsch der Truppen der so genannten Einheitsregierung, die unterstützt von der Türkei auf die Küstenstadt Sirte zurücken. Ankara ließ jüngst verkünden, dass die Waffen erst schweigen könnten, wenn Sirte an die Einheitsregierung gefallen sei. Ägypten wiederum betrachtet einen Angriff auf die strategisch wichtige Stadt als rote Linie.

Ein militärisches Aufeinandertreffen türkischer und ägyptischer Truppen könnte eine Kettenreaktion auslösen. Denn längst hat sich Libyen zum Schlachtfeld regionaler wie internationaler Großmächte entwickelt, die um Einfluss in Nordafrika ringen und um Zugriff auf die reichen Rohstoffreserven. Vermitteln könnten die USA, die einerseits ein wichtiger Unterstützer Kairos sind und andererseits den Kontakt zur Einheitsregierung in Tripolis suchen.

Doch die Frage ist: Will Präsident Donald Trump das überhaupt? Hat er ein Interesse, sein Land in diesen immer komplizierteren Konflikt zu führen? Gibt er strategische Interessen auch auf die Gefahr hin auf, in Nordafrika nur noch an der Seitenlinie zu stehen?

Der Stellvertreterkrieg

In Libyen brach nach dem gewaltsamen Sturz des langjährigen Machthabers Muammar al-Gaddafi im Jahr 2011 die staatliche Ordnung zusammen. Nachdem zunächst verschiedene Milizen das Land unter sich aufteilten, eskalierte 2014 ein Konflikt um die Macht im libyschen Parlament zu einem Bürgerkrieg, der seither anhält. Hauptkriegsparteien sind die Einheitsregierung in Tripolis und mit ihr verbündete Milizen, die den Nordwesten des Landes kontrollieren, und die Libysche Nationalarmee unter dem Kommando von General Chalifa Haftar, deren Einflussgebiet den Osten und große Teile im Zentrum des Landes einschließt.

Beide Seiten werden massiv aus dem Ausland unterstützt. Die Armee Haftars, ebenfalls ein Zusammenschluss verschiedener Milizen, hat den Rückhalt der Vereinigten Arabischen Emirate und Ägyptens. Aus Russland hat der eng mit dem Kreml verbundene Militärdienstleister "Wagner" über 1.000 Söldner entsandt, von denen viele in Sirte stationiert sind. Frankreich unterstützt den General politisch, wenngleich die Türkei Paris unterstellt, auch Waffen zu liefern.

Die Einheitsregierung in Tripolis wiederum weiß Katar und vor allem die Türkei auf ihrer Seite. Letztere engagiert sich so umfangreich wie keine andere Nation in Libyen. Ankara hat nach Ansicht des US-Verteidigungsministeriums allein in den ersten drei Monaten des Jahres an die 4.000 bewaffnete Kämpfer nach Libyen gebracht. Die meisten davon waren zuvor für islamistische Milizen in Syrien aktiv. Aber auch reguläre türkische Truppen sind dabei.

Testfeld für den Drohnenkrieg

Auf beiden Seiten führen die Konfliktparteien modernstes Kriegsgerät ins Feld. Die Türkei und die Vereinigten Arabischen Emirate etwa operieren seit dem vergangenen Jahr mit Flotten bewaffneter Drohnen. Die unbemannten Flugobjekte aus dem Wüstenstaat galten als Haftars großer Trumpf, als dieser im April 2019 eine Offensive auf die Hauptstadt Tripolis startete. Doch der Vorstoß geriet ins Stocken, nachdem auch die Gegenseite von Ankara entsprechend ausgerüstet wurde.

Libyen entwickelte sich dadurch zu einem regelrechten Testfeld für den unbemannten Luftkrieg, auf dem Drohnen etwa aus türkischer wie auch chinesischer Produktion im Kampf erprobt werden. Die "New York Times" sprach Anfang des Jahres vom weltweit ersten Konflikt, der vorrangig von gegnerischen Drohnenflotten geführt wird.

Aufrüstung am Boden

Inzwischen hat sich der Fokus verschoben. Mit der Entsendung Tausender Kämpfer hat die Türkei die Einheitsregierung in die Lage versetzt, den Vormarsch auf Sirte zu wagen. Die Stadt ist wegen des Öl-Reichtums in der Region und der wichtigen Verladeterminals von strategischer Bedeutung. Es sollen auch moderne Raketenwerfer und Geschütze der türkischen Armee zum Einsatz kommen. Medienberichten aus der Türkei zufolge sind mindestens 200 Militärfahrzeuge und schwere Waffen auf dem Weg nach Osten.

Auf der anderen Seite, so heißt es, verstärke Russland seinen Einsatz für General Haftar. Die russische Führung ist dem 75-jährigen Militär seit längerem verbunden, hofierte den General mehrmals in der russischen Hauptstadt. Bereits in der Vergangenheit hatten Söldner von "Wagner", darunter auch erfahrene Scharfschützen, laut "New York Times" aktiv an Kampfhandlungen teilgenommen. Im Mai schickte Moskau dann moderne Kampfjets nach Libyen und erhöhte Haftars Schlagkraft somit enorm.

Die USA bleiben passiv

Ägypten sieht durch die türkischen Ambitionen in Libyen die eigene Sicherheit bedroht. Präsident al-Sisi ließ Verbände an der Grenze zusammenziehen und schwor die Truppen auf einen baldigen Einsatz ein. Vergangene Woche empfing er Stammesführer aus Libyens Osten und versicherte ihnen, dass sein Land diese Bedrohung nicht tatenlos hinnehmen werde.

Zugleich suchte er zu Beginn der Woche das Gespräch mit seinem amerikanischen Amtskollegen in der Hoffnung, die USA könnten helfen, die Lage zu entspannen. So hatte US-Präsident Donald Trump in den vergangenen Wochen bereits mehrfach in Sachen Libyen Gespräche geführt. Bereits im Juni sowie vergangene Woche soll er mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan zu dem Thema telefoniert haben. Sein Außenminister Mike Pompeo sprach in der Angelegenheit mit Amtskollege Sergej Lawrow aus Russland. Am Montag dann bekräftigten al-Sisi und Trump in einem Telefonat die "Notwendigkeit für eine sofortige Deeskalation in Libyen".

Doch abseits dieser Gespräche bleiben die USA passiv, ihrer Diplomatie fehlt eine klare Linie. Hat sich Washington offiziell zugunsten der Einheitsregierung in Tripolis positioniert, verblüffte Präsident Trump im vergangenen Jahr mit einem Anruf bei General Haftar, in dem er dem Warlord für seinen Kampf gegen islamistische Terroristen dankte.

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Die Amerikaner werden einfach übergangen

Die Launenhaftigkeit und das offensichtliche Desinteresse von Trump für Konflikte fernab der USA haben ein geopolitisches Vakuum hinterlassen, in das wie im Fall Libyens oder Syriens vor allem Russland aber auch die Türkei und andere Mächte zu stoßen versuchen. Immer öfter werden dabei die Amerikaner schlicht übergangen. Washington hatte Einwände gegen den türkischen Aufmarsch in Libyen vorgebracht. Erdogan zog ihn trotzdem durch.

Die USA geraten durch ihre Passivität zunehmend in die Rolle des Beobachters. Wie die "Washington Post" schreibt, bemühten sich US-Diplomaten aus einer "neutralen Position" heraus im Hintergrund zwar weiterhin, auf eine politische Lösung hinzuwirken. Doch das Engagement bleibt, auch weil offenbar das Interesse fehlt, sparsam. "Zu allererst", so zitiert das Blatt einen hochrangigen Beamten aus dem US-Außenministerium, "ist das ein europäisches Problem".

Gleichwohl halten die USA Verbindungen in die Region, etwa durch ihre Militärhilfe für Ägypten. Doch auch hier beginnen sich die Dinge zu verändern. Denn die Regierung in Kairo sucht zunehmend die Nähe Moskaus. Neben der Lieferung von Waffen besiegelten Russland und Ägypten zu Beginn des Jahres ein Kreditgeschäft über rund 21,5 Milliarden Dollar für den Bau des ersten ägyptischen Atomkraftwerks.

Europas Interventionen bleiben ohne Erfolg

Aus Sicht Europas birgt die Situation erhebliche Gefahren. Bei einer Eskalation könnten Nato-Verbündete auf gegnerischen Seiten in den Konflikt hineingezogen werden: Frankreich als Unterstützer Haftars, die Türkei als Schutzmacht der Einheitsregierung. Zugleich könnte eine Destabilisierung in Nordafrika die Flüchtlings-Situation an Europas Südflanke erneut verschärfen. Die relative Ruhe im Vergleich zum Krisenjahr 2015 hat sich die EU mit der finanziellen Unterstützung der libyschen Küstenwache erkauft, der schlimme Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen werden. Was aber geschieht, wenn der Konflikt weiter eskaliert?

Die diplomatischen Bemühungen Europas liefen bislang ins Leere. Weder hat die von der EU unterstützte Einheitsregierung das Land einen können, noch entfaltete der Libyen-Gipfel zu Beginn des Jahres in Berlin, zu dem unter Vermittlung der Bundesregierung alle Akteure in dem Konflikt zusammenkamen, nachhaltige Wirkung. Das bei dem Treffen vereinbarte Waffenembargo für Libyen wird etwa von Russland, der Türkei wie auch den Emiraten konsequent unterlaufen, der Aufruf zum Abzug aller ausländischen Kampfverbände ignoriert.

Am Wochenende drohten Deutschland, Frankreich und Italien erstmals gemeinsam mit Sanktionen, um das Embargo doch noch durchzusetzen. "Wir wissen, dass sowohl Material als auch Söldner vielfach über gecharterte Schiffe oder Flugzeuge nach Libyen gebracht werden", sagte Bundesaußenminister Heiko Maas am Montag in Estland. Zunächst könnten Unternehmen und Personen gelistet werden, die das Waffenembargo brechen helfen. Doch in einem zweiten Schritt seien auch Sanktionen gegen Staaten denkbar, aus denen Waffen oder Söldner kommen.

Verwendete Quellen
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