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Kanzlerkandidatur: Ist Armin Laschet nur der Trostpreis der CDU?


Kampf um Kanzlerkandidatur
Ist Armin Laschet nur der Trostpreis der CDU?


Aktualisiert am 02.04.2021Lesedauer: 9 Min.
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Armin Laschet: Der CDU-Chef gerät parteiintern unter Druck, und könnte trotzdem Kanzlerkandidat werden.Vergrößern des Bildes
Armin Laschet: Der CDU-Chef gerät parteiintern unter Druck, und könnte trotzdem Kanzlerkandidat werden. (Quelle: imago-images-bilder)

Der CDU-Chef gilt als Favorit auf die Kanzlerkandidatur der Union. Und fast alles spricht dafür, dass Armin Laschet auch tatsächlich Regierungschef in Berlin werden will. Stellt sich nur noch die Frage,

Am Donnerstag der vergangenen Woche schlägt die Wut der Basis Armin Laschet wie eine Faust entgegen. Um 18 Uhr schalten sich mehr als 140 Kreisvorsitzende der CDU aus ganz Deutschland mit dem Parteichef zusammen. Was als lockerer Austausch geplant war, endet in einer Generalabrechnung.

Ulrich Thomas, Landtagsabgeordneter aus Sachsen-Anhalt, legt los: "Schlagen Sie Ihren Kurs vor!". Michael Ludwig, Parlamentarier aus Rheinland-Pfalz, sekundiert: "Wo ist der Einfluss der Partei in Berlin?". Sein Vorwurf: Laschet gehe neben der Kanzlerin unter. Die Tirade gipfelt im freundlich verpackten Beitrag von Jens Eckhoff, einem ehemaligen CDU-Senator aus Bremen: "Ich möchte bitte keinen Kanzlerkandidaten als Trostpreis!"

Armin Laschet, der Trostpreis? So sieht das inzwischen mancher in der CDU. Der Hauptgewinn im Rennen um die Kanzlerkandidatur, so sehen das die Kritiker, ist demnach Markus Söder, der Chef der zwar stets lauteren, aber deutlich kleineren Schwester CSU.

Es könnte jetzt sehr schnell gehen

Zwischen Ostern und Pfingsten wollen sich Laschet und Söder einigen, wer von beiden für den Job als Merkel-Nachfolger kandidiert. Und weil Pfingsten erst in der zweiten Mai-Hälfte ist, also aus heutiger Sicht sehr weit weg, fordert die Vize-Fraktionschefin der Union im Bundestag, Katja Leikert, schon mal: "Ich wünsche mir, dass die Frage, wer die Union als Kanzlerkandidat in die Bundestagswahl führt, zeitnah beantwortet wird." Zeitnah. Übersetzt heißt das: Es könnte jetzt alles sehr schnell gehen.

Wenn Armin Laschet Kanzlerkandidat werden will (und daran zweifeln inzwischen nur noch wenige in der Union und bei der politischen Konkurrenz), dann wird er es auch.

Laschet kennt die Zahlen, natürlich, und er weiß um sein Image

Zumal nicht wenige Beobachter davon ausgehen, dass die permanenten Söder-Sticheleien nur zwei Zielen dienen: Einerseits den Narzissmus des bayerischen Ministerpräsidenten zu bedienen, der es sichtlich genießt, gefragt zu sein. Andererseits den Preis für die CSU hochzutreiben. Getreu dem Motto: Armin, wir unterstützen dich, aber im Gegenzug bekommen wir wichtige Ministerien oder irgendein Sonderprogramm für Bayern.

Laschet ist also der innerparteiliche Favorit. Doch er hat ein Problem: Er kommt bei den Bürgern nicht wirklich gut an im Gegensatz zu seinem Widersacher Söder. Im jüngsten Politbarometer sagten 56 Prozent, der bayerische Ministerpräsident sei als Kanzler geeignet. Dem nordrhein-westfälischen Regierungschef gaben nur 23 Prozent das entsprechende Testat. Deutlich weniger, als Olaf Scholz von der SPD und auch weniger als Annalena Baerbock von den Grünen.

Laschet kennt diese ernüchternden Zahlen. Natürlich. Er weiß auch um sein Image. Niemand würde ihm absprechen, dass er ein aufrichtiger Mensch ist. Aber manchmal wirkt er unsicher und wie jemand, der es allen recht machen will. Wenn Söder einen Raum betritt, weiß jeder: Da ist der Chef. Wenn Laschet irgendwo dazustößt, fragt man sich eher: Ist er schon da?

Der Status als Volkspartei gerät in Gefahr

Und trotzdem: Aufgeben ist keine Alternative. Laschet weiß, dass auch Angela Merkel 2005 kaum jemand das Kanzleramt zutraute. Und er weiß ebenfalls, dass er die Kanzlerkandidatur schon allein deshalb beanspruchen muss, weil alles andere wie eine Selbstverzwergung der CDU gegenüber der CSU wirken würde. Auch aus diesem Grund hat sich bislang kein führender CDU-Funktionär öffentlich für Söder ausgebrochen.

Zu groß ist der Stolz auf die Größe der eigene Partei. Wobei Größe relativ ist, denn die Lage spitzt sich zu. Seit Jahresbeginn stürzte die Union in bundesweiten Umfragen von rund 35 Prozent auf nun 26,27 regelrecht ab. Bei solchen Werten gerät der Status als Volkspartei in Gefahr.

Die Gründe für die Krise liegen im Corona-Management mehrerer CDU-Minister und in nackter Gier: Mehrere Unionsabgeordnete haben sich durch Maskenskandale bereichert.

Scheitert er, ist Söder der starke Mann der Union

Das sind schlechte Startbedingungen für Laschets Aufholjagd, mit der er doch noch vom Trostpreis zum Hauptgewinn mutieren will. Genauso wie die enttäuschenden Ergebnisse bei den jüngsten Landtagswahlen.

Doch in Laschets Kampf um die Kanzlerkandidatur spiegelt sich gleichzeitig die Suche nach dem inhaltlichen Kern der CDU. Ab Herbst wird Angela Merkel weg sein, und die CDU muss mehr denn je eine Frage beantworten: Für was stehen wir überhaupt noch?

Die Antwort wird nun parteiintern ausverhandelt. Und Laschet will mit seiner angestrebten Kandidatur zum Architekten der programmatischen Kernsanierung werden. Scheitert er, ist Söder der einzige starke Mann der Union.

Das weiß keiner so gut wie Laschet, er ist ein Getriebener in diesen Tagen. Seine Strategie lautet deshalb: größtmöglicher Aktivismus. Endlich mal aus der Defensive kommen, nennen sie das in seinem Lager. Und Laschet begann diese Woche damit. Allerdings nur zaghaft, anders kann man es nicht nennen.

Was Laschet tut, gilt als politisch instinktlos

Nachdem wochenlang kaum etwas von ihm zu hören war, tritt er am Dienstag im Lichthof der Parteizentrale in Berlin auf. Er spricht über den "Beteiligungsprozess" für das CDU-Wahlprogramm. Dabei sagt er Sätze wie: "Ein 'Weiter-So' darf es nicht geben" und: "Veränderung ist immer unbequem". Es geht ein wenig um Klimaschutz und Wirtschaft, doch nicht um ein einziges konkretes Ziel. Das ist offenbar Laschets Vorstellung einer politischen Attacke.

In der CDU reicht das vielen nicht: Dass der Parteichef langsam in die Offensive komme, sei ja schön und gut, heißt es aber trotzdem viel zu langsam. Sechs Monate vor der Bundestagswahl erstmal in aller Ruhe ein Programm auszutüfteln, während das ganze Land noch unter der Pandemie ächzt, gilt als politisch instinktlos.

Söder findet, dass alle wissen müssen, was Söder tut

Jens Eckhoff, der CDU-Mann, der Laschet vorwarf, er wolle keinen Kanzlerkandidaten als Trostpreis, sagt t-online: "Eine so schlechte Stimmung wie aktuell habe ich in 40 Jahren CDU nicht erlebt." Spricht man mit anderen Kreisvorsitzenden wird schnell klar: Die Basis ist in Aufruhr in diesen Tagen. Und mancher blickt schon sehnsuchtsvoll Richtung Bayern. Dorthin, wo Markus Söder regiert.

Denn am selben Tag, als Laschet in Berlin spricht, veranstaltet Söder einen Impfgipfel. Und es ist wie eigentlich jeden Tag: Markus Söder findet, dass die Öffentlichkeit dringend erfahren muss, was Markus Söder tut. Deshalb gibt er eine Pressekonferenz. Dort verkündet er, dass Bayern vor allen anderen Bundesländern auch in den Hausarztpraxen gegen Corona impft.

Eine Ohrfeige von der Kanzlerin

Das Signal von Söder lautet: Soll Laschet in Berlin doch über Energiewende und Europa reden – Bayern rettet derweil Menschenleben. Mal wieder. Und Söder bringt, ebenfalls mal wieder, eine Spitze unter. Es ist bei ihm oft nur ein einfacher Satz, doch die Attacke ist allen klar. Es ist die Söder’sche Art des Messerstoßes. In diesem Fall sagt er, er finde es "sehr seltsam, wenn der CDU-Vorsitzende ein halbes Jahr vor der Wahl mit der Bundeskanzlerin streitet".

So läuft das permanent: Laschet versucht in der Union an Boden zu gewinnen, Söder stichelt. In dieser Woche verschickt er mit dem Grünen-Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann einen Brief an alle anderen Länder-Regierungschefs mit der Forderung, alle sollten endlich wieder schärfere Maßnahmen ergreifen. Den Gefallen am Auflaufen-Lassen des Konkurrenten kann Söder nicht verbergen.

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Der Streit, den Söder meint, brach am Sonntagabend aus: Bei "Anne Will" kritisierte die Kanzlerin den NRW-Ministerpräsidenten Laschet dafür, dass er die vereinbarte Notbremse zur Eindämmung der Pandemie in seinem Bundesland nicht flächendeckend umsetze. Das erfülle sie "nicht mit Freude", sagte Merkel im Stile einer Erzieherin. Laschet verteidigte sich später zwar, aber hängen blieb: Er hat eine Ohrfeige der Kanzlerin bekommen.

Die Auseinandersetzung zwischen Laschet und Merkel ist auch deshalb von so großer Bedeutung, weil sie zeigt, dass die Pandemie über die Ambitionen des 60-Jährigen entscheiden.

Er stünde plötzlich als Söder-Imitator da

Laschets Rechnung geht so: Einerseits ist Streit mit der Kanzlerin für einen Länderchef immer schlecht. Andererseits versucht sich Laschet als CDU-Chef auch zu emanzipieren, es ist Teil seines Versuchs, endlich an Profil zu gewinnen. In seinem Lager findet man: Laschet werde zur Sprechpuppe, wenn er immer nur brav abnickt, welche Maßnahme Angela Merkel als nächstes einfällt.

Hinzukommt sein Image: Während Markus Söder zumindest rhetorisch immer für Verschärfungen kämpfte, war Armin Laschet oft der Anwalt für Lockerungen. Und an diesem Kurs hält er weiter fest.

Laschet kann nicht anders, denn er steckt in einer Zwickmühle. Er sieht die sich anbahnende dritte Welle. Doch würde er plötzlich auf einen harten Kurs einschwenken, stünde er als Söder-Imitator da.

Und in der Politik gilt die Regel: Im Zweifel entscheidet man sich nicht für die Kopie, sondern für das Original. Laschet hofft deshalb, dass sein Lockerungskurs schon irgendwie gut gehen wird.

Wie groß ist der Rückhalt für Laschet?

Auch in der CDU insgesamt gilt das Prinzip Hoffnung, allerdings mit anderem Schwerpunkt: Wenn im Sommer ein Großteil der Bevölkerung gegen das Virus immun sei, gerät das bescheidene Regierungshandwerk der Partei in Vergessenheit und Laschet bekommt Auftrieb.

Um an die Macht zu kommen, ist die Bundestagsfraktion für Laschet das entscheidende Werkzeug. Die 230 Unionsabgeordneten können die breite Machtbasis des Parteichefs bilden. Sie kommen aus ganz Deutschland, haben die Verbindung zur Basis, beschließen die Gesetze. Wer die Mehrheit von ihnen hinter sich hat, kann fast alle seine politischen Ziele durchsetzen und gilt als unangefochten.

Doch wer die Abgeordneten gegen sich hat, bleibt nicht lange Vorsitzender. Und wird erst recht nicht Bundeskanzler. Annegret Kramp-Karrenbauer kann davon ein trauriges Lied singen.

Und wie groß ist der Rückhalt in der Fraktion für Armin Laschet? Hm, heißt es oft, wenn man die Abgeordneten fragt. Hm, mal schauen, soll das heißen.

"Oder ist er doch zu schwach?"

Christoph Ploß, der Hamburger CDU-Chef, der auch im Bundestag sitzt, sagt mit Blick auf die Bundestagswahl nur einen kurzen Satz: "Die Person, mit der wir die besten Chancen auf den Wahlsieg haben, sollte antreten." Die besten Chancen, das ist ein Hinweis auf die Umfragen. Und die sprechen eine eindeutige Sprache: Markus Söder. Und nicht Armin Laschet.

Dietlind Tiemann, eine CDU-Abgeordnete aus Brandenburg, wird noch deutlicher. Sie sagt t-online: "Der aktuelle Zustand der CDU erinnert an ein weidwund geschossenes Reh. Jetzt geht es darum, neue Stärke zu entwickeln, und zwar sehr schnell." Tiemann schiebt fragend in Bezug auf Laschet nach: "Oder ist er doch zu schwach?" Das klingt wieder ziemlich nach Trostpreis.

In CDU-Führungskreisen wird bereits eine Strategie ausgetüftelt, um die zweifelnde Bundestagsfraktion zu befrieden. Die Lösung lautet: Möglichst viele, diverse Köpfe sollen neben Laschet auftauchen. Dann muss er nicht alle Bereiche selbst abdecken.

Laschet wird es schwer haben

In Nordrhein-Westfalen hat das schonmal geklappt: Bei der Bildung seines Kabinetts machte Laschet den wohl sozialdemokratischsten CDU-Funktionär, Karl-Josef Laumann, zu seinem Gesundheitsminister. Und Herbert Reul, der problemlos auch für die CSU als Generalsekretär arbeiten könnte, wurde in seinem Kabinett Innenminister. Die extremen Pole der Partei vereinigten sich unter Laschet, seitdem führt er eine einigermaßen geräuschlose Koalition.

Und nun, so ist die Hoffnung in der Fraktion, könnte Laschet das Düsseldorfer Modell in Berlin kopieren. Etwa, indem er ein Team von möglichen Ministern für die nächste Bundestagswahl präsentiert. Im Lager von Friedrich Merz malt man sich das schon in den kühnsten Farben aus.

Doch einfach wird das nicht: Denn Julia Klöckner kündigte nach t-online-Informationen im Parteipräsidium bereits an, dass sie gern Landwirtschaftsministerin bleiben wolle. Und Jens Spahn will auch künftig Teil der Führungsmannschaft sein, wie er intern signalisierte. Allzu viele Plätze bleiben nicht übrig.

Ausgerechnet ein Ritterschlag von der Mittelstandsunion

Doch ausgerechnet jetzt, wo es für Laschet recht schwierig aussieht, bekommt er unvorhergesehene Hilfe. Und zwar aus einem Flügel, der vorher für Friedrich Merz war: Die Wirtschaftsgruppen in der CDU. Denn dort ist Söders Hang zum Lockdown verpönt. "Einfach nur alles lahmlegen bringt uns die Unternehmer auf die Palme und wir verlieren massiv Stimmen", heißt es in Teilen des Wirtschaftsflügels. Und nun wird der Feind des Feindes plötzlich zum Freund.

Der Chef der mächtigen Mittelstandsunion, Carsten Linnemann, sagte kürzlich mit Bezug auf Nordrhein-Westfalen: "Armin Laschet hat bewiesen, dass er es kann." Es war ein Ritterschlag. Je länger die Pandemie dauert, desto lieber ist den Wirtschaftsleuten Laschet. Solche Unterstützer sind seine ersten Bausteine für den anvisierten Erfolg.

Söder könnte einfach grinsend zuschauen

Der 60-Jährige versucht zudem noch von einem Gefühl in der Partei zu profitieren. Es ist das Gefühl der Ermüdung.

Denn die CDU hat lange nach einem neuen Vorsitzenden gesucht. Der Prozess streckte sich ein Jahr lang, manche sagen: Es war zermürbend. Die Lust in der Partei, erneut eine Grundsatzdebatte zu eröffnen und Söder die Kanzlerkandidatur anzutragen, ist daher überschaubar.

Mit Selbstzerfleischung gewinnt man keine Wähler, mit einem klaren Kurs schon. Deshalb soll der frische Friede jetzt auch nicht sofort wieder aufs Spiel gesetzt werden. Das spricht ebenfalls für Laschet.

Es ist auch möglich, dass Armin Laschet Kanzlerkandidat der Union wird und Markus Söder einfach grinsend dabei zuschaut. Das Gefühl zu haben, eigentlich der Bessere zu sein, ohne sich wirklich beweisen zu müssen, ist für einen Spitzenpolitiker wie den bayerischen Ministerpräsidenten eine ordentliche Entschädigung.

Söder erklärte kürzlich, es sei jetzt einfach wichtig, dass die Union "aus dem Kamillentee-Modus" herauskomme und rein in den Modus "Red Bull oder Cola light". Was er nicht sagte, aber wusste, dass es Laschet wohl bekannt ist: Bei Bierfesten ist in Söders Maßkrug immer nur ein Getränk. Cola light.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
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