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Krieg gegen die Ukraine: Wie der europäische Gas-Boykott Russland trifft


Krieg gegen die Ukraine
Wie der europäische Gas-Boykott Russland trifft

Von Frederike Holewik

Aktualisiert am 28.02.2023Lesedauer: 5 Min.
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Überschüssiges Gas wird verfeuert (Symbolbild): Russland hat seine Gasproduktion gedrosselt. (Quelle: Jochen Eckel/imago images)

Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat zu explodierenden Energiepreisen geführt. Auch ein Jahr später sind die Folgen noch spürbar.

Volle Gasspeicher und warme Wohnungen: Die befürchtete Energiekrise ist diesen Winter ausgeblieben – obwohl Deutschland und die EU deutlich weniger russisches Gas und Öl importieren.

Zuletzt sind die Energiepreise sogar deutlich gefallen, da könnten die Gas- und Strompreisbremsen, die ab diesem Mittwoch gelten und Verbraucher und Unternehmen entlasten sollen, fast überflüssig wirken. Sind wir also schon über den Berg? Wie abhängig sind wir weiterhin von Russland? Und worauf müssen sich Verbraucher in den kommenden Monaten einstellen? Der t-online-Überblick.

Bezieht Deutschland noch Energie aus Russland?

Nein. Ende August kam das letzte russische Gas nach Deutschland, seitdem hat Russland seine Lieferungen eingestellt. "Lediglich über Umwege, etwa über LNG-Terminals in unseren Nachbarländern, könnten noch kleine Mengen an russischem Gas nach Deutschland gelangen", sagt Malte Küper, Energieexperte am arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft (IW), im Gespräch mit t-online.

  • Kein Gas mehr aus Russland: Woher kommen die Alternativen?

Auch beim Öl setzt Deutschland seit Januar auf Alternativen, auf EU-Ebene wurde bereits im Dezember ein Embargo als Reaktion auf den Krieg verhängt. Wie am Dienstag bekannt wurde, soll die Raffinerie im brandenburgischen Schwedt künftig Öl aus Kasachstan verarbeiten. Das Land ist nicht vom Embargo betroffen, allerdings wird das Öl dann Tausende Kilometer über russisches Gebiet transportiert und Russland kassiert dafür Durchleitungsgebühren.

Ist die Gasversorgung in Deutschland sicher?

Grundsätzlich ja. Die Bundesnetzagentur gibt seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine regelmäßig Updates zur Lage und kommt darin zu dem Schluss, dass die Versorgung stabil sei. "Insgesamt bewertet die Bundesnetzagentur die Lage als weniger angespannt als zu Beginn des Winters", heißt es im aktuellen Bericht.

Konkret heißt das: Die deutschen Gasspeicher sind momentan zu 71,4 Prozent gefüllt. EU-weit liegt der Füllstand bei rund 63 Prozent – und damit deutlich über den Zielwerten. Neben dem Gas aus den Speichern bezieht Deutschland aus verschiedenen Ländern frisches Gas, darunter Norwegen, die Niederlande, Belgien und Frankreich. Zudem kommt mittlerweile auch Flüssiggas über die neuen LNG-Terminals an der Küste.

Dennoch könnte es zu Problemen kommen, denn der Gasverbrauch hängt stark von den aktuellen Temperaturen ab. Das Jahr hat mit vergleichsweise hohen Temperaturen angefangen, der Gasverbrauch fiel entsprechend niedriger aus. Wie die Versorgungslage im kommenden Winter ohne starke Sparanstrengungen aussehen wird, ist noch ungewiss und hängt entscheidend vom Ausbau der geplanten Flüssiggasterminals an der deutschen Küste ab.

Was bedeutet das für die Energiepreise?

Vor allem starke Schwankungen. Denn der russische Angriff auf die Ukraine hat die Börsen vor nunmehr einem Jahr heftig ins Schwanken gebracht, und noch haben sie sich nicht gänzlich wieder beruhigt – dabei wird zum einen die Versorgungslage, aber auch die Unsicherheit über künftige Entwicklungen eingepreist.

Trotz fallender Tendenz lagen die Erzeugerpreise für Energie im Januar weiterhin rund ein Drittel über denen des Vorjahres im Januar 2022, wie eine Auswertung des Statistischen Bundesamtes zeigt. Bei den Verbrauchern kamen dementsprechend noch höhere Preise an: Im Dezember 2022 lagen die Preise für Heizöl rund 87 Prozent über den Vorjahreswerten, Erdgas hatte sich um rund 65 Prozent verteuert, Strom um rund 20 Prozent, und bei Kraftstoffen an der Tankstelle lagen die Preise etwa 27 Prozent über dem Vorjahresschnitt. Aktuell kostet ein Liter Benzin im Schnitt 1,83 Euro, ein Liter Diesel 1,74 Euro.

"Die Preise befinden sich in einer Abwärtsbewegung", sagt Energieexperte Küper mit Blick auf die aktuelle Entwicklung, aber das bedeute noch keine Entwarnung. "Dieses Jahr ist noch nicht mit stabilen Preisen zu rechnen." Wie sich die Preise in Zukunft entwickeln werden, ist ungewiss. "Ob in der Zukunft Flüssiggas ähnlich günstig angeboten wird wie Pipelinegas vor dem Krieg, hängt von der Nachfrage und dem Ausbau der Produktion ab. Mittelfristig werden die Preise aber wohl erst mal über dem Vorkrisenniveau bleiben", so Küper weiter.

Wichtig für Verbraucher: Ab 1. März werden die Preise für Strom, Gas und Fernwärme gedeckelt – rückwirkend ab Januar. Deshalb bekommen viele Kunden derzeit Post von ihrem Energieversorger. Was Sie dabei beachten sollten, lesen Sie hier.

Wie abhängig sind andere europäische Länder?

Die EU hat russisches Öl sanktioniert. Gas hingegen darf weiter aus Russland bezogen werden. Und einige Länder machen von dieser Option auch Gebrauch: So stammten zwischen Januar und November noch 25 Prozent der gesamten Gasversorgung der EU aus Russland. Vor dem russischen Einmarsch waren es 40 Prozent gewesen.

Österreich etwa ist weiterhin abhängig von russischem Gas, was unter anderem an Verträgen zwischen dem teilstaatlichen russischen Energiekonzern Gazprom und der österreichischen Energie- und Petrochemiefirma OMV liegt. Der Vertrag über Lieferungen nach Deutschland wird seit einer Weile nicht mehr eingehalten, aber nach Österreich wird weiterhin Gas geliefert. Allerdings in stark schwankenden Mengen: Im Herbst lagen sie bei zwischen 30 und 70 Prozent, zuletzt aber wieder bei 100 Prozent des vereinbarten Umfangs.

Der österreichische Bundeskanzler Karl Nehammer hatte vor Weihnachten zwar verkündet, sein Land habe den Anteil russischer Gasimporte im Netz auf 20 Prozent gedrückt. Doch im Januar lag der Anteil bei 81 Prozent, wie aus dem Energie-Dashboard des Klimaministeriums hervorgeht.

Über die österreichischen Leitungen kommt russisches Gas auch nach Italien. Zwar hat das Land seinen Anteil von 40 Prozent auf 19,3 Prozent gedrosselt, aber unabhängig ist Italien damit noch nicht. Bis zum Winter 2024/2025 sollen auch die verbleibenden Liefermengen aus anderen Quellen bezogen werden. Zu den drei bestehenden Regasifizierungsanlagen soll dafür noch zwei weitere hinzukommen.

Die größten dieser Anlagen in der EU stehen in Spanien. Zudem hat das Land eine direkte Leitung zum Gasproduzenten Algerien. Trotzdem stiegen die Importe von russischem Gas im vergangenen Jahr von zuvor 8,5 bis 10,5 Prozent auf 12 Prozent. Grund dafür laut Ministerium: Spanien half dabei, andere EU-Länder mit Gas zu versorgen, um die Speicher vor dem Winter zu füllen. Und Spanien selbst benötigte mehr Gas für die Stromproduktion, da Atomstrom aus Frankreich wegen Trockenheit ausblieb.

Was macht Russland mit überschüssigem Gas?

Das Gas, das jetzt nicht mehr in den Westen fließt, versucht Russland loszuwerden. Doch das ist gar nicht so einfach. Denn das Gas ist an ein Pipelinenetz gebunden, und Lieferungen in andere Länder sind nur bedingt möglich. Gazprom betont zwar, dass die Exporte nach China erhöht worden seien, doch das kann sich nur auf einen Teil des Gases beziehen.

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Denn die Pipeline Power of Siberia, die die beiden Länder verbindet, beginnt im Osten Russlands und damit weit entfernt von den großen Gasfeldern. Eine Verbindung zur nach Europa führenden Jamal-Pipeline ist zwar schon jahrelang in der Planung, aber bisher nicht realisiert. Energieexperte Küper ist sich sicher: "Auch wenn Russland mittlerweile mehr Gas nach China liefert, ersetzt das nicht ansatzweise die Mengen, die zuvor von Russland nach Europa geliefert wurden."

Offenbar hat Gazprom deshalb die Produktion gedrosselt. 2022 wurden nach Unternehmensangaben 412,6 Milliarden Kubikmeter Gas produziert und damit 20 Prozent weniger als im Vorjahr. Viel weiter herunterzugehen, ist schwierig. "Die Produktion weiter zu senken ist zwar möglich, braucht aber Zeit, denn es sind sehr viele Felder, aus denen das Gas strömt", so Küper. "Zudem will Russland sicher keine dauerhafte Versiegelung, sondern sich die Option offenhalten, zu einem späteren Zeitpunkt wieder nach Europa liefern zu können."

Für das überschüssige Gas bleibt daher oft nur eine Option: verfeuern. Schon im vergangenen Sommer gab es deshalb Berichte darüber, dass Russland überschüssiges Gas an der finnischen Grenze verbrenne. Dabei handelte es sich auch um eine politische Botschaft, schließlich herrschte zu diesem Zeitpunkt in Europa die Sorge vor akuten Energieengpässen. Mittlerweile findet das Verbrennen wohl eher direkt am Förderort statt.

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