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Lobbyisten vorgeschickt: Peinliches Verhalten der Grünen


Lobbyisten vorgeschickt
Ganz schön peinlich

MeinungEine Kolumne von Ursula Weidenfeld

Aktualisiert am 09.11.2021Lesedauer: 3 Min.
Meinung
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Grünen-Vorsitzende Annalena Baerbock auf einer Demo von Umweltinitiativen (Archivbild): Ihre Partei schickt Greenpeace, Umwelthilfe und Co. vor, um Druck auf die potenziellen Koalitionspartner auszuüben.Vergrößern des Bildes
Die Grünen-Vorsitzende Annalena Baerbock auf einer Demo von Umweltinitiativen (Archivbild): Ihre Partei schickt Greenpeace, Umwelthilfe und Co. vor, um Druck auf die potenziellen Koalitionspartner auszuüben. (Quelle: IPON/imago-images-bilder)

Die Grünen bringen Umweltverbände wie Greenpeace oder den BUND gegen die klimapolitische Laxheit von SPD und FDP in Stellung. Warum das für beide Seiten ein Fehler ist.

Die Spitzenpolitiker der Grünen haben in der vergangenen Woche einen Brief an die Umweltverbände geschrieben. Darin bitten die wahrscheinlichen künftigen Regierungsmitglieder die Aktivisten inständig, bei der SPD und den Liberalen ordentlich Druck zu machen: damit die Klimafrage in den Koalitionsverhandlungen endlich vorankomme.

Als das Schreiben öffentlich wurde, war die Verwunderung groß. Wie kann es sein, dass gewählte Politiker schon im Vorfeld der eigentlichen Regierungsarbeit Lobbyverbände zu Hilfe rufen müssen? Vorübergehend wurden die Grünen zum Buhmann der Koalitionsgespräche. Dazu sind drei Dinge anzumerken.

1. Austausch mit Lobbyisten ist normal

Erstens: Dass Politiker sich der Mithilfe von Lobbyisten versichern, ist weitverbreitet. Man darf getrost davon ausgehen, dass sich auch SPD und FDP mit den Gewerkschaften, dem Bundesverband der Deutschen Industrie, den Familienunternehmern oder dem Steuerzahlerbund über Fragen der Steuergestaltung, der Staatsverschuldung oder eines hohen Mindestlohns austauschen.

Das ist zwar nicht gut, weil die Entscheidungsfindung so im Interesse der Verbände beeinflusst werden kann. Doch weil alle wissen, dass in diesen Tagen das Regierungsprogramm für die kommenden vier Jahre festgezurrt wird, herrscht im Umfeld der Koalitionsverhandler natürlich reges Treiben. So weit, so normal.

2. Die Umweltverbände setzen ihr gutes Image aufs Spiel

Zivilgesellschaftliche Organisationen wie Greenpeace, die Deutsche Umwelthilfe, Germanwatch oder der BUND wurden bisher allerdings in einem viel milderem Licht gesehen – weil sie sich nicht für das eigene Interesse, sondern für das Allgemeinwohl einsetzen. Ihre Aktivisten gelten als die "Guten", während die herkömmlichen Verbandsvertreter der dunklen Seite der Macht zugerechnet werden.

Nach dem Brief der grünen Parteispitze an die Umweltverbände gerät diese Rollenverteilung gehörig ins Wanken. Denn die Umweltverbände sind in Berlin mittlerweile selbst zu sehr einflussreichen Lobbyisten geworden.

Nicht nur dass sie die grünen Verhandler unter Druck setzen, weil sie in Sachen Klimaschutz unzufrieden mit dem Stand der Gespräche sind. Sie unterhalten große Büros mit Experten und Beratern, die Studien verfassen, Kampagnen organisieren, große Konferenzen abhalten. Sie stellen die Munition für den politischen Diskurs her.

Nun aber sollen sie ihren Einfluss nutzen, um Druck bei den Sozialdemokraten und Liberalen aufzubauen. Eine Arbeit, die sich die Parteispitze selbst offenbar nicht zutraut. Für die – eigentlich vertraulichen – Koalitionsgespräche ist das eine merkwürdige Versuchsanordnung.

Die Gesprächsführer der Grünen lösen (unter Wahrung der Geheimhaltung natürlich) Alarm aus, und Greenpeace, Nabu und Umwelthilfe setzen sich pflichtschuldig in Bewegung? Wenn dem so wäre, wären die Umweltverbände nicht mehr für das Allgemeinwohl, sondern in erster Linie für Gedeih und Verderb der grünen Partei zuständig.

Das würde ihre Selbstbeschreibung empfindlich beeinträchtigen: Jahrelang haben sie dafür gearbeitet, auch außerhalb der eigenen Klientel als Gesprächspartner anerkannt zu werden, sie haben für Offenheit und Transparenz in der öffentlichen Debatte geworben. Dieser Erfolg gerät in Gefahr, wenn sie am Ende doch wieder als Vorfeldorganisationen der Grünen arbeiten sollen.

3. Für Grüne und Verbände ist die Aktion peinlich

Sich dabei erwischen zu lassen, ist für beide Seiten mehr als peinlich. Denn nun werden sich die Verhandler der FDP und der SPD natürlich fragen, warum die Umweltorganisationen bei ihnen um Termine nachsuchen. Wollen sie hilfreiche Einschätzungen zu Biodiversität, Klimaschutz und Umweltbelangen liefern, oder sind sie nur da, um am Ende die Grünen besser aussehen zu lassen?

Egal wie die Sache am Ende ausgeht, der deutsche Umwelt- und Klimalobbyismus verliert in diesen Tagen seine Unschuld: weil er nicht mehr überparteilich handelt, sondern parteiisch wird. Und die Grünen sehen schon zu Beginn der neuen Bundesregierung älter aus, als sie sich fühlen.

Ursula Weidenfeld ist Wirtschaftsjournalistin in Berlin. Ihr neues Buch heißt

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