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EZB verpasst Zinswende: Zögern, zaudern, zuschauen


Zaudern der EZB
Die Zinswende ist schon da – und das ist nicht nur schön

MeinungEine Kolumne von Ursula Weidenfeld

01.02.2022Lesedauer: 3 Min.
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Schlechte Nachrichten für Hausbauer: Mit steigenden Zinsen neigt sich auch die Zeit der günstigen Kredite einem Ende zu.Vergrößern des Bildes
Schlechte Nachrichten für Hausbauer: Mit steigenden Zinsen neigt sich auch die Zeit der günstigen Kredite einem Ende zu. (Quelle: imago-images-bilder)

Die Europäische Zentralbank wird wohl trotz der Inflation die Zinsen nicht erhöhen. Auf den Märkten aber ist die Zinswende längst da. Das spüren zuerst die Verbraucher.

Die Europäische Zentralbank wird auch an diesem Donnerstag aller Voraussicht nach das tun, was sie im Moment am besten kann: zögern, zaudern, zuschauen.

Während für die meisten anderen Notenbanken in diesem Frühjahr der Ausstieg aus der ultralockeren Geldpolitik auf dem Programm steht, duckt sich die EZB weg – trotz anhaltend hoher Inflation, trotz des sehr ordentlichen Wirtschaftswachstums in der Eurozone. Das aber hilft ihr nicht. Denn die Zinswende findet auch in Europa längst statt.

Die Nachbarländer Polen, Großbritannien und Ungarn haben schon an der Zinsschraube gedreht, die US-Notenbank Fed wird es wohl im März tun. Die Europäische Zentralbank begnügt sich mit Ankündigungen, ihr Pandemie-Anleihekaufprogramm zu beenden. Dennoch merken auch die Anleger, Unternehmen und Staaten der Eurozone schon heute, dass nicht nur Erdgas, Radieschen und Waschmaschinen teurer werden. Kredite bekommen auch wieder ein Preisschild.

Zuerst spüren das die Verbraucher. Wer heute ein Haus bauen will und dafür einen Kredit braucht, zahlt zwar immer noch niedrige Zinsen. Doch bei einer Bausumme von 400.000 Euro macht es schon einen Unterschied, ob man für das Hypothekendarlehen 0,85 oder 1,15 Prozent bezahlen muss.

Der private Sparer muss noch lange auf Sparzinsen warten

Hinzu kommt: Weil sich die Bundesbank zunehmend Sorgen um eine Blase auf dem Immobilienmarkt macht, treibt die Regulierung die Kosten der Baufinanzierung weiter: Wenn die Banken höhere Auflagen für einen ausgezahlten Immobilienkredit erfüllen müssen, muss dafür am Ende auch der Bauherr geradestehen.

Der private Sparer wird dagegen noch eine gute Weile warten müssen, bis seine Hausbank ihm die Negativzinsen – das Verwahrentgelt – erlassen wird und möglicherweise irgendwann sogar wieder eine Rendite auf das Ersparte auszahlt. Denn bei den Einlagen der Privatkunden orientieren sich die Sparkassen und Banken an den Leitzinssätzen der Zentralbank.

Geht man davon aus, dass die EZB erst im kommenden Jahr die Zinsen anheben wird, wird es vermutlich bis Ende 2023 oder Anfang 2024 dauern, bis die private Zinswende auch auf dem Giro- oder Sparkonto ankommt.

Börsen reagieren verschreckt auf Zinswende

Ungemach droht auch auf dem Unternehmenssektor. Firmen konnten sich in den vergangenen Jahren besonders günstig verschulden, auch sie zahlten nahezu keine Zinsen für ihre Kredite und Anleihen. Manche Unternehmen überlebten nur aufgrund der Niedrigstzinsen. Jetzt aber gehen die Finanzierungskosten wieder nach oben, was die Gewinnaussichten der Firmen beeinträchtigt, in Einzelfällen auch ihr Überleben fraglich macht.

Kein Wunder, dass die Börse nervös reagiert, wenn die Zeichen auf Zinsanhebung stehen. Weil die Anleger damit rechnen, dass die Unternehmen sich nur noch zu ungünstigeren Konditionen Geld leihen können, machen sie auch bei den ohnehin sehr hoch bewerteten Aktien eine Kaufpause.

Und der Staat? Dass sich Finanzminister Christian Lindner (FDP) genau überlegen muss, wie er die Staatsausgaben künftig finanziert, zeigte eine kleine Zinsbewegung Mitte Januar. Erstmals seit 2019 lugten die Zinsen für zehnjährige Bundesanleihen wieder über die Nulllinie. Seitdem pendeln sie um diese Marke.

Umdenken für Finanzpolitiker

Noch gibt es für die Finanzpolitiker keinen Grund zur Aufregung. Aber Anlass zu Nachdenklichkeit sollte das Ereignis schon sein. Denn die Aufwendungen für Zins und Tilgung waren in den vergangenen Jahren der schönste Posten für die Finanzminister.

Sie planten dafür Mittel ein, die sie am Ende nicht brauchten – und die sie dann benutzten, um Löcher an anderen Stellen zu stopfen. In den kommenden Jahren aber wird der Schuldendienst wieder eine Rolle spielen. Darauf müssen sich die Finanzpolitiker von Bund, Ländern und Gemeinden einstellen.

Denn für Verbraucher, Unternehmen und den Staat gilt: Die komfortablen Zeiten sind vorbei. Jetzt beginnen die realistischen. Das ist nicht unbedingt eine schlechte Nachricht.

Ursula Weidenfeld ist Wirtschaftsjournalistin in Berlin. Ihr neues Buch heißt: Die Kanzlerin. Porträt einer Epoche.

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