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Klimageld-Idee | Die neue Klientelpolitik der Ampel-Regierung


Klimageld-Idee
Die neue Klientelpolitik der Ampel-Regierung

Eine Kolumne von Ursula Weidenfeld

31.05.2022Lesedauer: 3 Min.
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Wirtschaftsminister Robert Habeck, Bundeskanzler Olaf Scholz, Finanzminister Christian Lindner (v.r.n.l.): Beim Umgang mit Krisen setzt die Ampel-Regierung auf Balance zwischen den Parteien, schreibt t-online-Kolumnistin Ursula Weidenfeld.Vergrößern des Bildes
Wirtschaftsminister Robert Habeck, Bundeskanzler Olaf Scholz, Finanzminister Christian Lindner (v.r.n.l.): Beim Umgang mit Krisen setzt die Ampel-Regierung auf Balance zwischen den Parteien, schreibt t-online-Kolumnistin Ursula Weidenfeld. (Quelle: Chris Emil Janßen/imago-images-bilder)

Die Ampel-Koalition verzettelt sich in der Energie- und Sozialpolitik, statt ihre eigentlichen Ziele zu verfolgen. Das ist gefährlich. Vor allem fürs Klima.

Ab morgen gilt der Tankrabatt, ausgedacht von der FDP. Hinzu kommt das 9-Euro-Ticket, entworfen von den Grünen. Im Sommer gibt es dann einen Nachschlag: der Heizkostenzuschuss – von der SPD. Nächstes Jahr dann könnte, so die Idee von Minister Hubertus Heil (SPD), das soziale Klimageld den Bürger erfreuen. Oder doch lieber eine Steuerreform à la FDP? Und was kommt 2023 eigentlich von den Grünen?

Diese Bundesregierung erweckt ein halbes Jahr nach ihrem Amtsantritt den Eindruck, als ginge es im Management der drei großen Krisen der Gegenwart – Klima, Ukraine, Corona – am Ende doch vor allem um die Balance in der Koalition. Ein paar Cent weniger an der Tankstelle werden gegen Freifahrten ins Umland gehandelt.

Ihren Wählern begegnet die Regierung dabei wie ein alter Onkel, der in der Hosentasche immer noch ein paar Groschen Kirmesgeld für die Großnichten und -neffen findet. Dafür nimmt die Regierung in Kauf, ihr wichtigstes Ziel zu beschädigen.

Die Ampel macht vor allem Klientelpolitik

Statt Klima- macht sie Klientelpolitik – auch wenn die Ampel-Politiker das bestreiten würden. Natürlich geht's ums Klima, würden sie beteuern. Dabei ist längst klar: "Klima" ist zu einem Wieselwort für alle Ausgabenwünsche von SPD, Grünen und FDP geworden. Klug ist das nicht.

Denn erstens sind die großen Aufgaben der Gegenwart vermutlich nur in einem gemeinsamen Kraftakt zu bewältigen. Zweitens hat der Wähler ein kurzes Gedächtnis – es ist also nicht einmal sicher, dass sich die Niedersachsen bei ihrer Landtagswahl Anfang Oktober noch dankbar an die fröhlichen Sommerausflüge erinnern.

Und drittens werden bei den Bundestagswahlen im Jahr 2025 vermutlich andere Themen wahlentscheidend sein: Rentenreform und Staatsfinanzen zum Beispiel.

"Christian Lindner bezahlt sozusagen"

Nach einem gemeinsamen Kraftakt sieht es im Augenblick nicht aus. Sozialdemokraten und Grüne würden lieber heute als morgen die Schuldenbremse aus dem Grundgesetz streichen, um die großen Transformationsaufgaben und die kleinen Wählergeschenke zu finanzieren.

So zumindest muss man die Pläne von Heil für ein soziales Klimageld sowie das flapsige "Christian Lindner bezahlt sozusagen" von Wirtschaftsminister Robert Habeck wohl verstehen.

Wäre das wirklich so, würde die Bundesregierung die ohnehin hohe Inflation nur noch weiter anheizen. Denn der enorme Preisschub dieses Frühjahrs wird nicht von zu viel Nachfrage getrieben. Er wird vom schrumpfenden Angebot an Energie, Öl, Gas, Stahl, Weizen und Sonnenblumenöl verursacht.

Heils Kernthema: die CO2-Steuer

Die Preise werden sich erst stabilisieren, wenn das Angebot wieder wächst, der Krieg in der Ukraine und Corona in China vorbei sind. Es ist zwar nicht besonders populär zurzeit: Doch Finanzminister Christian Lindner liegt richtig, wenn er erst einmal die Staatsfinanzen wieder in Ordnung bringen will.

Heil dagegen will die Subventionen für die Verbraucher zu einem Dauerinstrument machen. Kernpunkt seiner Pläne ist die CO2-Steuer, die seit dem vergangenen Jahr erhoben wird, und die schrittweise angehoben werden soll. Der Klimaforscher Ottmar Edenhofer und der frühere Chef der Wirtschaftsweisen, Christoph Schmidt, hatten im vergangenen Jahr vorgeschlagen, das gesamte Aufkommen aus der CO2-Steuer gleichmäßig an die Bürger zurückzuverteilen.

Während die Steuer auf den individuellen CO2-Ausstoß bezahlt wird – für Viel- und Schnellfahrer, Bewohner großer gut geheizter Appartements, Flugreisende wird es teuer –, bekommt nach diesem Plan jeder dieselbe Summe aus dem CO2-Topf ausbezahlt. Die soziale Komponente ist eingebaut: Wer wenig fährt, bescheiden wohnt, und selten reist, gehört in der Regel nicht zu den Bessergestellten und bekommt mehr zurück. Die anderen zahlen drauf.

Klimawandel stoppen oder Wählerstimmen sammeln?

Diese Idee war zu einfach, um politisch eine Chance zu haben. Eine Steuer mit eingebautem Wachstumsmotor einfach blind zurückgeben? Unvorstellbar. Heil hätte lieber eine neue Sozialleistung. Sein soziales Klimageld soll Haushalten unter 4.000 Euro (Singles) oder 8.000 Euro (Paare) zugutekommen.

Wer weniger verdient als der Durchschnitt, soll Geld erhalten, das Einkommensstarke und Unternehmen für ihren CO2-Verbrauch bezahlen. Deutlicher kann man kaum zeigen, dass es nicht darum geht, den Klimawandel zu bremsen. Hier geht es um die nächste Wahl und die Stimmen der klassisch sozialdemokratischen Wählerschaft.

Dass die sich 2025 mit einer neuen Sozialleistung und einem üppiger ausgestatteten Bürgergeld zufriedengibt, ist nicht wahrscheinlich. Denn von 2025 an wird der Rückgang der Erwerbsbevölkerung so drastisch sein, dass eine Rentenreform unumgänglich ist. Eine Regierung, die angetreten ist, die großen Aufgaben der Zukunft anzupacken, sollte sich daran erinnern – statt den Handlungsspielraum durch immer neue Ausgabenprogramme weiter zu verengen.

Ursula Weidenfeld ist Wirtschaftsjournalistin in Berlin. Ihr neues Buch heißt:

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