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Kampf gegen Geldwäsche: Darum will die EU eine Bargeldobergrenze


Plan der EU
Diese Folgen könnte ein Bargeldlimit für Sie haben


21.07.2021Lesedauer: 5 Min.
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500-Euro-Banknoten (Symbolbild): Die EU-Kommission hat eine Bargeldobergrenze vorgeschlagen.Vergrößern des Bildes
500-Euro-Banknoten (Symbolbild): Die EU-Kommission hat eine Bargeldobergrenze vorgeschlagen. (Quelle: McPHOTO/imago-images-bilder)

Die EU plant eine Bargeldgrenze: Für viele Deutsche mutet das wie eine Schreckensnachricht an, schließlich gilt Bargeld hierzulande als sehr beliebt. Doch mit dem Plan verfolgt die EU ein wichtiges Ziel.

Schwarzarbeit, Korruption, Organisierte Kriminalität: Jährlich werden Milliarden Euro illegalen Ursprungs in die reguläre Wirtschaft geschleust. Mit einem Barzahlungslimit will Brüssel nun Geldwäsche erschweren. Der Vorstoß ist umstritten – vor allem in Deutschland. Doch die EU hat noch weitere Vorschläge.

t-online erklärt, was ein Bargeldlimit bringen soll, welche Kritik es daran gibt und wie die EU sonst gegen Geldwäsche vorgehen will.

Warum verschärft die EU den Kampf gegen Geldwäsche?

Der Grund liegt auf der Hand: weil gewaltige Summen kriminellen Geldes im herkömmlichen Wirtschaftskreislauf versickern. "Schätzungen zufolge belaufen sich verdächtige Transaktionen innerhalb Europas auf mehrere Hundert Milliarden Euro", teilte jüngst der Europäische Rechnungshof mit. Geld, das meist mit Leid verdient wird – etwa durch Zwangsprostitution, Menschen- und Waffenhandel, Drogengeschäfte oder Erpressung.

Der Rechnungshof kam zu dem Schluss, dass es deutliche Schwächen bei der Bekämpfung von Geldwäsche gibt. So stellte er unter anderem fest, dass Maßnahmen gegen kriminelles Geld auf EU-Ebene unzureichend koordiniert werden. Der Druck hier ist also hoch.

Auch Sven Giegold, EU-Abgeordneter für die Grünen, sieht das Problem. "In Europa macht sich die Organisierte Kriminalität breit." Das Problem sei nicht nur in Kleinststaaten wie Malta oder Zypern präsent, so der Politiker. "Auch Deutschland ist ein Geldwäscheparadies. Europäisches Recht muss endlich durchgesetzt werden. Kriminelles Geld übernimmt immer mehr Immobilien und Firmen."

Was soll ein Bargeldlimit bringen?

Um Geldwäsche künftig zu unterbinden, hat die Kommission ein breites Maßnahmenpaket vorgeschlagen (siehe unten). Am meisten Kritik erhält jedoch die Idee, eine Bargeldobergrenze einzuführen: Barzahlungen sollen bei 10.000 Euro gedeckelt werden.

Befürworter argumentieren, Kriminelle hätten es dann schwerer, die illegale Herkunft von Geldern zu verschleiern. Das gelte für Terrorismusfinanzierung ebenso wie für Schwarzarbeit.

Denn anders als elektronische Einzahlungen oder Überweisungen hinterlassen Bargeldgeschäfte kaum Spuren. Somit könnte eine Obergrenze für Zahlungen mit Schein und Münze kriminelle Machenschaften eindämmen.

EU-Kommissarin: "Wir wollen saubere Euros"

"Wir respektieren es, dass Bürger Bargeld mögen, und wir wollen es nicht abschaffen", sagte EU-Finanzmarktkommissarin Mairead McGuinness im Mai der "Süddeutschen Zeitung". "Doch wir wollen saubere Euros, keine dreckigen. Geldwäsche vergiftet das Wirtschaftssystem; das Geld stammt aus kriminellen Aktivitäten und fließt in den legalen Wirtschaftskreislauf."

In den meisten Ländern Europas gibt es bereits Höchstgrenzen für Bargeldzahlungen – in Griechenland ist beispielsweise bei 500 Euro Schluss, in Kroatien bei 15.000 Euro. Keine Limits setzen bislang Staaten wie Deutschland, Österreich, Luxemburg und Zypern.

Privattransaktionen sollen von Bargeldgrenze ausgenommen sein

Barzahlungen in fünfstelliger Höhe dürften für die meisten Verbraucher ohnehin einen Seltenheitswert haben. In bestimmten Bereichen könnten Obergrenzen allerdings Probleme bereiten, etwa beim Gebrauchtwagenkauf. Viele Verkäufer dürften sich ungern auf die Zusage verlassen, das Geld werde überwiesen. Auch Mietkautionen werden mitunter bar gezahlt.

Solche Geschäfte werden aber voraussichtlich auch unter den verschärften Bedingungen möglich sein. "Diese Obergrenze gilt nicht für private Transaktionen zwischen Privatpersonen", heißt es im Entwurf der Kommission für die Verordnung.

Was plant die EU-Kommission noch?

Neben der Bargeldobergrenze plant die EU-Kommission, Kryptowährungen wie den Bitcoin stärker zu reglementieren. Anonyme digitale Geldbörsen – sogenannte Wallets – sollen verboten werden. Mehr zu Kryptowährungen lesen Sie hier.

"Geldwäsche fängt heute nicht zwingend beim Bargeld an, sondern auch beim Bitcoin. Bisher war die Krypto-Welt eher ein blinder Fleck", sagt Stefan Berger, CDU-Abgeordneter im EU-Parlament, t-online. "Es ist wichtig, dass Anbieter von Krypto-Assets den Behörden in Zukunft Daten zu den Transaktionen zur Verfügung stellen müssen."

Neue Geldwäschebehörde soll kommen

Zudem plant die Kommission, eine EU-eigene Geldwäscheaufsicht ("Anti-Money Laundering Authority", kurz "ALMA") aufzubauen. Diese Behörde soll auch Sanktionen gegen Mitgliedsländer verhängen dürfen, so der Vorschlag.

"Wichtig ist, dass nicht die Mitgliedsstaaten diese Behörde führen dürfen – sondern Spitzenbeamte der EU", fordert Grünen-Politiker Giegold. "Die Geldwäscheaufsicht darf kein zahnloser Tiger sein. Ich bin gespannt, ob die Bundesregierung wieder mithilft, eine effektive Behörde zu verhindern."

Für die Behörde sind rund 250 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vorgesehen. Den Plänen zufolge könnte sie 2023 gegründet werden und im Folgejahr mit dem Großteil ihrer Arbeit beginnen, voll besetzt sein soll sie 2026.

Streit um Standort für neue Aufsicht zeichnet sich ab

Streitpunkt wird sein, wo die neue EU-Behörde ihren Sitz unterhält. So sprechen sich Politiker und Verbände aus Deutschland für Frankfurt am Main aus, während ihre französischen Kollegen Paris avisieren. Dort haben bereits die europäische Bankenaufsicht EBA und die europäische Finanzaufsicht ESMA ihren Sitz, Frankfurt wartet dagegen mit der Europäischen Zentralbank (EZB) und der unter deren Dach angesiedelten Aufsicht über die großen Euro-Banken auf.

"Es ist wichtig, dass die neue EU-Behörde nach Frankfurt kommt und nicht nach Paris gehen wird", bekräftigte jüngst Thomas Richter, Hauptgeschäftsführer des deutschen Fondsverbands BVI. "Andernfalls könnte sich die Tektonik zwischen den kontinentaleuropäischen Finanzplätzen zugunsten von Paris verschieben."

Grünen-Politiker Giegold hat jedoch Bedenken zum Sitz in Deutschland. "Die Nähe zur EZB würde für den Standort Frankfurt sprechen", sagt er. "Allerdings ist Deutschland wahrlich kein Vorbild bei der Bekämpfung von Finanzkriminalität." Die Wirkungslosigkeit der Geldwäschebekämpfung in Deutschland "schwächt uns nun beim Wettbewerb um den Standort der neuen Behörde. Viel wichtiger als der Standort ist ohnehin, dass die neue Behörde weitreichende Kompetenzen bekommt", so Giegold.

Was ist die Kritik an den EU-Plänen?

Einen Kampf gegen Geldwäsche zu führen, sehen viele Politiker als wichtig an. Kritisiert wird allerdings die konkrete Ausgestaltung. Besonders die Bargeldobergrenze stößt auf deutliche Kritik.

So sieht Bundesbank-Vorstand Johannes Beermann eine Beschränkung von Barzahlungen auf 10.000 Euro kritisch. "Bislang gibt es keinen wissenschaftlich fundierten Beleg, dass mit Barzahlungsobergrenzen das Ziel erreicht wird, Geldwäsche zu bekämpfen", sagte Beermann kürzlich der Deutschen Presse-Agentur. Beermann sieht die Gefahr, dass ein solches Limit "vor allem auch den ehrlichen Bürger trifft".

Auch CDU-Mann Berger äußert harsche Kritik am Bargeldlimit. "Eine europäische Bargeldobergrenze gibt ein zweifelhaftes Signal an deutsche Bürgerinnen und Bürger", sagt er t-online. "Im europäischen Vergleich ist das Bezahlen mit Bargeld für uns Deutsche nicht nur eine Gewohnheit, sondern ein Lebensgefühl."

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Grünen-Politiker Giegold versucht dagegen, die Gemüter etwas zu beruhigen. "Die Deutschen hängen am Bargeld. Das verstehe ich auch: Bargeld ist gelebter Datenschutz. Doch klar ist: Niemand will das Bargeld abschaffen. Der einzige Grund, dass Bargeld verschwindet, ist, wenn es die Menschen nicht mehr nutzen." Ohnehin betreffe die geplante Bargeldobergrenze 99 Prozent der Menschen nicht.

Wie geht es nun weiter?

Nach der Vorstellung der Pläne sind der Rat der Mitgliedsstaaten und das Europaparlament am Zug. Wenn dort ausreichend große Mehrheiten zustande kommen, können die Vorschläge der EU-Kommission umgesetzt werden.

Vor dem kommenden Jahr werden allerdings keine endgültigen Entscheidungen erwartet. "Ich halte das aber für kaum realistisch", sagt Giegold von den Grünen. "Bis dahin darf die EU-Kommission aber nicht untätig bleiben. Die EU muss endlich Vertragsverletzungsverfahren gegen die Staaten durchsetzen – das Parlament wird hier weiter Druck machen", kündigt er an.

Die deutsche Position für die Verhandlungen wird vermutlich erst die nächste Bundesregierung nach der Bundestagswahl am 26. September festlegen.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Gespräch mit Sven Giegold
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